Aufgrund der aktuellen Debatten steigt auch bei den Bundesliga-Vereinen der Druck, sich mit Klimaschutz zu beschäftigen. Die Klubs sind recht aktiv, doch oft fehlt es an der richtigen Strategie. Auch die DFL ist gefragt.
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"Klimaschutz und Nachhaltigkeit waren damals keine Kuschelthemen", erinnert sich Hanno Franke an die Zeit vor 25 Jahren, und es wirkt fast ein wenig so, als wolle er sich verteidigen. Der Marketingleiter des SC Freiburg war auch Mitte der 90er Jahre schon im Verein - damals, als der SC als erster Bundesligist damit begann, Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz umzusetzen. Franke denkt gerne zurück an diese spannende, aber auch sehr fordernde Zeit.
"Der Verein war auf der Suche nach einer eigenen Identität und einer eigenen DNA", erzählt er. "Freiburg war schon damals eine sehr nachhaltig geprägte Stadt. Für uns als Fußballverein und Teil der Stadt erschien es damals nur logisch, sich da mit einzuklinken. Auch wenn uns von vielen Seiten davon abgeraten wurde. Mitte der 90er-Jahre hieß es auch seitens einiger Berater: 'Ihr seid zu grün und damit zu spitz positioniert."
Konkret ging es damals um den Bau einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der neuen Südtribüne des Stadions. Aus heutiger Sicht fast schon eine Selbstverständlichkeit - viele Bundesligaklubs produzieren heute ihren eigenen Solarstrom. Doch damals war der Sportclub Vorreiter und hatte entsprechend mit Vorurteilen zu kämpfen.
"Im Nachhinein hat der Verein viel Mut bewiesen und durch seine Überzeugung eine seriöse und tiefe Wurzel gelegt für alles, was dann später darauf aufgebaut worden ist", sagt Franke nicht ohne Stolz.
Umweltschutz ist in der Bundesliga angekommen
Mittlerweile haben alle Bundesligavereine das Thema Umweltschutz im Blick. "Es gibt im Wesentlichen vier Themenbereiche: Verkehr und Emission, Abfall, Wasser und Energie", erklärt Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die DUH ist eine deutsche Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation, die sich seit ihrer Gründung im Jahr 1975 um den Schutz des Klimas und den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen bemüht. Sie führt regelmäßig Befragungen bei den Bundesligisten durch.
Fischer freut sich darüber, dass die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren auch in der Bundesliga angekommen sind und immer wichtiger werden, auch wenn es nach wie vor viel Luft nach oben gibt. Doch haben viele Verein lange gebraucht, um "grüner" zu werden, und sich zunächst nur dort bewegt, wo sich durch umweltfreundlicheres Verhalten gleichzeitig auch Geld sparen ließ. "Lange Zeit hat Umweltschutz keine Rolle im Fußball gespielt", sagt Fischer. "Diese Zeiten sind vorbei."
Allerdings, so Fischer, seien die ergriffenen Maßnahmen meist sehr niedrigschwellig: "Viele Vereine tun sich dann leicht damit, Dinge umzusetzen, wenn man keine großen Investitionen in die Infrastruktur tätigen muss, beispielsweise einfach auf Ökostrom zu setzen oder LED-Lampen zu installieren, die Strom einsparen." Zudem handele es sich meist nur um Einzelmaßnahmen. Die Vereine haben in den vergangenen Jahren mehr oder weniger auf eigene Faust oder gemeinsam mit Unternehmen ihr Umwelt- und Klimaschutz-Portfolio erweitert.
Erst im März 2019 schlossen sich die 36 Profiklubs erstmals zu einem Arbeitskreis zusammen, um nach gemeinsamen Klima-Lösungen zu suchen - eine zentrale Anlaufstelle beim Ligaverband DFL gibt es dagegen nicht.
Keine zentrale Strategie
"Der Bundesliga fehlt ein Gesamt-Umwelt-Konzept ", beklagt Thomas Fischer, der eine Bündelung aller Umweltschutz-Aktivitäten sinnvoll fände. "Die DFL sollte ein Umweltziel verabschieden, das mittelfristig verfolgt wird. Außerdem sollte der Ligaverband den Vereinen Handlungsanleitungen und Leitfäden zur Verfügung stellen, damit sie Umweltschutz leichter umsetzen können." Bisher aber fehlt ein solcher Leitfaden der DFL.
Eine Anfrage der Deutschen Welle, an wen man seine Fragen zu den Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit richten könne, ließ der Ligaverband unbeantwortet. Thomas Fischer hat ähnliche Erfahrungen gemacht: "Die DFL duckt sich beim Thema Umweltschutz weg", sagt er. "Beim Thema Lizenz- und Fernsehgelder kann sie vor Kraft kaum laufen. Das würden wir uns auch beim Umweltschutz wünschen.
Schmutzfaktor Verkehr
Während die meisten Vereine in den Bereichen Abfall (Mülltrennung, Mehrwegbecher mit Pfandsystem), Energie (Ökostrom, Photovoltaik, LED-Lampen) und Wasser (Wasserspar-Vorrichtungen an Urinalen, Nutzung von gesammeltem Regenwasser zur Bewässerung) viele Maßnahmen bereits umsetzen, bleiben schlüssige Konzepte beim Thema Mobilität und Verkehr schwierig.
Alleine durch die Fans - so hat kürzlich eine Studie der Klimaberatungsagentur CO2OL im Auftrag des Deutschlandfunks ermittelt - entstehen an jedem Spieltagswochenende rund 7800 Tonnen klimaschädlichen Kohlendioxids. 60.000 Bäume müssten neu gepflanzt werden, um diese CO2-Menge zu kompensieren. Hochgerechnet auf eine ganze Saison wären es über zwei Millionen Bäume. Hinzu kommt, dass die Teams - anders als ihre Fans - in der Regel mit dem Flugzeug zu weiter entfernten Auswärtsspielen und dabei ein deutlich größeren CO2-Fußabdruck hinterlassen als mit Bus oder Zug.
Ein positives Beispiel ist der SV Werder Bremen, der mit seinem eher "autofeindlichen" Verkehrskonzept überzeugt. "In Bremen gibt es eine Personenfähre, mit der die Fans über die Weser setzen können", sagt Thomas Fischer. "Dazu kommen Verbote für Autos, in Stadionnähe zu fahren oder dort zu parken." Die CO2-Menge, die rund um das Stadion anfällt, wird so automatisch stark reduziert. Ein Punkt, der dem Experten der DUH wichtig ist.
"Es ist es besser, Probleme vor Ort zu lösen", sagt Fischer, der es kritisch sieht, wenn Bundesliga-Vereine wie der FSV Mainz 05 oder die TSG Hoffenheim sich als klimaneutrale Klubs bezeichnen. "Am Ende wird das dadurch erreicht, dass Klima-Zertifikate gekauft werden. Und das geht schon in Richtung Klima-Ablasshandel." Hoffenheim kompensiert seinen CO2-Ausstoß über ein Aufforstungsprojekt in Uganda in Zentralafrika. "Das führt aber nicht dazu, dass die Probleme vor Ort gelöst werden, die Klima-Emissionen oder Abfälle produzieren und verursachen", kritisiert Fischer.
Anregungen von außen
Beim SC Freiburg handelt man lokal. Der Sportclub kooperiert mit der Naturschutzorganisation World Wildlife Fund for Nature (WWF) bei einem Naturschutzprojekt im Schwarzwald - also quasi vor der eigenen Haustür. Regelmäßig gibt es Aktionen für Kinder und Jugendliche, in denen der Nachwuchs sensibilisiert wird, sich im Alltag klimabewusst zu verhalten.
Auch die Mitarbeiter werden entsprechend geschult. Und auch wenn man aufgrund der 25-jährigen Erfahrung als eine Art "Branchenführer" gilt, lernt man auch heute noch dazu und lässt sich auf neue Ideen ein.
"Es melden sich aber vermehrt Verbände und Initiativen bei uns - auch weil wir aufgrund unserer Aktivitäten aus den 90er-Jahren eine Art Hoffnungsträger innerhalb der Liga sind. Wir hatten beispielsweise die Initiatoren der Freiburger Bewegung von 'Fridays-for-Future' zu Besuch" sagt Hanno Franke, der sich freut, dass junge Leute, die oft einen anderen Blickwinkel haben, mit Anregungen und Fragen auf den Verein zukommen. "Wir haben sie dann auch aus Überzeugung unterstützt."
Wie nachhaltig ist die Fußball-Bundesliga?
Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind gesellschaftspolitische Themen, an denen auch die Bundesligisten nicht vorbeikommen. Wir haben die Klubs gefragt, welche Maßnahmen sie sich selbst auf die Vereinsfahne schreiben.
Bild: imago images/ActionPictures
FC Bayern München
Für ihre Umstellung auf Mehrwegbecher haben die Bayern von der europäischen REUSE-Konferenz den Reusable Award erhalten, der unter anderem von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vergeben wird. Seit 2015 ist der FCB Mitglied in der Klimaallianz Bayerns. Im Stadion setzt man auf LED-Technik und plant Anfang Februar eine Photovoltaik-Anlage auf einem der Parkhäuser an der Arena in Betrieb zu nehmen.
Bild: imago images/ActionPictures
Borussia Dortmund
Eine solche Anlage in Form des BVB-Logos ziert in Dortmund das Dach des Stadions. Sie lieferte 2018 rund 485.000 Kilowattstunden Strom für das lokale Stromnetz. In Zusammenarbeit mit einem Ökostrom-Anbieter will die Borussia insgesamt 81.365 Tonnen CO2 einsparen, also eine Tonne pro Sitzplatz. Die Bewässerung der Trainingsplätze erfolgt mit Regenwasser, das in Zisternen gesammelt wird.
Bild: picture-alliance/Augenklick/firo Sportphoto
FC Schalke 04
Bei BVB-Rivale Schalke werden nach den Spielen die Plastikbecher gesammelt, granuliert und zu neuen Bechern verarbeitet. Die Spülmaschinen laufen wassersparend, zudem wird aus Lebensmittelabfällen mit einem Spezialverfahren Wasser gewonnen. Der Umweltschutz ist im Klub-Verhaltenskodex verankert: "Der Schutz der Umwelt und die Schonung natürlicher Ressourcen sind unabdingbar", heißt es dort.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Weihrauch
RB Leipzig
Die Leipziger arbeiten derzeit noch an einer umfassenden Strategie für die so genannte Corporate Social Responsibility (CSR). Darunter fallen die Themen Klimaverantwortung und Umweltbewusstsein. Im Rahmen der DW-Umfrage konnte der Verein noch keine Angaben machen. Allerdings fiel auf, dass der RB-Tross nie mit dem Zug zu Auswärtsspielen reist. Dreimal fährt man Bus, ansonsten wird geflogen.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas
Borussia Mönchengladbach
Im Borussia-Park leuchten wie bei vielen anderen Bundesligisten nur noch LED-Lampen. Seit 20 Jahren gibt es Mehrwegbecher. Das Wasser kommt aus eigenen Brunnen. Ihre Nahrungsmittel beziehen die Gladbacher regional, Nichtverwendetes wird an gemeinnützige Einrichtungen verteilt. Dazu vertreibt die Borussia mit einem regionalen Energieversorger den "Fohlenstrom" aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen.
Bei Eintracht Frankfurt wurde 2011 das Nachwuchsleistungszentrum nach neuesten ökologischen Standards gebaut. Zudem verzichten die Frankfurter bei ihren Heimspielen bereits seit Beginn der Saison 2012/2013 auf die Verwendung von Einweg-Plastikbechern.
Bild: Imago Images/J. Huebner
Bayer 04 Leverkusen
In der BayArena gibt es seit dieser Saison nur noch Mehrwegbecher, die bis zu 150 Mal wiederverwendet werden können. Wie viele andere Vereine nutzt der Werksklub Ökostrom und wässert seinen Rasen nicht aus der Leitung, sondern mit Brunnenwasser. Seit 2016 gibt es in der Arena ein Klassenzimmer, in dem Kindern und Jugendlichen das Thema "Umweltschutz am Beispiel eines Stadions" vermittelt wird.
Um den Papierverbrauch zu reduzieren, sind die Autogrammkarten im TSG-Fanshop aus Graspapier. Als einziger Vertreter des Sports unterstützt die TSG die Allianz für Entwicklung und Klima des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ). Der CO2-Fußabdruck wird über Klimaprojekte in Uganda kompensiert. Wer ein Ticket kauft, kann eine beliebige Anzahl von Baum-Setzlingen für je einen Euro hinzubuchen.
Bild: Getty Images/Bongarts/C. Koepsel
Werder Bremen
Wie Hoffenheim unterstützt auch Werder die Initiative "Sports for Future", die die verbindende Kraft des Sports nutzen möchte, um die Klimakrise zu bewältigen. Bremen verzichtet, soweit es geht, auf Plastik und Verpackungen und hat eigene Bienenstöcke. Die Fans werden angehalten, nicht mit dem Auto zum Spiel zu fahren. Das Weserstadion ist das einzige Stadion, zu dem man auch mit der Fähre kommt.
Bild: picture-alliance/dpa/B. Hake
SC Freiburg
In Sachen ökologisches Bewusstsein waren die Freiburger Vorreiter in der Bundesliga. Schon 1995 wurde eine Photovoltaik-Anlage auf das Stadiondach gebaut, ein Jahr später funktionierten alle Urinale wasserlos. Die 2001 eröffnete Fußballschule wird ökologisch klimatisiert und beheizt. Zudem arbeitet der SC seit Jahren mit dem World Wide Fund For Nature (WWF) bei Naturschutzprojekten zusammen.
Bild: Imago Images//Heuberger
FSV Mainz 05
2011 nannten sich die Mainzer "erster klimaneutraler Bundesligist". Auf ihrem Stadiondach befindet sich eine Photovoltaik-Anlage, die laut Vereinsangaben 470 Tonnen CO2 pro Jahr einspart. Weitere CO2-Emissionen werden über den Erwerb von Zertifikaten zur Förderung von Klimaschutzprojekten kompensiert. Die 05er machen Schulprojekte zum Thema Umweltschutz und produzieren am Stadion eigenen Honig.
Bild: picture-alliance/dpa/Rath
VfL Wolfsburg
Der VfL war der erste Bundesliga-Klub, der LEDs zur Stadionbeleuchtung nutzte. Seit 2011 wird vom Verein 100-prozentiger Ökostrom verwendet. Das Brauchwasser der Arena kommt aus dem Mittellandkanal. Als Geschäftsstellen-Fahrzeuge stehen E-Modelle für die Mitarbeiter zur Verfügung. Außerdem hat der VfL einen eigenen Wald. Über 2000 Bäume wurden bereits in der Umgebung Wolfsburgs angepflanzt.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Wolf
1. FC Union Berlin
Die "Eisernen" setzen bei der Versorgung ihrer Stadionbesucher auf ökologische Produkte und solche aus fairem Handel. Der FC Union bezieht seine Lebensmittel soweit möglich von regionalen Händlern und Produzenten. Im Stadion an der alten Försterei gibt es nur Mehrwegbecher. Von der Deutschen Umwelthilfe wurde Union als Spitzenreiter der 1. und 2. Liga in Sachen Abfallmanagement ausgezeichnet.
Bild: Getty Images/Bongarts/M. Kern
1. FC Köln
Der Aufsteiger nimmt an einem Projekt zur Müllvermeidung teil und heizt seinen Rasen energiesparend. Geißbock Hennes wird mit einem Elektrofahrzeug von seinem Stall im Kölner Zoo zu den Spielen ins Stadion gebracht. Ärger mit Umweltaktivisten droht dem FC allerdings, weil man drei neue Trainingsplätze bauen möchte - in ein Landschaftsschutzgebiet, in dem streng geschützte Fledermäuse leben.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Ibing
FC Augsburg
Das Stadion in Augsburg ist laut Klubangaben die erste CO2-neutrale Arena der Welt. Sie wird klimaneutral geheizt und gekühlt. Zum einen wird Geothermie genutzt, außerdem werden aus zwei Brunnen pro Stunde bis zu 200.000 Liter Wasser durch Wärmetauscher gepumpt, an die das Heizsystem angeschlossen ist. Insgesamt spart der FCA so über 750 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr ein.
Bild: Imago Images/Schiffmann
Hertha BSC
Die Berliner konzentrieren sich bei ihren Bemühungen um Nachhaltigkeit vor allem auf den Müll, der rund um das Stadion anfällt. Er wird getrennt, auch eine eigene Müllpresse ist im Einsatz. Jährlich findet eine Müllsammelaktion rund um das Olympiastadion statt. Beim Waschen der Kleidung und der Reinigung des Stadions werden Reinigungsmittel mit Umweltzertifikat verwendet.
Bild: Getty Images/Bongarts/A. Rentz
Fortuna Düsseldorf
Die Fortuna ist in ihrer Arena nur Mieter. Sie verhandelt mit der Betreibergesellschaft über bessere Ökologie-Standards: Photovoltaik-Anlage, Nutzung von aufbereitetem Brauchwasser, LED statt Flutlicht, etc. Auch in Sachen Catering ist der Klub noch nicht da, wo er gerne hin möchte. Immerhin gibt es im Stadion nur noch Mehrwegbecher, und im Nachwuchszentrum verzichtet man auf PET-Flaschen.
Bild: picture-alliance/Fotostand/Wundrig
SC Paderborn
Das Stadion des SC Paderborn mag zwar mit 15.000 Plätzen eher klein sein, groß ist dagegen die Fläche, auf der das Stadiondach mit Solarzellen ausgerüstet ist: 4570 Quadratmeter produzieren fast 500.000 Kilowattstunden sauberen Strom. Unter dem Dach trinken die Zuschauer nur aus Mehrwegbechern, die man gegen Pfand am Getränkestand bekommt und dort auch wieder abgeben soll.