Bundesländer wollen billiger Schulden machen
30. März 2012Deutschland gilt gemeinhin als Krisengewinner. Während klamme Euroländer unter den hohen Risikoprämien für ihre Anleihen ächzen, freut sich der deutsche Finanzminister, dass er sich noch nie so billig verschulden konnte wie jetzt. Denn Deutschland genießt bei den Anlegern den Ruf des sicheren Hafens. Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln hat der Bund in den letzten drei Jahren allein durch gesunkene Zinsen 45 Milliarden Euro gespart.
Kein höheres Risiko in den Länder-Anleihen
Leider gilt dieser Vorteil nur für den Bund. Die 16 Bundesländer hingegen müssen jedes für sich Kredite aufnehmen und zahlen einen Risikoaufschlag im Vergleich zum Bund, obwohl gar kein erhöhtes Risiko da ist.
"Die Märkte wissen, dass kein Bundesland pleitegehen wird", sagt Norbert Häring, Buchautor und Korrespondent für die Zeitung "Handelsblatt". Seiner Meinung nach zahlen die Länder den Aufschlag dafür, "dass diese Anleihen nicht so liquide sind, weil sie kein großes Volumen haben", so Häring gegenüber der Deutschen Welle.
Mit anderen Worten: Länder-Anleihen werden weniger gehandelt und lassen sich deshalb schwerer zu Geld machen.
Hunderte von Millionen verschenkt
Auch die Finanzlage der einzelnen Länder spielt eine Rolle. So zahlt die Hauptstadt Berlin, die ein kleines Bundesland und immer knapp bei Kasse ist, fast einen Prozentpunkt mehr für ihre Anleihen als der Bund. Insgesamt nahmen die 16 Bundesländer 2011 Kredite in Höhe von knapp 100 Milliarden Euro auf. Hätten sie den Zinsvorteil des Bundes gehabt, hätten sie Hunderte von Millionen gespart.
"Diese Art der Kreditaufnahme ist ziemlich unvernünftig und unnötig teuer. Das zeugt von mangelnder Solidarität", urteilt Finanzexperte Häring.
Die Bundesregierung lehnt eine Deutschland-Anleihe ebenso ab wie gemeinsame Anleihen der Euro-Staaten, die Euro-Bonds. Beide funktionieren ähnlich - die Beteiligten haften gemeinsam für die Schulden.
Eine brisante Diskussion in der Eurokrise
Genau das will die Bundesregierung in der Eurokrise vermeiden. Ihr Argument: Dadurch könnten Anreize zu mehr Haushaltsdisziplin verloren gehen. Gilt dieses Argument auch in der Diskussion über die Deutschland-Bonds? Nur im Prinzip, sagt Norbert Häring: "Deutschland ist ganz anders als der Euroraum. Es ist ein Staat, in dem die einzelnen Teile für einander einstehen."
Damit meint er das System des Länderfinanzausgleichs, bei dem schwache Bundesländer von starken finanziell unterstützt werden. Zudem ist bereits eine Schuldenbremse in der Verfassung verankert, die die Kreditaufnahme von Bund und Ländern begrenzt.
Politisches Kalkül?
Eine solche Schuldenbremse will Kanzlerin Angela Merkel auch auf europäischer Ebene durchsetzen. Sie ist ein wichtiger Bestandteil des Fiskalpakts, der noch von einigen Ländern ratifiziert werden muss, darunter auch Deutschland.
Um die nötige Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag zu erreichen, ist die Regierungschefin auf die Stimmen der Opposition angewiesen. Eine gute Gelegenheit für die größte Oppositionspartei SPD, ihre Zustimmung für den Fiskalpakt an Bedingungen zu knüpfen.
Es mag also ein politisches Kalkül sein, dass Hamburgs erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) gerade jetzt mit der Forderung nach Deutschland-Anleihen vorprescht.