Bundesanwalt verliest Anklage
14. Mai 2013Den Auftakt des zweiten Verhandlungstags bestimmen zunächst mehrere Anträge der Verteidigung. Die Anwälte der Angeklagten Beate Zschäpe beantragen, den Prozess auszusetzen. Es müsse ein neuer, größerer Saal gesucht werden, sagt Verteidiger Wolfgang Heer. Wenn München keinen Platz habe, müsse in ganz Deutschland gesucht werden. Allen Ernstes schlägt Heer den ehemaligen Bundestag in Bonn als Alternative zum Oberlandesgericht München vor.
Wie schon die Befangenheitsanträge vom ersten Prozesstag weist der Vorsitzende Richter Manfred Götzl mit seinem Senat den Antrag der Verteidiger zurück, den Prozess aussetzen zu lassen. Auch die Forderung nach einem geräumigeren Saal schmettert er ab. Der Grundsatz der Öffentlichkeit gebiete es nicht, die Verhandlung in einen größeren Saal zu verlegen, begründet Götzl die Entscheidung des Gerichts. "Strafverfahren finden in, aber nicht für die Öffentlichkeit statt", erklärte er unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Bundesanwalt verliest Anklageschrift
Am Nachmittag kann Götzl zunächst die Personalien der Angeklagten aufnehmen. Dann endlich beginnt Bundesanwalt Herbert Diemer, die Anklage gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe sowie vier weitere Beschuldigte zu verlesen. Die Bundesanwaltschaft wirft Zschäpe Mittäterschaft bei sämtlichen Taten des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) vor. Sie habe gemeinschaftlich mit den gestorbenen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos unter anderem zehn Morde begangen. Vor Gericht blieb die Hauptangeklagte Zschäpe bei ihrem Schweigen. "Sie wird keine Angaben zur Person machen", sagte ihr Anwalt Wolfgang Heer.
Im Saal kommt es zwischendurch zu heftigen Wortgefechten zwischen den Juristen. Der Anwalt des mutmaßlichen NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben, Olaf Klemke, bezeichnet den von Nebenklägern geäußerten Vorwurf, die Verteidigung wolle die Verlesung der Anklageschrift verhindern, als "Schwachsinn". "Der Einfallsreichtum der Verteidigung ist offensichtlich unerschöpflich", kommentiert Bundesanwalt Herbert Diemer die Antragsflut.
Streitpunkt Verhandlungssaal
Das OLG war bereits vor Prozessbeginn für die Wahl des Verhandlungssaals kritisiert worden. Dieser bietet insgesamt nur 100 Zuschauern und Journalisten Platz. Am zweiten Verhandlungstag hatte der Andrang allerdings bereits merklich nachgelassen.
Der Prozess war wegen Befangenheitsanträgen der Verteidigung gegen einige Richter am ersten Verhandlungstag für eine Woche unterbrochen worden. Mehrere Angehörige und Opfer nahmen am zweiten Prozesstag teil. Inzwischen ist die Zahl der Nebenkläger auf 86 gestiegen, die von 62 Anwälten vertreten werden. Sie erwarten vom NSU-Prozess nicht nur einen Nachweis der Schuld der Angeklagten, sondern auch Aufklärung darüber, welche weiteren Unterstützer es gab und welche Rolle V-Leute, verdeckte Ermittler und andere Mitarbeiter der Nachrichtendienste spielten.
kle/gri/li/gmf (afp, dpa, rtr)