Steinmeier warnt vor Verachtung der Demokratie
7. September 2018"Eine offene Gesellschaft, wie sie die Mehrheit in unserem Land will, leugnet nicht die Schattenseiten und muss die Debatte über diese Schattenseiten auch wollen", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Eröffnung des Bürgerfests im Park von Schloss Bellevue. Sie müsse Offenheit auch für Kritik und abweichende Meinungen zulassen.
Es sei gut, dass Menschen nicht nur gegen etwas auf die Straße gingen, sondern sich auch diejenigen zeigten, die für Demokratie und Zusammenhalt stünden, führte das deutsche Staatsoberhaupt aus. Als eine Reaktion auf die fremdenfeindlichen Ausschreitungen hatten bekannte Bands am vergangenen Montag ein Gratiskonzert in Chemnitz gegeben, zu dem 65.000 Menschen kamen.
Demokratie nicht "verleumden"
Bezug nehmend auf die Ausschreitungen in Chemnitz sagte Steinmeier: "Wir haben auch Hass erlebt, sogar Gewalt auf offener Straße." Er verurteilte, dass Menschen bedroht würden, "weil sie Obdachlosen oder Flüchtlingen helfen, oder weil sie schlicht und einfach den Mund aufmachen". Dagegen müsse die Gesellschaft "Flagge zeigen".
Scharfe Kritik übte Steinmeier auch an der Verwendung des Begriffs "System" in der aktuellen Debatte. Wer verlange, das System abzuschaffen, müsse an die Folgen erinnert werden, die die Verachtung der ersten Demokratie auf deutschem Boden hatte. Verleumdet nicht die Demokratie als "System", mahnte er. Die Bundesrepublik sei das freieste und demokratischste Land, das es je auf deutschem Boden gegeben habe.
Begriffe wie "System", "Systemzeit" und "Systemparteien" gehörten zum Propagandawortschatz der Nationalsozialisten in der Weimarer Republik. Damit diffamierten sie die politischen Institutionen der damaligen Demokratie, die sie nach 1933 schließlich beseitigten. AfD-Bundeschef Alexander Gauland hatte kürzlich in einem Zeitungsinterview öffentlich für eine "friedliche Revolution" gegen das "politische System" und das "System Merkel" geworben.
Zum Bürgerfest eingeladen waren rund 4000 Menschen, die sich durch ihr ehrenamtliches Engagement verdient gemacht haben. Partnerländer in diesem Jahr sind Italien und Sachsen. Auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zählte deshalb zu den Gästen.
uh/ww (dpa, afp, epd)