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Bundesinnenministerium verbietet Islamisches Zentrum Hamburg

Veröffentlicht 24. Juli 2024Zuletzt aktualisiert 24. Juli 2024

Innenministerin Nancy Faeser erklärte, die Organisation richte sich gegen Menschenwürde, Frauenrechte, Rechtsstaat und die Demokratie. Seit dem Morgen durchsucht die Polizei bundesweit 53 Objekte.

Einsatzkräfte der Polizei gehen während einer Razzia auf das Gelände des Islamischen Zentrums Hamburg mit der Imam Ali Moschee (Blaue Moschee) vor an
Die Razzia der Polizei auf dem Gelände der sogenannten Blauen Moschee in HamburgBild: Daniel Bockwoldt/dpa/picture alliance

Schon lange wird über ein mögliches Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH) und seiner Ableger in anderen Bundesländern spekuliert. Nun hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser das IZH und seine bundesweiten Teilorganisationen untersagt. Es sei eine extremistische Organisation des Islamismus, die verfassungsfeindliche Ziele verfolge, teilte ihr Ministerium in Berlin mit. In acht Bundesländern wurden 53 Objekte der Organisationen durchsucht. Dabei handelt es sich um Moscheen, Vereinsräume, Privatwohnungen und Bankkonten.

Das Islamische Zentrum Hamburg propagiere eine islamistische, totalitäre Ideologie in Deutschland, erklärte Faeser. Das Verbot bezeichnete sie als "weiteren konsequenten Schritt gegen islamistischen Extremismus".

Razzia schon im November

Bereits im November hatte es eine bundesweite Razzia in Gebäuden des Zentrums, das die sogenannte Blaue Moschee an der Alster in Hamburg betreibt, und seiner Teilorganisationen gegeben. Dabei wurden in sieben Bundesländern umfassende Beweismittel sichergestellt und seitdem ausgewertet. Der Schritt galt als Vorbereitung für das nun erfolgte Verbot. Das im November beschlagnahmte Material habe die "schweren Verdachtsmomente" so erhärtet, dass nun das Verbot ausgesprochen worden sei, erklärte Faeser.

Islamisches Zentrum Hamburg verboten

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Forderungen nach einem Verbot der Vereinigung gibt es seit Langem, vermehrt seit der brutalen Niederschlagung der Proteste im Iran. CDU-Chef Friedrich Merz hatte erst im Juni die Schließung gefordert. Im April hatte bereits der Zentralrat der Juden in Deutschland ein Verbot verlangt.

Das Islamische Zentrum Hamburg steht laut Bundesamt für Verfassungsschutz dem autoritären Regime im Iran nahe. Es sei "neben der Botschaft die wichtigste Vertretung der Islamischen Republik Iran in Deutschland und ein bedeutendes Propagandazentrum Irans in Europa", heißt es im Jahresbericht 2023 des Verfassungsschutzes. Keine gesicherten Zahlen hat die Sicherheitsbehörde nach eigenem Bekunden über die Anhängerschaft der Organisation.

Von Teheran gesteuert?

Das Bundesinnenministerium teilte weiter mit, das IZH verbreite als direkte Vertretung des iranischen "Revolutionsführers" die Ideologie der "Islamischen Revolution" und wolle diese auch verwirklichen. Durch die Organisation werde die Errichtung einer autoritär-theokratischen Herrschaft propagiert. Zudem unterstütze das Zentrum Terroristen der Partei Hizb Allah und verbreite "aggressiven Antisemitismus". Die schiitische islamistische Organisation stammt aus dem Libanon. Ferner unterstützte das IZH die islamistische Schiitenorganisation Hisbollah im Libanon, die dem Iran nahesteht.

Bundesinnenministerin Nancy FaeserBild: Frederic Kern/Geisler-Fotopress/picture alliance

Durchsuchungen gab es nach amtlichen Angaben außer in Hamburg in Bremen, Berlin, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Mit dem Verbot wird auch das Vermögen der Organisationen beschlagnahmt.

Vier Moscheen verriegelt

Vier schiitische Moscheen werden nach einer Mitteilung des Innenministeriums im Zuge des Verbots geschlossen. Faeser erklärte, ihr sei dabei wichtig zu unterscheiden: "Wir handeln nicht gegen eine Religion. Wir unterscheiden klar zwischen Islamisten, gegen die wir hart vorgehen, und den vielen Musliminnen und Muslimen, die zu unserem Land gehören und ihren Glauben leben." Die friedliche schiitische Glaubens- und Religionsausübung sei nicht vom Verbot berührt. Die Zahl schiitischer Gemeinden insgesamt in Deutschland schätzt das Bundesinnenministerium auf 150 bis 200.

Das Islamische Zentrum Hamburg war Betreiber der Imam Ali Moschee an der Hamburger Außenalster, der sogenannten Blauen Moschee. Der Verein galt als eines der wichtigsten schiitischen Netzwerke in Europa. Er wurde 1953 von iranischen Auswanderern gegründet. Seit 1993 steht er unter Beobachtung des Hamburger Verfassungsschutzes und wird als islamistisch eingestuft. Der Verein selbst hat das stets zurückgewiesen.

Breite Zustimmung zum Verbot

Politiker und jüdische Verbände begrüßten das Verbot. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher bedankte sich bei Faeser für ihr konsequentes Vorgehen. Hamburgs Innensenator Andy Grote (ebenfalls SPD) erklärte: "Die Schließung dieses Außenpostens des menschenverachtenden iranischen Regimes ist ein echter Wirkungstreffer gegen den islamischen Extremismus. Das Verbot macht einmal mehr deutlich: Wir bekämpfen als Rechtsstaat die Feinde unserer Demokratie sehr hart und sehr wirkungsvoll."

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, nannte das Verbot konsequent. Das Mullah-Regime des Irans und seine Unterstützer seien weltweit in Stellung. Aggressiver Antisemitismus sei ein Kernelement ihrer Ideologie. "Deutschland muss alles dafür tun, dass dieser Hass keine Verbreitung findet."

Zentralratspräsident Josef Schuster: Hass darf keine Verbreitung findenBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Auch das American Jewish Committee (AJC) Berlin begrüßte das Vorgehen der Behörden. "Das IZH war seit drei Jahrzehnten der wichtigste Außenposten des antisemitischen Mullah-Regimes in Europa und ein wichtiger Treffpunkt für die verbotene Terrororganisation Hisbollah", betonte AJC-Berlin-Direktor Remko Leemhuis.

Auch Polizei begrüßt das Vorgehen

Zustimmung kam auch von Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ihr stellvertretender Bundesvorsitzender Sven Hüber sagte, das Vorgehen gegen das IZH sei eine "Warnung an andere solche Organisationen und den Iran", dass die Finanzierung islamistischer Terrororganisationen und die Verbreitung religiös motivierter Hasspropaganda, auch gegen jüdische Menschen in Deutschland, nicht hingenommen werde.

Der Islamexperte Eren Güvercin begrüßte das Verbot als überfälligen Schritt, warnte aber zugleich vor weiteren islamistischen Gruppierungen in Deutschland. Es gebe auch jenseits des IZH hierzulande eine breit aufgestellte islamistische Szene. "Unser Rechtsstaat muss wachsam bleiben und bei anderen islamistischen Strukturen genau hinschauen und nicht jahrelang nur zuschauen, sondern konsequenter vorgehen", forderte der Journalist und Autor. Das Bundesinnenministerium müsse auch ein Verbot von Gruppierungen wie Muslim Interaktiv, Realität Islam oder Generation Islam prüfen.

Das Verbot der extremistischen Einrichtungen steht nach Angaben aus Sicherheitskreisen nicht im Zusammenhang mit der sogenannten Kalifats-Demonstration der Gruppierung "Muslim Interaktiv". Da hatten radikale Muslime im Mai in Hamburg die Ausrufung eines Kalifats in Deutschland gefordert.

Iran bestellt deutschen Botschafter ein

Als Protest gegen das Verbot des IZH durch das Bundesinnenministerium hat der Iran den deutschen Botschafter vorgeladen. Botschafter Hans-Udo Muzel sei ins Außenministerium in Teheran einbestellt worden, teilte das Ministerium im Onlinedienst X mit. Es warf den deutschen Behörden eine "feindliche Aktion" vor, die den "fundamentalen Menschenrechtsprinzipien" widerspreche. "Das, was heute in Deutschland geschehen ist, ist ein eindeutiges Beispiel für Islamfeindlichkeit", erklärte das Ministerium weiter. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte die Einbestellung des Botschafters.

In Hamburg waren in der Vergangenheit andere islamische Gemeinden auf Distanz zu dem Zentrum gegangen. Nach internen Gesprächen war das IZH im November 2022 aus der Schura, dem Rat der islamischen Gemeinschaften in der Stadt, ausgetreten.

kle/pg/sti (epd, afp, rtr, dpa, kna)

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