1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Die Hinrunde: dreimal Top, dreimal Flop

18. Dezember 2017

Die Hinrunde ist vorbei, Bayern ist Herbstmeister. Und als einziger deutscher Klub haben die Münchener international ihre Hausaufgaben erledigt, der Rest war schlicht schwach. Die Bundesliga-Tops und -Flops der Hinrunde.

Bayern Münchens Trainer Jupp Heynckes jubelt an der Seitenlinie (Foto: Imago/J.Huebner)
Bild: Imago/J.Huebner

Top: "Don Jupp" macht den Bayern Beine

Traditionell ist nach einer gescheiterten Trainer-Ehe das Harmoniebedürfnis in der Bayern-Chefetage groß, allen voran bei Uli Hoeneß. Und so war wohl er der Vater des Coups, den nach dem Triple-Gewinn 2013 in den Ruhestand ausgeschiedenen Jupp Heynckes nochmal zu aktivieren und als Nachfolger von Carlo Ancelotti zu gewinnen. Heynckes brachte nicht nur den Erfolg zurück nach München, sondern er verkörpert auf der Trainerbank endlich auch wieder das "Mia san mia"-Gefühl. Ironie, dass nach dem Ancelotti-Durchhänger ausgerechnet das letzte Champions-League-Gruppenspiel gegen PSG das i-Tüpfelchen allen Balsams auf der Bayern-Seele war.

Zwar konnten die Münchener durch den 3:1-Sieg gegen das Starensemble aus Paris nicht mehr den Gruppensieg erringen, doch die Schmach der 0:4-Pleite im Hinspiel war getilgt. Diese Revanche und eine zum Ende der Rückrunde top funktionierende Bayern-Elf verdanken Hoeneß und der Klub einem der ihren: "Don Jupp" Heynckes. Aber, und das wird Hoeneß einsehen müssen: Diese Harmonie-Episode wird nur bis zum Ende der Saison anhalten, denn dann will Heynckes endgültig aufhören.

Top: Bibiana Steinhaus - nicht nur dabei, sondern spitze

Steinhaus während ihrer ersten Bundesliga-Partie in BerlinBild: picture alliance/dpa/S. Stache

Bibiana Steinhaus hat es in die Bundesliga geschafft. Die Polizistin aus dem Harz war schon länger als Linienrichterin und Assistentin in der Bundesliga und als Schiedsrichterin in der 2. und 3. Liga im Einsatz und fiel dabei stets durch professionelle Leistung und souveränes Auftreten auf. Ihre Nominierung für die Bundesliga war von daher eigentlich nur eine Frage der Zeit. Im September war es dann soweit: Steinhaus leitete mit der Partie Hertha BSC gegen Werder Bremen am 3. Spieltag zum ersten Mal eine Partie im Fußball-Oberhaus und das tadellos.

"Ich bin ehrlich gesagt erleichtert, dass es rum ist und morgen die Normalität wieder Einzug hält", sagte Steinhaus nach der geglückten Premiere, zu der ihr auf Twitter Fußballgrößen wie Franck Ribéry und Iker Casillas gratulierten. Dass Steinhaus im Dezember zur Schiedsrichterin des Jahres gewählt wurde überrascht nicht. Zum dritten Mal wurde sie als beste Schiedsrichterin der Welt ausgezeichnet, zum ersten Mal als Bundesliga-Schiedsrichterin.

Top: Domenico Tedesco - Schalkes Wunderheiler

Tedesco nach dem Schlusspfiff im 4:4-RevierderbyBild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

Ob Domenico Tedesco seinen Spielern auch gelegentlich die Hand als heilendes Mittel aufgelegt hat, ist nicht überliefert. Fest in den Geschichtsbüchern verankert ist jedoch schon jetzt, dass der 32-jährige Trainer, der mit vielen Vorschusslorbeeren, aber auch unter kritischer Beäugung vor der Saison zum Cheftrainer von Schalke 04 berufen worden war, aus dem chronisch kränkelnden Klub wieder eine Mannschaft geformt hat, die auf dem Weg nach ganz oben ist. Unter Tedesco, der bereits der zweite Trainer ist, den der erst 2016 angetretene Sport-Vorstand Christian Heidel in Gelsenkirchen installiert hat, hat sich Schalke extrem stabilisiert und sich dabei auf ein altbewährtes Rezept zurückbesinnt: die Defensive. Schalke stellt eine der besten Abwehrreihen der Liga und kann es plötzlich auch wieder vorne, wenn es sein muss sogar vierfach.

Im Revierderby bei Borussia Dortmund ging nach dem 0:4-Halbzeitrückstand der Stern des Domenico Tedesco endgültig auf. Nachdem der junge Coach eine flammende Halbzeitansprache gehalten hatte, gar auf die Knie gegangen war und seinen Spielern mit auf den Weg gegeben hatte, dass sie "die zweite Halbzeit gewinnen" sollen, bogen die Königsblauen den krassen Rückstand noch in ein 4:4 um - und das im Wohnzimmer des Erzrivalen. Später sprach ganz Fußball-Deutschland vom Jahrhundert-Derby. Bereits vor dem Spiel wirkte nicht nur Schalkes Team sondern gleich der ganze Klub so, als hätte Tedesco ihn aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst. Nach dem Derby-Kracher war die dazugehörige Heldenstory in Gelsenkirchen perfekt. Schalke und Tedesco - da scheinen sich zwei Pole gefunden zu haben.

Flop: 1. FC Köln - spürbar abgestürzt

Peter Stöger bei seinem letzten Spiel als FC-Trainer auf SchalkeBild: picture-alliance/dpa/I. Fassbender

Selten hat man in der Bundesliga einen solchen Absturz erlebt: Im Mai noch hatte der 1. FC Köln nach 25 Jahren die Rückkehr auf die internationale Bühne geschafft, eine ganze Stadt versank im kollektiven Freudentaumel. Und über all dem thronte das erfolgreiche Manager-/Trainerduo Schmadtke/Stöger. Doch dann brach alles zusammen wie ein Kartenhaus. Der FC ging nach dem Abgang von Topstürmer Anthony Modeste mit einem zu dünnen und unausgewogenen Kader in die Saison und verlor Spiel um Spiel. Dazu kamen eine beispiellose Verletztenliste, taktische Fehler des Trainers und individuelle Fehler auf dem Platz - das Unheil wurde von Woche zu Woche größer.

Als wäre der sportliche Totalabsturz nicht schon genug, erinnerte der Klub spätestens nach der Heimpleite gegen Hertha wieder an die alten Chaostage, die den ersten Bundesliga-Meister über Jahre begleitet und an den Rand des Ruins gebracht hatten. Die sich auftuenden Risse, die mit dem Abgang von Manager Jörg Schmadtke erstmals sichtbar wurden, gipfelten in dem unwürdigen Schauspiel um den verdienten und in Köln extrem beliebten Caoch Peter Stöger, der nach einem respektablen 2:2 auf Schalke seinen Hut nehmen musste, dessen Entlassung aber schon vorher feststand. Was bleibt ist eine völlig verunsicherte Mannschaft, das Fehlen der prägenden Figuren der letzten Jahre, die schlechteste Hinrunde, die je ein Bundesliga-Team hingelegt hat und die bittere Erkenntnis, dass diese Horror-Hinrunde den Klub wohl um Jahre zurück- und höchstwahrscheinlich in die zweite Liga katapultieren wird.

Flop: Internationale Horrorsaison der Bundesligisten

Hoffenheimer Frust bei Serge Gnabry (l.) und Nico SchulzBild: picture-alliance/AP Photo/L. Vieira

International haben die Bundesligisten - bis auf Bayern München - absolut enttäuscht. Der Rekordmeister war der einzige deutsche Vertreter, der sich in dieser Saison konkurrenzfähig zeigte. Köln, in der Bundesliga mit einem neuen Negativrekord, schlug sich in der Europa League zwar recht achtbar, unter anderem mit einem Heimsieg gegen Arsenal, verpasste im entscheidenden letzten Spiel in Belgrad aber die Qualifikation für die K.o.-Phase - genauso wie Hertha BSC und Hoffenheim, die beide trotz stärkerer Kader und machbarer Gruppen absolut enttäuschten.

Karl-Heinz Rummenigge konnte sich eine Spitze in Richtung der hochgehandelten Hoffenheimer und Trainer-Shootingstar Julian Nagelsmann nach deren Gruppen-Aus nicht verkneifen: "Hoffenheim spielt am letzten Spieltag in der Europa League. Klar, waren die draußen. Aber man muss trotzdem nicht mit einer B-Mannschaft auflaufen. Es gibt zwei Punkte, es gibt Geld dafür und zwar aus nationalen wie internationalen Töpfen. Ich würde mir ganz einfach mehr Ehrgeiz erhoffen", so der Bayern-Boss, der mit Blick auf die UEFA-Fünfjahreswertung, für die auch Borussia Dortmund und RB Leipzig nichts Positives tun konnten, von einem "Katastrophenjahr" sprach.

Leipzig zog sich zwar einigermaßen achtbar aus der Affäre, hätte aber in der Gruppe mit Besiktas Istanbul, FC Porto und AS Monaco mehr erreichen können, während der BVB in diesem Jahr in der Königsklasse ein Totalausfall war: Nicht ein Sieg, zwei Remis und vier Niederlagen - so lautet die niederschmetternde Bilanz. Stichwort Bilanz: Rechnet man die Bayern raus holten die deutschen Teams aus 30 Spielen jämmerliche sechs Siege bei einem Torverhältnis von 38:49 - das ist viel zu wenig.

Flop: Videobeweis - Chaos aus Köln 

Der Videobeweis funktioniert mehr schlecht als rechtBild: picture-alliance/dpa/M. Kusch

Es sollte alles besser werden, doch es blieb bei diesem frommen Wunsch. Der neu geschaffene Video-Assistent mit Sitz in Köln, der strittige Szenen in Absprache mit den Schiedsrichtern in den Stadien klar auflösen sollte, stiftete zunächst einmal nur eins: Chaos. Die Diskussionen über Fehlentscheidungen und Benachteiligung ebbten in der Bundesliga nicht ab. Nein, vielmehr wurden sie einfach auf eine andere Ebene verlagert. Statt über die Entscheidungen der Schiedsrichter auf dem Platz streiten Fans, Spieler und Verantwortliche seit Saisonbeginn über Schiedsrichter-Entscheidungen, die unter Zuhilfenahme des Video-Assistenten zustande kommen - alter Wein in neuen Schläuchen.

Es zeigte sich: Absolute Tatsachenentscheidungen, die jeder akzeptiert, sind selbst mit diesen technischen Möglichkeiten nur schwer zu treffen. Denn auch nach Zeitlupen aus verschiedenen Einstellungen kann man im Fußball noch immer unterschiedlich auslegen, interpretieren und fordern. Der Videobeweis als absolute und unumstößliche Instanz ist zunächst gescheitert, auch weil möglicherweise die Form der momentanen Anwendung einfach die falsche ist. Nicht wenige fordern die Abschaffung des Videobeweises, andere plädieren für eine gewisse Anzahl von Challenges die jedem Team pro Spiel zur Verfügung stehen, so wie man es beispielsweise aus dem Tennis kennt.

Die Degradierung des Videos-Assistant-Projektleiters Hellmut Krug zur Mitte der Hinrunde und die öffentliche Posse um widersprüchliche Aussagen von DFB-Präsident Reinhard Grindel und anderen Offiziellen lieferten zusätzliches Wasser auf die Mühlen der Kritiker und verhalfen dem Video-Beweis sicher nicht zu mehr Akzeptanz. Das Thema und die Diskussion könnten Abende und Bücher füllen und vieles bleibt am Ende Meinungssache. Fest steht aber: So, wie es bisher läuft, kann es nicht weiter gehen. Einige Stellschrauben müssen bei diesem Projekt gedreht werden, soll es noch zu einem Erfolg werden. Der Videobeweis in seiner bisherigen Form ist ein echter Flop der Bundesliga-Hinrunde, wenngleich man sagen muss, dass es gegen Ende der Hinrunde etwas weniger Irritationen gab und sich das System ein wenig gefunden zu haben scheint.

David Vorholt Redakteur, Reporter und Autor in der DW-Sportredaktion