Die Bundesregierung will von 1800 deutschen Unternehmen wissen, inwieweit sie bei der Produktion im Ausland Menschenrechte achten. Verpflichtend ist die Teilnahme allerdings nicht. Die Wirtschaft fühlt sich geschmäht.
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Das Auswärtige Amt startete eine schriftliche Befragung, die bis Anfang Oktober abgeschlossen werden soll. Ein Vertreter sprach zwar von einer "nachdrücklichen" Aufforderung zur Teilnahme, letztlich ist sie aber freiwillig. Die entsprechenden Unternehmen wurden nach bestimmten Bedingungen per Zufallsgenerator ausgewählt.
"Deutschland und die deutsche Wirtschaft profitieren in besonderem Maße von der Globalisierung", sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) vor dem Start der Umfrage. "Deswegen haben wir auch eine besondere Verantwortung, die Rechte der Menschen zu schützen, die in unseren weltweiten Liefer- und Wertschöpfungsketten arbeiten."
Gefragt wird unter anderem, ob die Unternehmen in ihren betrieblichen Leitlinien über eine Grundsatzerklärung zu den Menschenrechten verfügen oder ob es einen Mechanismus gibt, der von Betroffenen bei Beschwerden genutzt werden kann.
Hintergrund ist die Kritik an Kinderarbeit und Hungerlöhnen am Beginn von Lieferketten in Entwicklungsländern, zum Beispiel in den Textilfabriken von Bangladesch. Die Bundesregierung hatte 2016 einen Nationalen Aktionsplan mit dem Ziel beschlossen, dass im Jahr 2020 mindestens die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland mit mehr als 500 Beschäftigten nachweislich die Kernelemente menschenrechtlicher Sorgfalt erfüllen. Die Umfrage ist ein zentraler Punkt dieses Aktionsplans.
Der Wirtschaft gehen die Fragen zu weit
Aus der Wirtschaft kommt dagegen Kritik. "Das ganze Verfahren ist von Anfang an verkorkst. Inzwischen sollen die Unternehmen auch Fragen beantworten, die nichts mit den im Nationalen Aktionsplan formulierten Anforderungen zu tun haben", sagte Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie, der Deutschen Presse-Agentur. "Es kann nicht sein, dass wir als deutsche Industrie mit den weltweit höchsten Umwelt- und Sozialstandards immer wieder so dargestellt werden, als wären uns die Menschenrechte egal. Das Gegenteil ist der Fall."
Kinderarbeit nimmt ab - aber zu langsam
Bis 2025 die Kinderarbeit abschaffen: Das haben sich die UN-Staaten vorgenommen. Kinderarbeit nimmt zwar stetig ab - mit noch immer 152 Millionen arbeitenden Kindern weltweit wird dieses Ziel schwer zu erreichen sein.
Bild: Getty Images/AFP//S. Mehra
Fast jedes zehnte Kind ist Kinderarbeiter
Laut Unicef müssen aktuell noch immer 152 Millionen Kinder weltweit arbeiten, um zum Überleben ihrer Familien beizutragen. Die meisten von ihnen leben in Afrika und Asien. Insgesamt hat die Kinderarbeit weltweit abgenommen: Im Jahr 2000 waren 246 Millionen Kinder betroffen - doch der Rückgang verlangsamt sich.
Unicef definiert Kinderarbeit als "Tätigkeiten, für die Kinder zu jung sind oder die gefährlich oder ausbeuterisch sind, die die seelische Entwicklung schädigen oder die Kinder vom Schulbesuch abhalten". So steht es in der UN-Kinderrechtskonvention.
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Anstieg in Subsahara-Afrika
Besonders deutlich gesunken ist die Zahl der Kinderarbeiter in der Region Asien und Pazifik, auch in Lateinamerika nimmt sie ab. In Subsahara-Afrika hingegen scheint Kinderarbeit in den letzten Jahren wieder zugenommen zu haben. Als Grund nennt das UN-Kinderhilfswerk die schleppende wirtschaftliche Entwicklung sowie eine wachsende Zahl an bewaffneten Konflikten und Naturkatastrophen.
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Arbeiten auf der Flucht
Einen Anstieg von Kinderarbeit gibt es auch unter Flüchtlingen. Je länger die die Flucht dauert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder arbeiten müssen. Denn ihre Familien haben auf der Flucht meist alles verloren und müssen nach neuen Wegen suchen, um zu überleben.
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Harte Arbeit
Ein Beispiel: 2017 flohen Hunderttausende Rohingya vor Verfolgung und Ausgrenzung aus Myanmar nach Bangladesch und leben seitdem in Notunterkünften. Dort müssen die Kinder ihre Familien unterstützen - mit teils körperlich sehr anstrengender Arbeit.
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Nähen statt Lernen
Auch viele syrische Flüchtlingskinder müssen arbeiten, wie dieser Junge in einer Textilfabrik in der Türkei. Viele syrische Kinder arbeiten dort mehr als zehn Stunden am Tag. Unicef will mit Bildungsprogrammen in Krisengebieten gegen Flüchtlings-Kinderarbeit vorgehen.
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Was tun gegen Kinderarbeit?
Um Kinderarbeit grundsätzlich zu beenden, sehen Hilfsorganisationen vor allem die Regierungen am Zug: Sie müssten die Schulpflicht durchsetzen und zudem das Mindestalter für die Zulassung zur Arbeit rechtlich an das Ende der Schulpflicht angleichen. Staatliche Aufsichtsbehörden müssten gestärkt und Arbeitgeber, die Kinder ausbeuten, bestraft werden, fordert etwa "terre des hommes".
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Bildung als Schlüssel
"Um Kinder wirksam vor Ausbeutung zu schützen, müssen sich die Lebensbedingungen der betroffenen Kinder ändern", sagt Christian Schneider, Geschäftsführer von Unicef Deutschland. Unicef fordert daher mehr Investitionen in Bildung sowie Gesundheits- und soziale Sicherungssysteme.
Bild: Imago/epd
Ursachen von Kinderarbeit stärker bekämpfen
Verläuft der Rückgang der Kinderarbeit weiter im aktuellen Tempo, werden nach Schätzungen von Unicef auch im Jahr 2025 noch 121 Millionen Mädchen und Jungen von Kinderarbeit betroffen sein. Damit rückt das von der UN ausgegebene Ziel der Abschaffung der Kinderarbeit bis 2025 in weite Ferne.
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Auch wenn sich viele deutsche Unternehmen selbst zur Einhaltung menschenrechtlicher Standards verpflichten, gilt dies häufig nicht für Subunternehmen und Zulieferer. Anfang Juli hatte die Organisation Oxfam deutschen Supermarktketten vorgeworfen, "Leid, Ausbeutung und Diskriminierung" seien in ihren Lieferketten weiterhin an der Tagesordnung.
Im Frühjahr 2020 soll die Befragung wiederholt und danach ein Endbericht mit den Ergebnissen veröffentlicht werden. Auf dessen Grundlage soll entschieden werden, ob und welche weiteren gesetzlichen Maßnahmennötig sind, um die Einhaltung gewisser Menschenrechtsstandards in der Wirtschaft durchzusetzen.