Bundesliga orientiert sich nach Fernost
21. Juli 201520.000 Kilometer, acht Tage, sieben Trainingseinheiten und drei Freundschaftsspiele. Bayern Münchens Werbetour ins ferne China ist ein perfektes Beispiel für das, was sich hinter der gut geölten Maschinerie des modernen Fußballs verbirgt. Schon lange nicht mehr werden die Reiseziele der Saisonvorbereitung nach Klima oder möglichen Testspielgegnern ausgewählt. Heute geht es um Zielgruppen, Investmentchancen, neue Märkte und die sozialen Medien. Die Bayern haben vor ihrer China-Tour an alles gedacht.
Sie haben die chinesische Version ihrer Webseite überarbeitet, eine App entwickelt, die sich speziell um das Informationsbedürfnis der chinesischen Fans kümmert und schließlich noch versucht, so viele chinesische User sozialer Medien wie möglich zu Followern der vier chinesischen Profile des FC Bayern zu machen - in China nutzen immerhin eine halbe Milliarde Menschen die sozialen Netzwerke. Während die Spieler auf dem Rasen für Schlagzeilen sorgen, bietet die Saisonvorbereitung viele Vermarktungsmöglichkeiten.
"China ist wahrscheinlich der wichtigste Markt für die deutsche Wirtschaft. Auch für den Weltfußball wird China in den nächsten Jahren viel wichtiger werden", sagt Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge auf der Internetseite des Vereins und räumt ein: "Für den Trainer und die Mannschaft ist das hier ein Spagat. Auf der einen Seite sind wir in der Vorbereitungszeit und der Trainer muss die Mannschaft körperlich und taktisch fit machen. Auf der anderen Seite sind wir auch hier, um Marketingaktivitäten durchzuführen." Rummenigge geht davon aus, dass die Bayern bereits dabei sind, auf dem chinesischen Markt aufzuholen, auch wenn das schwer zu glauben ist. Doch nach Klubangaben soll die Fan-Basis der Bayern in China schon größer sein, wie die Bevölkerung der gesamten Bundesrepublik - rund 90 Millionen. Dennoch bleibt die Frage: warum Asien und warum gerade jetzt?
Milliarden an Einwohnern, eine wachsende Wirtschaftskraft und eine Faszination für den Westen - und jetzt begeistern sich die Asiaten auch noch für Fußball. Die heimischen Ligen werden immer professioneller, die Investitionen aus In- und Ausland sind gestiegen - sogar Chinas Staatspräsident Xi Jinping ist ein Fan. Fußball ist mittlerweile die populärste Sportart im Reich der Mitte. In der südchinesischen Provinz Guandong wurde eine mehr als 65 Hektar große Fußballakademie gegründet. Mehr und mehr Stars aus Europa schließen sich einem Klub der Chinese Super League (CSL) an, um ihre Karriere dort ausklingen zu lassen. Ex-Bundesliga-Torjäger Demba Ba, Ghanas Nationalspieler Asamoah Gyan und Australiens Top-Star Tim Cahill spielen in der CSL. Bayerns Testspielgegner Guangzhou Evergrande hat gerade Brasiliens Nationalspieler Robinho verpflichtet.
"Ich kenne so viele große europäische Klubs, die in den vergangenen Jahren versucht haben, auf den chinesischen Markt zu kommen. Man muss einfach dabei sein" sagt Mads Davidsen, Trainer und Scout beim Verein Shanghai SIPG. Davidsen, der seit 2012 in China arbeitet und zuvor bei Bröndby Kopenhagen Jugendtrainer von Bayern-Talent Pierre-Emile Höjbjerg war, ergänzt: "Die meisten chinesischen Vereine sind im Besitz eines großen Unternehmens."
Junge Fans als Zielgruppe
Dennoch steht die chinesische Liga im tiefen Schatten des europäischen Fußballs. Mit dem FC Bayern und Borussia Dortmund hat die Bundesliga zwei Zugpferde, die auch international funktionieren. Aber: "Die englische Premier League hat das Potential des asiatischen Marktes viel früher erkannt, als es die Bundesliga getan hat", sagt Philipp Kupfer, Marketing-Experte bei der international agierenden Sponsoring-Beratungsagentur Repucom. "Während viele ältere Fans bereits ein Lieblingsteam in Europa haben, trifft das auf viele aus der jüngeren Generation noch nicht zu. Genau um diese Zielgruppe sollte die Bundesliga werben."
Mit Präsenz vor Ort, wie Bayern München in China oder Borussia Dortmund in Singapur, erreichen die Vereine dabei am meisten. Es gibt sogar Pläne des FC Bayern, eine Dependance in China zu eröffnen. Das wäre der nächste logische Schritt, nachdem im vergangenen Sommer bereits in New York eine Bayern-Filiale eröffnet wurde. In den USA sind die Fanzahlen seitdem immens gestiegen, dazu konnten Partnerverträge mit dem Medienunternehmen Univision und mit Microsoft abgeschlossen werden. Seine über 90 Millionen Fans in China möchte der FC Bayern durch eine kürzlich fixierte Zusammenarbeit mit dem chinesischen Fernsehsender CCTV5 erreichen. Eine Art Rund-um-die-Uhr-Versorgung ist das Ziel - ähnlich wie in den Vereinigten Staaten.
Dortmund hat unterdessen bereits einen Fuß in der Tür: Seit vergangenem Jahr unterhält der BVB ein Büro in Singapur. Die Verpflichtung von Shinji Kagawa, der nach einem Abstecher zu Manchester United nun wieder in Dortmund spielt, half dabei, sich auf dem japanischen Markt zu positionieren. Laut BVB-Marketingdirektor Carsten Cramer haben sich die Einnahmen des Klubs aber auch auf anderen asiatischen Märkten verdreifacht. Die Begeisterung, die dem BVB auf seiner Singapurreise vor zwei Wochen entgegenschlug, lassen vermuten, dass es weiter bergauf geht.
Langfristige Planung
Der moderne Fußball ist nicht mehr orts- oder kontinentgebunden. In aller Welt können die Fans mittlerweile die Spiele, Trainingseinheiten und Pressekonferenzen ihrer Lieblingsklubs mitverfolgen. Dass die Stars dann irgendwann auch vor Ort sind, ist nur der nächste Schritt.
Diesen Sommer machen einige europäische Top-Vereine genau das. Sie spielen im International Champions Cup mit, einem Turnier mit 16 Mannschaften aus England, Spanien, Italien, Frankreich, Portugal, Mexiko und den USA, das in Australien, China, Nordamerika und Europa ausgetragen wird. Die Bayern sind nicht dabei. Dabei sind trotz aller weiteren Aktivitäten doch die Spiele das Wichtigste und das, was wirklich für Aufmerksamkeit sorgt. 2014 beispielsweise spielte Manchester United vor 109.318 Fans im Stadion der Universität Michigan gegen Real Madrid. Es war die größte Kulisse der US-Fußballgeschichte. Es lässt sich wohl kaum messen, welchen Effekt ein solches Event für eine europäische Mannschaft hat.
Für Bayern und Dortmund beginnen die Feierlichkeiten in Asien erst, aber Kupfer glaubt, dass auch ein einmaliger Besuch zu mehr Popularität führen kann. "Der Markt entwickelt sich nicht über Nacht. Die Bundesligisten brauchen eine langfristige Strategie. Man benötigt vier bis sechs Jahre, um wirklich auf dem Markt präsent zu sein", sagt er. Und so wie der Markt sich zurzeit entwickelt, wäre es auch für den Rest der Bundesliga an der Zeit, mitzumischen.