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Bundeshaushalt: Bruch der Regierung (vorerst) abgewendet

5. Juli 2024

Nach monatelangem Streit haben sich SPD, Grüne und FDP im Grundsatz auf einen Haushalt für 2025 geeinigt. Das heißt aber nicht, dass in der Koalition jetzt alles wieder gut ist.

Bundeskanzler Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner schauen in dunklen Anzugjacken in die Kameras.
Erstmal zufrieden: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, Mitte), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen, rechts) und Christian Lindner (FDP), Bundesminister der FinanzenBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Neuwahlen wird es in Deutschland erst einmal nicht geben, so viel ist sicher. "Die Bundesregierung hat ihre Beratungen über den Haushaltsentwurf 2025 nun abgeschlossen", verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), nachdem er mit Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner in der Nacht zum Freitag bis fünf Uhr morgens im Kanzleramt hinter verschlossenen Türen verhandelt hatte - und ergänzte: "Schlafen wird überschätzt."

Seit Wochen hatten die drei führenden Köpfe in der Regierungskoalition fast jede freie Minute mit dem Versuch verbracht, die unüberbrückbar anmutenden Differenzen bei der Haushaltsaufstellung auszuräumen. In der Ampel, einem Bündnis aus zwei linken und einer wirtschaftsliberalen Partei stehen sich zwei grundsätzlich gegensätzliche politische Positionen unversöhnlich gegenüber.

Konflikt um Schuldenbremse in der Regierungskoalition

Die FDP will sparen, um von 2025 an die Schuldenbremse wieder einhalten zu können. Die ist im Grundgesetz verankert und besagt, dass der Staat nur so viel Geld ausgeben darf, wie er auch einnimmt. Die Liberalen sind der Meinung, dass man künftigen Generationen nicht mit einem völlig überschuldeten Staat belasten kann, in dem die Zinszahlungen den Haushalt dominieren. 

SPD und Grüne sind dagegen der Meinung, dass das verfügbare Geld angesichts der vielen Krisen in Deutschland und der Welt nicht ausreicht. Ihnen wäre es am liebsten, wenn erneut eine Notlage erklärt und die Schuldenbremse wie schon in den vergangenen Jahren ausgesetzt würde. 

Keine Alternative zu einer Einigung

23 Verhandlungsrunden zu dritt habe es gegeben, listete Finanzminister Lindner nach der Einigung auf. "Wir haben mindestens 80 Stunden zusammen verbracht." Dazu kamen viele Runden, in denen die Beamten der Ministerien rechneten. Mehrfach lag die Drohung in der Luft, dass die Regierungskoalition am Haushalt zerbrechen könnte. Eine wirkliche Option wäre das allerdings für alle drei Parteien nicht gewesen, weil sie in den Wahlumfragen derzeit so schlecht abschneiden, dass sie bei Neuwahlen wahrscheinlich die Regierungsmacht verloren hätten.

Vordergründig spielt das für den Kanzler allerdings keine Rolle. Stattdessen betonte er, dass man sich habe zusammenraufen müssen, weil Deutschland gerade in schwierigen Zeiten die Verpflichtung habe, stabil zu bleiben. "Wir ringen hart um die Sache und wir suchen Kompromisse, weil die Alternative dazu eben keine Alternative ist. Die Nerven zu verlieren, hinzuschmeißen, vor der Verantwortung wegzulaufen, dafür hätte ich als Bundeskanzler keinerlei Verständnis in dieser Zeit. Und die Bürgerinnen und Bürger schon zweimal nicht."

Haushaltsentwurf 2025: Ausgaben und Schuldenbremse

Alle Ausgaben seien auf den Prüfstand gestellt, "jeder Stein im Haushalt umgedreht" worden, so der Finanzminister. Herausgekommen ist ein Etat, der im kommenden Jahr Ausgaben von 481 Milliarden Euro vorsieht. Wie genau das Geld auf die einzelnen Ministerien verteilt wird, ist noch nicht genau klar. Lindner hat jetzt bis zum 17. Juli Zeit, um die Einzelheiten seines Haushaltsentwurfs auszuarbeiten, dann will das Kabinett den Entwurf verabschieden und ins Parlament weiterleiten.

Da können SPD und Grüne noch so sehr wollen: Die Schuldenbremse steht für Finanzminister Christian Lindner nicht zur DebatteBild: picture alliance / BMF/photothek.de

Beschlossen wurde auch ein Nachtragshaushalt für dieses Jahr. Rechnet man die Summe mit den Krediten zusammen, die 2025 aufgenommen werden sollen, kommt man auf 100 Milliarden Euro. Geld, das investiert werden soll. Alles bewege sich im Rahmen der Schuldenbremse, betont Linder.

Arbeitsmarktintegration und Wachstum

Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, haben sich die Koalitionäre auf ein sogenanntes Wachstumspaket geeinigt. Es enthält ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Unter anderem sollen Unternehmen steuerliche Vorteile bekommen, wenn sie investieren. Oder beispielsweise auch, wenn sie Elektroautos anschaffen. Helfen soll außerdem ein deutlicher Abbau der Bürokratie.

Ältere Menschen sollen davon abgehalten werden, in Rente zu gehen, indem sie die Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung direkt als Lohn ausgezahlt bekommen, wenn sie weiter arbeiten. Wer Bürgergeld bezieht, also die Grundsicherung für Arbeitslose, muss mit mehr Restriktionen rechnen.

Flüchtlinge sollen leichter in Arbeit kommen

Mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu bringen, sei "die größte Stellschraube für mehr Wachstum", betonte Wirtschaftsminister Habeck. Das gelte auch für Flüchtlinge. "Ich kenne ganz viele Geschichten von Handwerksmeistern, die sagen, da ist einer, den will ich in meiner Werkstatt haben, aber weil irgendeine Formalität nicht zur Zufriedenheit der Behörden ist, darf der nicht arbeiten." Das Verfahren soll nun umgedreht werden, das heißt, die Behörde muss der Anfrage aktiv widersprechen, ansonsten gilt die Arbeitsaufnahme als genehmigt.

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Von dem Wachstumspaket erhofft sich die Regierung eine zusätzliche Wirtschaftsleistung von 26 Milliarden Euro. Doch das allein wird nicht reichen, um im kommenden Jahr über die Runden zu kommen. Fast alle Ministerien mussten im Vergleich zu 2024 Kürzungen hinnehmen. Besonders hart trifft es die Entwicklungshilfe, die um zehn Prozent zurückgefahren wird.

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Mit weniger Geld als gedacht muss auch der Bundesverteidigungsminister auskommen. Boris Pistorius (SPD) hatte für 2025 sechs bis sieben Milliarden Euro mehr verlangt, stattdessen bekommt er nur 1,25 Milliarden Euro zusätzlich. Trotzdem soll er große Rüstungsvorhaben weiter vorantreiben können. Möglich wird das durch den Rückgriff auf sogenannte Verpflichtungserklärungen des Staates. Da die Aufträge nicht bereits 2025 fertiggestellt werden, können die Zahlungen in die kommenden Jahre verlagert werden.

Die Finanzplanung für die kommenden Jahre sieht dementsprechend ab 2028 für das Verteidigungsministerium einen Bedarf von 80 Milliarden Euro jährlich vor. Deutlich mehr als die 52 Milliarden, die in diesem Jahr veranschlagt sind. Doch 2028 ist aus politischer Sicht noch lange hin, das Finanzierungsproblem damit aus jetziger Sicht vertagt.

100 Milliarden Euro Sondervermögen hat Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius zur Verfügung - doch das Geld reicht nur bis 2027Bild: Sepp Spiegl/IMAGO

Oppositionskritik am Haushaltsentwurf

Doch es gibt genügend andere Punkte im Haushaltsentwurf, an denen die Diskussionen erneut aufbrechen könnten. Die Opposition geht bereits fest davon aus, dass das passieren wird. Es habe nur für "einen Burgfrieden einer erschöpften Koalition für wenige Tage" gereicht, sagte der CDU-Chef und Unionsfraktions-Vorsitzende Friedrich Merz. "Schon mit dem Kabinettsbeschluss wird der Dissens wieder offen zutage treten. Und wenn wir dann im September zurückkehren aus der parlamentarischen Sommerpause, dann wird der Streit in der Koalition über den Haushalt 2025 erst richtig losgehen." 

Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Abgeordneten in der Unionsfraktion, kritisierte, dass die Einigung große Lücken habe. Mehrere Milliarden Euro Ausgaben seien weiterhin ungedeckt und es bleibe "völlig unklar, wo dieses Geld herkommen" solle. Daher könne man nur von einem Fragment reden und nicht von einem kompletten Entwurf für den Haushalt. "Ob dieses Haushaltsfragment überlebt oder ob es nicht eher der Zündfunke für den nächsten explodierenden Haushaltsstreit in der Ampel ist, das werden wir in den nächsten Tagen und Wochen deutlich sehen."

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