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Politik

Bundesregierung: Deutsche sollen Ukraine verlassen

12. Februar 2022

Während die Sorge des Westens vor einem möglichen Angriff Russlands auf die Ukraine wächst, ziehen die Bundesregierung und auch andere westliche Länder Konsequenzen. Die Telefondiplomatie geht derweil weiter.

Ukraine - Deutsche Botschaft in Kiev
Die deutsche Botschaft in der ukrainischen Hauptstadt Kiew (Archivbild)Bild: Anna Marchenko/TASS/picture alliance/dpa

Nach Warnungen der US-Regierung vor einem möglicherweise bevorstehenden russischen Angriff hat auch Deutschland seine Staatsbürger aufgefordert, die Ukraine zu verlassen. "Wenn Sie sich derzeit in der Ukraine aufhalten, prüfen Sie, ob Ihre Anwesenheit zwingend erforderlich ist. Falls nicht, reisen Sie kurzfristig aus", schreibt das Auswärtige Amt auf seiner Website.

In der offiziellen Reisewarnung heißt es: "Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine haben angesichts massiver Präsenz und Bewegungen russischer Militärverbände nahe der ukrainischen Grenzen in den letzten Tagen weiter zugenommen. Eine militärische Auseinandersetzung ist nicht auszuschließen."

Auch andere europäische Staaten wie Belgien, Italien, Spanien und die Niederland sowie Schweden veröffentlichten ähnliche Mitteilungen. Zuvor hatten bereits unter anderem die USA, Großbritannien, Dänemark, Australien, Lettland und Estland ihre Staatsbürger zur Ausreise aufgefordert.

Baerbock: "Auf alle Szenarien vorbereiten"

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erklärte, man sehe eine Eskalation in der Ukraine. Es müssten alle Anstrengungen unternommen werden, um eine diplomatische Lösung zu finden. Allerdings müsse man auch auf jedwedes Szenario vorbereitet sein, sagte Baerbock in Kairo. Die Grünen-Politikerin befindet sich gerade in Ägypten, wo sie ihre dreitägige Antrittsreise in den Nahen Osten abschließt.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock beendet an diesem Samstag ihre Antrittsreise in den Nahen OstenBild: picture alliance/dpa

Die deutsche Botschaft in Kiew bleibe geöffnet, das Botschaftspersonal werde jedoch reduziert, so Baerbock. Das deutsche Generalkonsulat in Dnipro werde vorübergehend nach Lwiw (Lemberg) verlegt. Damit sollen die Mitarbeiter künftig weiter entfernt von der sogenannten Kontaktlinie zwischen den ukrainischen Regierungstruppen und den von Russland unterstützten Separatisten in der Ostukraine arbeiten.

Zuvor hatten die USA und Russland ähnliche Schritte mit Blick auf ihre Diplomaten angekündigt. Die US-Botschaft in Kiew soll lediglich mit einer Kernbesatzung weiterarbeiten. Alle übrigen Mitarbeiter würden abgezogen, gab das Außenministerium in Washington bekannt. Die Regierung in Moskau teilte ebenfalls mit, das eigene Botschaftspersonal im Nachbarland werde vermindert. Die "Schlüsselfunktionen" der Botschaft in Kiew und der russischen Konsulate würden jedoch aufrechterhalten.

Selenskyj warnt vor Panikmache

Die US-Regierung hatte am Freitag erklärt, sie halte einen russischen Einmarsch in die Ukraine noch vor dem Ende der Olympischen Winterspiele in China am 20. Februar für möglich. 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich verwundert darüber. Er warf den westlichen Vertretern abermals vor, mit Warnungen vor einer bevorstehenden russischen Invasion in seinem Land "Panik" zu schüren. "Uns ist klar, dass es Risiken gibt", sagte Selenskyj vor Journalisten. Jedoch sei "der größte Feind" der Ukraine "derzeit Panik in unserem Land". Die aktuellen Informationen zu möglichen russischen Invasionsplänen "helfen uns nicht", betonte er.

In der vergangenen Woche hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Kreml mit Wladimir Putin gesprochenBild: Russian Presidential Press Office/SNA/imago images

Macron und Putin sprechen über Minsker Abkommen

Derweil haben sich der französische Präsident Emmanuel Macron und sein russischer Kollege Wladimir Putin nach Angaben Frankreichs über Möglichkeiten zur Umsetzung des Abkommens von Minsk ausgetauscht. In dem 90-minütigen Gespräch habe Macron Putin gesagt, ernsthafte Verhandlungen seien unvereinbar mit einer Eskalation der Spannungen um die Ukraine, teilt das Präsidialamt in Paris mit.

Schiffe der Schwarzmeerflotte laufen aus

Die russische Marine begann unterdessen nahe der annektierten Halbinsel Krim ein weiteres Manöver. Mehr als 30 Schiffe der Schwarzmeerflotte hätten die Häfen Sewastopol und Noworossijsk verlassen, meldet die russische Nachrichtenagentur RIA unter Berufung auf die Seestreitkräfte. Die Übung sei Teil der größer angelegten, bereits seit längerem geplanten Marinemanöver.

USA verlegen Kampfjets nach Rumänien

Das russische Militär hat nach westlichen Angaben mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Russland bestreitet jegliche Angriffspläne und fordert umfassende Sicherheitsgarantien von der NATO. Die NATO kündigte ihrerseits an, ihre Ostflanke zu verstärken und die eigene Präsenz in der Schwarzmeerregion weiter auszubauen.

Die ukrainische Regierung forderte die Bürger auf, nicht in Panik zu verfallen - hier der Sofiyivska-Platz in Kiew (Archivbild)Bild: Bryan Smith/ZUMA Press Wire/picture alliance

Die US-Luftwaffe verlegte acht Kampfjets vom Typ F-16 nach Rumänien. Die Flugzeuge trafen im Luftwaffenstützpunkt Borcea, 150 Kilometer östlich von Bukarest, ein, wie das rumänische Verteidigungsministerium mitteilte. Sie würden zusammen mit 150 US-Soldaten in gemeinsame Übungen mit dem rumänischen Militär einbezogen; die Manöver dauerten zwei Wochen. Bereits vor einigen Tagen waren vier Kampfjets der US-Marine vom Typ F/A-18 Super Hornet und 50 US-Soldaten in Borcea angekommen. Auch sie sollen an der Übung teilnehmen. Rumänien grenzt unmittelbar an die Ukraine.

US-Militär zieht Nationalgarde ab

Angesichts der sich zuspitzenden Lage werden ziehen die USA Soldaten aus der Ukraine ab, die dort zu Trainingszwecken im Einsatz waren. Das Pentagon teilte in Washington mit, 160 Mitglieder der Nationalgarde aus dem US-Bundesstaat Florida würden als Vorsichtsmaßnahme aus der Ukraine an einen anderen Standort in Europa verlegt. Sie seien seit November in der Ukraine gewesen, um dortige Streitkräfte zu beraten.

Das Pentagon versicherte, ihre Verlegung ändere nichts an der Entschlossenheit der USA, die ukrainischen Streitkräfte zu unterstützen. Das Pentagon teilte außerdem mit, Verteidigungsminister Lloyd Austin habe mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Schoigu telefoniert und mit ihm über den Truppenaufbau Russlands an der Grenze zur Ukraine gesprochen. Auch US-Außenminister Antony Blinken sprach per Telefon mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow.

Telefondiplomatie geht weiter

Der russische Staatschef Wladimir Putin will noch an diesem Samstag mit Biden telefonieren. Der US-Präsident hatte sich am Freitag mit Bundeskanzler Olaf Scholz und einer Reihe weiterer Spitzenpolitiker über die Lage ausgetauscht. Ziel der Beratungen, an denen auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen teilnahmen, sei es gewesen, Diplomatie und Abschreckung zu koordinieren, teilte das Weiße Haus mit.

Für Montag ist ein Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in der Ukraine geplant. Am Dienstag will Scholz erstmals als Kanzler in Moskau mit Putin zusammentreffen. 

jj/pg/uh/ml (dpa, afp, rtr)