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PolitikEuropa

Scholz verspricht in Brüssel und Paris gute Zusammenarbeit

10. Dezember 2021

Bundeskanzler Olaf Scholz war zu Antrittsbesuchen in Brüssel und Paris. Der französische Präsident Emmanuel Macron und die EU-Spitzen wollen mit Deutschland an einem Strang ziehen: Europa gemeinsam voranbringen.

Frankreich Paris | Emmanuel Macron empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz
Macron begrüßt Scholz (re.): "Du bist ein überzeugter Europäer"Bild: Eliot Blondet/abaca/picture alliance

So früh wie kein anderer deutscher Regierungschef vor ihm, nämlich zwei Tage nach Vereidigung, ist Olaf Scholz nach Brüssel zur EU-Zentrale zum Antrittsbesuch gereist. Ursula von der Leyen, die Präsidentin der mächtigen EU-Kommission, bedankte sich für das "sehr ermutigende Signal" für eine gute Zusammenarbeit. "Deutschland war und ist wichtig für Europa", sagte von der Leyen nach einer kurzen Begegnung im obersten Stockwerk des wuchtigen Berlaymont-Gebäudes der EU-Kommission.

Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, vertritt die Runde der 27 Mitgliedsstaaten der EU und empfing Bundeskanzler Scholz einen Steinwurf von der Kommission entfernt im Ratsgebäude, wo Olaf Scholz nächste Woche zu seinem ersten regulären EU-Gipfeltreffen erwartet wird. Auch Charles Michel lobte das "starke Signal" in Richtung Europa, das von der neuen Regierung in Berlin ausgehe.

Viel größer als das Kanzleramt: von der Leyens Hauptquartier Berlaymont in BrüsselBild: imago/imagebroker

Deutschland mitten in der EU

Olaf Scholz, der in die großen europapolitischen Fußstapfen seiner in Brüssel hoch angesehenen Vorgängerin Angela Merkel tritt, versprach, dass Deutschland eine große europäische Nation bleibe - ein Land mitten in der EU. "Deshalb kann die deutsche Politik keine Kommentare vom Rand verschicken, sondern muss sich unmittelbar kümmern. Wir fühlen uns immer verantwortlich, eine bessere Union zu schaffen und zu zeigen, dass das möglich ist." Seine Regierung sei sehr europafreundlich.

Die Liste der Themen, bei denen der neue Bundeskanzler dieser Verantwortung gerecht werden soll, ist lang. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen hob den Klimaschutz, den Umbau der europäischen Gesellschaften zu mehr Klimaneutralität im sogenannten "Green Deal" hervor. Wichtig für die EU-Kommission ist ebenso, Investitionen in die Digitalisierung der Wirtschaft zu fördern. Beides wird ebenfalls von der Ampelkoalition aus SPD, Liberalen und Grünen unterstützt.

Ehemals Ministerkollegen in Deutschland: Jetzt neue Rollen als Bundeskanzler und Kommissionspräsidentin. Olaf Scholz und Ursula von der Leyen,Bild: Johanna Geron/REUTERS

Olaf Scholz sagte, er sei sich ganz sicher, dass man gut zusammenarbeiten werde. Schließlich kennen er, der ehemalige Finanzminister, und die ehemalige deutsche Ministerin von der Leyen sich aus der Arbeit in zwei Kabinetten unter Bundeskanzlerin Merkel in der Großen Koalition.

Am Abend sprach der neue Bundeskanzler mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel über deutsche Verteidigungspolitik. Mit Blick auf den russischen Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine sagte Scholz vor dem Treffen, man sei bereit zu reagieren. Aber man müsse durch Deeskalation verhindern, dass es überhaupt so weit komme, dass man auf eventuelle russische Aggressionen reagieren müsse.  

Harmonie pur auch in Paris

Vor dem Besuch in Brüssel war Olaf Scholz am Mittag in Paris. Und auch dort ist er kein Neuling. Er kennt den Élysée-Palast und auch den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Als Finanzminister der letzten Regierung und auch als Wahlkämpfer hat Scholz seinen Gastgeber schon oft getroffen. Er bewegte sich völlig selbstverständlich in den prunkvollen Sälen des französischen Präsidentenpalastes. Macron klopfte Scholz freundschaftlich auf die Schulter. Scholz streckte dem Präsidenten Corona-konform die Faust entgegen. Macron drückte seine Faust dagegen. Einen Handschlag gab es nicht.

Scholz (links) auf seiner ersten Auslandreise bei Macron - Paris als erste Station ist Tradition für Kanzler und KanzlerinnenBild: Eliot Blondet/abaca/picture alliance

"Ich bin sehr glücklich, dich auf deiner ersten Auslandsreise begrüßen zu dürfen. Ich sehe gemeinsame Überzeugungen und einen gemeinsamen Willen", lobte Macron den deutschen Kanzler. "Du bist ein überzeugter Europäer."  Der Kanzler sprach etwas zurückhaltender von einem "freundschaftlichen Gespräch". Man könne "gleichgerichtet agieren", sagte Scholz. "Es geht darum, wie wir Europa stark machen können."

Scholz und Macron auf gleicher Wellenlänge

Politisch liegen die beiden in fast allen Bereichen auf gleicher Linie. Olaf Scholz bekennt sich bei jeder Gelegenheit zur deutsch-französischen Freundschaft, die auch dazu dienen soll, Reformen für ein souveränes, grünes und digitales Europa voranzutreiben. Dem französischen Präsidenten, der seit vielen Jahren weitreichende Reformen fordert, wird gefallen, dass die drei Koalitionsparteien - SPD, Liberale und Grüne - sich in ihrem Regierungsvertrag ausdrücklich für die Gründung eines europäischen Bundesstaates aussprechen.

Kein großer Unterschied: Im September war Scholz (li.) als Wahlkämpfer im Élysée zu GastBild: Thomas Imo/photothek.net/picture alliance

Die laufende Konferenz zur Zukunft Europas, die von Frankreich stark unterstützt wird und während der kommenden französischen EU-Präsidentschaft im März enden wird, führte bisher das Dasein eines Mauerblümchens. Jetzt soll die Konferenz ins Zentrum der deutsch-französischen Europapolitik rücken. Bundeskanzler Scholz und Präsident Macron redeten im Élysée viel über die Souveränität, die Europa in der Außen- und Verteidigungspolitik erlangen soll.

Diskussion über EU-Fiskalpolitik

Zögerlich war der ehemalige Bundesfinanzminister Scholz bislang bei den französischen Vorstellungen zur Fiskalpolitik in der Währungsgemeinschaft Euro. In der vergangenen Großen Koalition lehnte er eine Aufweichung des Stabilitätspaktes mit seinen Verschuldungskriterien noch ab. Auch das von Frankreich geforderte Euro-Zonen-Budget oder einen europäischen Finanzminister lehnte er ab.

Russische Truppen (hier in Taganrog) und Manöver machen Frankreich und Deutschland SorgenBild: AP Photo/picture alliance/dpa

Heute widersprach Scholz nicht, als der französische Präsident während der Pressekonferenz ausführte, dass der Stabilitätspakt flexibel sein und Handlungsfreiheit bieten müsse. "Es kann doch nicht sein, dass wir zu den alten Debatten zurückkehren", mahnte Emmanuel Macron. Die Pandemie habe zu einem veränderten wirtschaftlichem Umfeld geführt. Als Finanzminister hatte Olaf Scholz zusammen mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire 2020 den "Aufbaufonds" der EU eingeführt und ausgehandelt, der erstmals mit gemeinsamen Schulden der EU-Staaten finanziert wird. Dieser Aufbaufonds, sagte Scholz heute als Bundeskanzler, bewege sich im Rahmen des Stabilitätspaktes. "Es geht darum, das Wachstum, das wir aufbauen, aufrechtzuerhalten und solide Finanzen zu haben. Das ist möglich." Da sei man sich einig, soweit er das verstanden habe, merkte der Kanzler an.

Normandie-Format zur Ukraine-Krise?

Völlig einig waren sich der Präsident und der Bundeskanzler bei der aktuellen außenpolitischen Krise um die Ukraine und Russland. Angesichts des Aufmarsches russischer Truppen an der ukrainischen Grenze dürfe man "eine Eskalation nicht herbeireden", sagte Emmanuel Macron. Die Frage einer Reporterin, was konkret passieren würde, falls Russland die ukrainische Grenze erneut überschreitet, ließen der Präsident und der Kanzler unbeantwortet. Die beiden machten klar, dass sie auf einen Dialog mit Russlands Präsident Wladimir Putin und der ukrainischen Regierung setzen.

Das sogenannte Normandie-Format, in dem Frankreich und Deutschland vermitteln, solle wiederbelebt werden, sofern die Kriterien, die im Friedensabkommen von Minsk festgelegt sind, erfüllt würden. "Wir werden weiter unsere Aktivitäten entfalten", kündigte Olaf Scholz an. Am Rande des EU-Gipfeltreffens mit ihren östlichen Nachbarstaaten solle am nächsten Mittwoch über die Ukraine und Russland gesprochen werden.

Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guerot von der Universität Bonn meint, vom Antrittsbesuch in Paris habe man noch keine großen Beschlüsse erwarten können. Es gehe um das Kennenlernen. "Wir wissen, dass Scholz eher hanseatisch kühl auftritt. Macron ist dagegen fast überschwänglich. Das kann sich gut ergänzen", sagte Guerot im TV-Sender Phoenix.

Macron sagte, er habe mit der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel gut zusammengearbeitet. "Das war effizient. Das möchte ich mit Olaf fortsetzen", bilanzierte der französische Präsident sein Arbeitsessen mit dem neuen Kanzler. Schon beim EU-Gipfel in der kommenden Woche treffen sich alle wieder: Macron, die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, der EU-Ratsvorsitzende Michel und der Neue, Olaf Scholz. 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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