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Bundespräsident Wulff gibt auf

Kay-Alexander Scholz17. Februar 2012

Christian Wulff hat die Konsequenzen daraus gezogen, dass die Staatsanwaltschaft Hannover gegen ihn ermitteln will. Es sei nicht mehr möglich, sein Amt so wahrzunehmen wie nötig, erklärte der Bundespräsident.

Bundespräsident Christian Wulff mit gebeugtem Haupt bei seiner Rücktrittserklärung
Bild: picture-alliance/dpa

In seiner gefasst vorgetragenen Rücktrittserklärung sagte Bundespräsident Wulff, Deutschland brauche einen Präsidenten, der sich uneingeschränkt den gewaltigen nationalen und internationalen Herausforderungen widmen könne. Einen Präsidenten, der vom Vertrauen einer breiten Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger getragen wird. "Die Entwicklung der vergangenen Tage und Wochen hat gezeigt, dass dieses Vertrauen und damit meine Wirkungsmöglichkeiten nachhaltig beeinträchtigt sind", erklärte Wulff. Aus diesem Grund sei es ihm nicht mehr möglich, "das Amt des Bundespräsidenten nach innen und nach außen so wahrzunehmen, wie es notwendig ist."

Wulff rief kurz in Erinnerung, worauf es ihm in seiner Amtszeit angekommen sei. Dabei nannte er als erstes die Integration von Zuwanderern. "Alle sollen sich zugehörig fühlen, die hier bei uns in Deutschland leben, eine Ausbildung machen, studieren und arbeiten, ganz gleich welche Wurzeln sie haben. Wir gestalten unsere Zukunft gemeinsam." Der Bundesrepublik Deutschland wünschte Wulff eine politische Kultur, in der die Menschen die Demokratie als "unendlich wertvoll" erkennen und „sich vor allem – und das ist mir das wichtigste – gerne für die Demokratie einsetzen."

Staatsanwalt will gegen Wulff ermitteln

Mit seinem Rücktritt erspart Wulff dem Bundestag die Entscheidung, seine Immunität aufzuheben. Ohne eine solche Entscheidung ist ein Bundespräsident, wie auch Parlaments- und Regierungsmitglieder, vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt. Am Donnerstag abend hat die Staatsanwaltschaft Hannover beantragt, Wulffs Immunität aufzuheben. Nun kann sie ihrem Korruptionsverdacht nachgehen. Dabei geht es um private Beziehungen zu einem Geschäftsmann, der in Wulffs Zeit als Ministerpräsident von Niedersachsen eine Bürgschaft von dem Land erhalten haben soll.

Wulff zeigte sich in seiner Rücktrittserklärung überzeugt, dass diese Ermittlungen zu seiner "vollständigen Entlastung" führen werden. "Ich habe mich in meinen Ämtern stets rechtlich korrekt verhalten", sagte Wulff. "Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig."

Merkel zollt Wulff Respekt

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte unmittelbar danach, sie habe Wulffs Erklärung "mit größtem Respekt und ganz persönlich auch mit tiefem Bedauern zur Kenntnis genommen". Wulff habe als Bundespräsident wichtige Impulse gegeben und deutlich gemacht, "dass die Stärke dieses Landes in seiner Vielfalt liegt". Er und seine Frau hätten die Bundesrepublik Deutschland im In- und Ausland würdig repräsentiert.

Bundeskanzlerin Merkel will jetzt auf die Opposition zugehenBild: Reuters

Merkel bezeichnete es als eine Stärke des Rechtsstaats, dass er jeden unabhängig von seiner Stellung gleich behandelt. Mit seinem Rücktritt stelle Wulff nun "seine Überzeugung, rechtlich korrekt gehandelt zu haben, hinter das Amt zurück, hinter den Dienst an den Menschen in unserem Land". Dieser Haltung zolle sie ausdrücklich ihren Respekt, erklärte die Bundeskanzlerin.

Kanzlerin will überparteilichen Kandidaten

Merkel kündigte an, sie wolle nun mit den oppositionellen Sozialdemokraten und Grünen sprechen, um einen gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge Wulffs zu finden. Verschiedene Oppositionspolitiker hatten das schon vor dem Rücktritt Wulffs vorgeschlagen. Der Liberale Wolfgang Kubicki hat dafür bereits den Namen Joachim Gauck ins Gespräch gebracht. Der frühere DDR-Bürgerrechtler war 2010 als Kandidat von SPD und Grünen gegen Wulff ins Rennen gegangen. Er genießt großen Respekt auch im bürgerlichen Lager. Kubicki ist Vorsitzender der Liberalen im nördlichsten Bundesland Schleswig-Holstein und muss dort bei der Landtagswahl im Mai um die Regierungsbeteiligung und sogar um den Wiedereinzug der FDP ins Parlament fürchten.

Die Wahlen in Schleswig-Holstein sowie Ende März im Saarland könnten die knappe Mehrheit der Regierungsparteien CDU, CSU und FDP in der Bundesversammlung beenden, die den Bundespräsidenten wählt. Da nach dem Rücktritt eines Bundespräsidenten innerhalb von 30 Tagen eine Neuwahl vorgeschrieben ist, hätte Merkel jetzt noch die Chance, einen Kandidaten des eigenen Lagers durchzusetzen. Ihre Äußerung deutet aber darauf hin, dass sie es darauf nicht ankommen lassen will.

Autor: Peter Stützle
Redaktion: Sabine Kinkartz

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