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Eine delikate Reise

27. April 2014

Der Staatsbesuch des Bundespräsidenten in der Türkei findet zu einem ungünstigen Zeitpunkt statt: Das Land ist innenpolitisch tief gespalten und steht international in der Kritik. Auch Gauck will Ankara nicht nur loben.

Gauck besucht die Türkei (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Kein Essen mit dem türkischen Ministerpräsidenten, kein Treffen mit Türkeis Präsident Abdullah Gül, sondern ein Besuch in einem syrischen Flüchtlingslager an der türkisch-syrischen Grenze - mit dieser Station beginnt Bundespräsident Joachim Gauck an diesem Sonntag seine Reise in die Türkei. Dort will er sich zunächst über die Situation von Bürgerkriegsflüchtlingen informieren. In dem Lager in der Nähe der Stadt Kahramanmaras sind etwa 16.000 Menschen untergebracht. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt (Artikelbild) besucht Gauck auch Soldaten der Bundeswehr, die dort im Grenzgebiet mit Patriot-Raketen den Luftraum sichern.

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Zu Gast in Ankara

Erst am Montag, beim offiziellen Start des Besuchs, trifft Gauck mit Gül und Erdogan in Ankara zusammen. Laut Protokoll wird Gauck zunächst die engen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei würdigen. Aber dann auch Defizite bei Demokratie und Rechtstaatlichkeit sowie beim Schutz religiöser Minderheiten thematisieren. Gauck kommt mit einer klaren Botschaft: Menschenrechte, Meinungsfreiheit und Unabhängigkeit der Justiz sind für ihn zentrale Forderungen - überall, aber eben auch in der Türkei.

Seit der blutigen Niederschlagung der Proteste im Gezi-Park von Istanbul im vergangenen Sommer ist Ankara auch international verstärkt in die Kritik geraten. Erdogan wird Korruptions vorgeworfen und sein kurzes Verbot von sozialen Medien wie YouTube und Twitter war weltweit verurteilt worden. Am 1. Mai drohen bereits erneut Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften.

Wohin steuert die Türkei?

Deutsche Politiker von CDU und CSU sprachen sich jüngst dafür aus, die seit Jahren auf der Stelle tretenden EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nicht fortzusetzen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte der "Leipziger Volkszeitung", "die Erdogan-Türkei bewegt sich außerhalb des europäischen Demokratieverständnisses". Und CDU-Generalsekretär Peter Tauber meint, "eine Türkei, in der Freiheit und Pluralität bekämpft und entscheidende Werte Europas missachtet werden, gehört nicht in die Europäische Union". Selbst EU-Parlamentspräsident und SPD-Politiker Martin Schulz sieht die Beitrittschancen der Türkei gesunken. Sie sei dabei, "sich deutlich von der EU zu entfernen", sagte er dem "Darmstädter Echo" (Samstag) mit Blick auf die repressive Politik Erdogans.

Die Zeiten haben sich verändert seit dem letzten Besuch eines Bundespräsidenten. Zuletzt reiste der damalige Amtsinhaber Christian Wulff im Oktober 2010 in die Türkei. Das Land strotzte nur so vor Selbstbewusstsein - vor allem wirtschaftlich. Wulffs Delegation war groß, die Investitionsmöglichkeiten waren riesig: Zu dem Zeitpunkt plante die Türkei eine zentrale Rolle im Nahen und Mittleren Osten zu übernehmen. Nicht zuletzt der Bürgerkrieg in Syrien hat diese Pläne zunichte gemacht.

nis/haz (dpa, afp)

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