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Politik

Steinmeier: "Judenhass nicht dulden"

14. Mai 2021

Die antisemitischen Übergriffe in Deutschland sorgen für Bestürzung. Bundespräsident Steinmeier sprach von Straftaten, die verfolgt werden müssten. Israels Boschafter sorgt sich um die Sicherheit der jüdischen Gemeinde.

Bundespräsident Steinmeier verleiht Verdienstorden
Bundespräsident Steinmeier warnt vor dem Missbrauch der MeinungsfreiheitBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

"Krieg und Haß keine Lösung"

05:27

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Steinwürfe gegen Synagogen, verbrannte Fahnen mit jüdischem Davidstern: Der Hass und die Wut gegen Juden in mehreren deutschen Städten als Folge des Nahost-Konflikts hat die deutsche Politik empört und alarmiert. "Judenhass - ganz gleich von wem - wollen und werden wir in unserem Land nicht dulden", sagte Bundespräsident Walter Steinmeier der "Bild"-Zeitung. Nichts rechtfertige die Bedrohung von Jüdinnen und Juden in Deutschland oder Angriffe auf Synagogen in deutschen Städten.

"Unser Grundgesetz garantiert das Recht auf Meinungs- und  Demonstrationsfreiheit. Wer aber auf unseren Straßen Fahnen mit dem Davidstern verbrennt und antisemitische Parolen brüllt, der missbraucht nicht nur die Demonstrationsfreiheit, sondern der begeht Straftaten, die verfolgt werden müssen", erklärte Steinmeier.

Polizisten bewachen die Bonner Synagoge nach dem Angriff vom DienstagBild: Oliver Berg/dpa/picture-alliance

Ähnlich wie der Bundespräsident unterstrich die Bundesregierung das Recht auf Demonstrationsfreiheit. Wer solche Proteste aber nutze, "um seinen Judenhass herauszuschreien", der missbrauche dieses Recht, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert. Die Bundesregierung werde antisemitische Kundgebungen nicht dulden.

Wer mit seinen Protesten vor eine Synagoge ziehe oder jüdische Symbole beschädige, der zeige, "dass es ihm nicht um Kritik an einer Regierung geht, sondern um Hass gegen eine Religion und jene, die ihr angehören". Dem stelle sich die Regierung mit aller Kraft entgegen. Seibert betonte, dass die Bundesregierung jede Form des Antisemitismus verurteile, unabhängig davon, ob er aus islamistischen, rechtsextremen oder linksextremen Kreisen komme.

Der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff sorgt sich um die jüdische Gemeinde in DeutschlandBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Der israelische Botschafter in Berlin forderte Deutschland zum Handeln auf. "Ich bitte die deutschen Behörden dringend, alles dafür zu tun, die Sicherheit unserer Community hier zu sichern", sagte Jeremy Issacharoff in der ARD. Die israelische Regierung sei sehr besorgt über antisemitische Akte wie Angriffe auf Synagogen in Bonn, Münster und anderen Städten. "Der Konflikt im Nahen Osten hat nichts mit der jüdischen Gemeinde hier in Deutschland zu tun", betonte Issacharoff.

Null Toleranz bei Angriffen auf Synagogen

Deutschlands Außenminister Heiko Maas hatte zuvor an alle Bürgerinnen und Bürger appelliert, es nicht hinzunehmen, "wenn Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland für Ereignisse im Nahen Osten verantwortlich gemacht werden - auf der Straße wie in den sozialen Medien".

Der Minister unterstrich: "Für Angriffe auf Synagogen darf es in unserem Land null Toleranz geben." Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagt Maas weiter: "So traurig es ist, dass das überhaupt notwendig ist: Der Staat muss ohne Wenn und Aber die Sicherheit der Synagogen gewährleisten." 

Außenminister Heiko MaasBild: Hannibal Hanschke/dpa/Reuters Images Europe/Pool/picture alliance

Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, sprach von erschreckenden Bildern von Zerstörung und Leid aus dem Nahen Osten. "Gleichzeitig sehen wir im 4000 Kilometer entfernten Deutschland, dass gewaltbereite Randalierer vor Synagogen ziehen, israelische Fahnen brennen und bei Protestmärschen in abstoßender Weise offen antisemitische Parolen skandieren." Es sei entsetzlich, wie offensichtlich Juden in Deutschland für Handlungen der israelischen Regierung verantwortlich gemacht würden, an denen sie ganz und gar unbeteiligt seien. "Das ist purer Antisemitismus."

"Krieg und Haß keine Lösung"

05:27

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Das Internet und die sozialen Medien hätten eine zentrale Rolle bei den steigenden Vorfällen von Antisemitismus in Deutschland gespielt, erläuterte Klein in einem Interview der Deutschen Welle. "Wir sehen eine allgemeine Verrohung des Diskurses", sagte er. "Wir müssen auf alle Formen von Antisemitismus mit Repression und Prävention reagieren.

Im Nahen Osten weitet sich die Gewalt zwischen Israel und der radikalislamischen Organisation Hamas aus. Militante Palästinenserorganisationen wie die Hamas und der Islamische Dschihad schossen seit Montag nach israelischen Angaben mehr als 1600 Raketen auf Israel ab. Dabei wurden mindestens acht Menschen getötet und mehrere Hundert verletzt. Im Gegenzug bombardierte die israelische Luftwaffe Ziele im Gazastreifen.

Die israelische Abwehr stoppt Raketen, die aus dem Gaza-Streifen auf die Stadt Ashkelon abgefeuert wurdenBild: Amir Cohen/REUTERS

Nach palästinensischen Angaben wurden dabei mindestens 119 Menschen getötet und mehrere Hundert verletzt. Als Auslöser des blutigen Schlagabtauschs gilt die drohende Zwangsräumung von rund 30 Palästinensern aus ihren Häusern in Ost-Jerusalem, auf die jüdische Israelis Anspruch erheben.

Merkel steht zu Israels Selbstverteidigung

In Bezug auf die Eskalation im Nahen Osten erklärte Regierungssprecher Seibert, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel die fortdauernden Raketenangriffe auf Israel auf das Schärfste verurteile. "Es sind Terrorangriffe mit dem einen Ziel, wahllos und willkürlich Menschen zu töten und Angst zu verbreiten. Nichts rechtfertigt solchen Terror. Dieser Raketenbeschuss muss sofort aufhören. Die Bundesregierung steht zu Israels Recht auf Selbstverteidigung gegen diese Angriffe."

Vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern hatte es mehrere Übergriffe gegen jüdische Einrichtungen in Deutschland gegeben. In der Nacht zu Donnerstag hatte ein Unbekannter die Synagoge in Mannheim angegriffen und eine Fensterscheibe zerstört. Eine Polizeistreife stellte in der Nähe einen 20-Jährigen, der angab, Zeuge der Tat gewesen zu sein. Der Staatsschutz ermittelt und überprüft auch die Rolle des jungen Mannes. Die Polizei erhöhte nochmals die Präsenz an den jüdischen Einrichtungen in Mannheim. Bürgermeister Christian Specht verurteilte vor Ort den Übergriff und bekundete seine Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde.

Blick auf die Mannheimer SynagogeBild: Ronald Wittek/dpa/picture-alliance

Am Mittwochabend löste die Polizei in Hannover eine antiisraelische Versammlung wegen Verstößen gegen Corona-Maßnahmen auf. Nach Angaben der Polizei nahmen rund 550 Menschen teil; zwei von ihnen versuchten, Israelflaggen zu verbrennen.

In Gelsenkirchen stoppte die Polizei eine nicht angemeldete antiisraelische Demonstration. Etwa 180 Menschen hätten sich vom Bahnhofsvorplatz in Richtung Synagoge in Bewegung gesetzt, dabei seien auch antisemitische Rufe skandiert worden, teilte die Polizei mit. Der Zentralrat der Juden in Deutschland veröffentlichte auf Twitter ein Video, auf dem die Sprechchöre zu hören sind.

Ein erster Ermittlungserfolg

Inzwischen konnte ein Tatverdächtiger identifiziert werden. Wie die Polizei mitteilte, handelt es sich um einen 26 Jahre alten Deutsch-Libanesen aus Gelsenkirchen. Der Staatsschutz habe eine Ermittlungskommission eingerichtet, um zügig weitere Details aufzuklären, hieß es.

Bereits am Donnerstag hatte es in München einen Protest gegen das Vorgehen Israels in Nahost gegebenBild: Sachelle Babbar/ZUMA Wire/picture alliance

Die Polizei in Würzburg berichtete, ein Unbekannter habe die vor dem Landratsamt gehisste israelische Flagge in der Nacht zum Donnerstag vom Mast gerissen und massiv beschädigt. In Berlin versuchten Unbekannte, eine israelische Flagge vor der CDU-Zentrale zu stehlen; vor dem Rathaus in Pankow versuchten Unbekannte, die dort gehisste israelische Flagge in Brand zu stecken. 

Antisemitismus mit allen Mitteln bekämpfen

Nach der Eskalation des Konflikts zwischen Israel und Palästinensern waren in der Nacht zum Mittwoch vor Synagogen in Münster und Bonn israelische Flaggen angezündet worden. In Bonn wurde der Eingangsbereich der Synagoge durch Steinwürfe beschädigt; drei Tatverdächtige wurden festgenommen. Bundesinnenminister Horst Seehofer erklärte, man werde nicht tolerieren, "dass auf deutschem Boden israelische Flaggen brennen oder jüdische Einrichtungen angegriffen werden". Der CSU-Politiker fügte hinzu: "Antisemitischen Hass werden wir mit allen Mitteln des Rechtsstaates bekämpfen."

Auch vor der Synagoge in Frankfurt wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärftBild: Frank Rumpenhorst/dpa/picture alliance

Nach den jüngsten antisemitischen Vorfällen forderten die Grünen den Minister auf, im Innenausschuss des Bundestages eine Einschätzung der Lage abzugeben. "Wir müssen alles dafür tun, dass Jüdinnen und Juden bei uns in Sicherheit leben können", sagte die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic in Berlin.

rb/kle/sti (epd, dpa, afp, rtr)  

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