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Politik

Stickoxid-Klage der EU erhöht Druck auf Berlin

17. Mai 2018

Nach der Entscheidung, Deutschland wegen seiner schmutzigen Luft zu verklagen, freuen sich Umweltverbände über den Vorstoß der EU-Kommission. Dagegen hält die Bundeskanzlerin ihren Weg für "sehr, sehr gut".

Symbolbild Luftverschmutzung in Deutschland
Die Ampeln in vielen deutschen Städten stehen auf Rot - und die Stickoxid-Grenzwerte auchBild: picture-alliance/Geisler-Fotopress/C. Hardt

Fahrverbote, Strafzahlungen oder weiterhin verpestete Luft: Der bevorstehende Prozess am Europäischen Gerichtshof zwingt Deutschland, zu entscheiden, in welcher Währung es den Preis für die eigene Untätigkeit beim Thema Luftverschmutzung bezahlen will. Politiker, Aktivisten und Experten sehen mit der Entscheidung von EU-Umweltkommissar Karmenu Wella, Deutschland und fünf weitere EU-Staaten wegen unzureichender Maßnahmen gegen Stickstoffdioxid zu verklagen, vor allem die Bundesregierung unter Zugzwang.

Grünen-Europapolitikerin Rebecca HarmsBild: DW/A.M. Pędziwol

"Größte Blamage, die man sich vorstellen kann"

"Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung europäische Vorgaben zum Schutz von Umwelt und Gesundheit über Jahre ignoriert", sagte Rebecca Harms, die klimapolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament. Für den Automobilexperten Ferdinand Dudenhöffer ist die Klage "die größte Blamage für die Bundesregierung, die man sich vorstellen kann." Die Gesundheit der Menschen sei für die Bundesregierung Nebensache, "sonst hätte sie längst etwas gemacht". Hartmut Dedy, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, sagte, die Klage mache "sehr deutlich, dass die Stickstoffdioxid-Emissionen so schnell wie möglich sinken müssen". Nabu-Verkehrsexperte Dietmar Oeliger glaubt, die Klage werde den politischen Druck auf die Bundesregierung erhöhen.

Umweltministerin Svenja Schulze in BerlinBild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Die Umweltministerin will Nachrüstungen

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, sie bedauere, "dass die Kommission unsere bisherigen Anstrengungen - zum Beispiel das Sofortprogramm Saubere Luft - nicht für ausreichend hält". Nur mit umfangreichen Maßnahmen könne Deutschland vor Gericht bestehen. So forderte sie technische Nachrüstungen: "Und zwar auf Kosten der Automobilhersteller, denn die haben das Problem verursacht." Mit Blick auf ihren Koalitionspartner sagte Schulze: "Darauf zu hoffen, dass sich das Problem von selbst erledigt - wie manche das offenbar tun - ist spätestens jetzt keine Option mehr. Blockieren und Aussitzen sollte in dieser Frage niemand mehr."

Bundeskanzlerin Merkel auf einem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in SofiaBild: picture-alliance/AP Photo/D. Vojinovic

Merkel will bisherigen Weg weiter gehen

Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte am Rande des EU-Gipfels in Sofia sehr gelassen auf die Klage: "Wir sind auf einem sehr, sehr gutem Weg." Man werde nun sicher sehr schnell Fortschritte machen. "Wir haben auch im letzten Jahr wieder weniger Städte gehabt, in denen diese Verletzungen vorgekommen sind. Und insofern werden wir diesen Weg jetzt ganz konsequent weiter gehen." Unions-Fraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) beklagte, die Luft in den Städten sauberer zu machen, lasse sich "nicht auf richterlichen Knopfdruck und mit Scheinlösungen wie Fahrverboten oder wie auch immer gefärbten Plaketten" umsetzen.

Unterdessen verspricht Frankreich, das sich ebenso wie Deutschland verantworten muss, neue Maßnahmen für reinere Luft: Umweltminister Nicolas Hulot und Verkehrsministerin Élisabeth Borne wollen diese gemeinsam im Juni vorstellen.

Sechs Länder sind angeklagt, drei atmen auf

Neben Deutschland und Frankreich müssen sich Großbritannien, Italien, Ungarn und Rumänien wegen anhaltend schmutziger Luft vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg verantworten. Tschechien, Spanien und die Slowakei können vorerst aufatmen: Ihre Umweltminister hatten genau wie die der fünf Beklagten im Januar in Brüssel Maßnahmen vorlegen müssen und scheinen die EU-Kommission damit überzeugt zu haben, das Problem ohne zusätzlichen Druck zu meistern.

In Hamburg werden bereits die ersten Verbotsschilder für Lastwagen mit älteren Dieselmotoren montiertBild: picture-alliance/dpa/D. Bockwoldt

Erste Fahrverbote kommen

In Deutschland sind die hohen Stickstoffdioxidwerte das größte Problem: EU-weit gilt seit 2010 im Straßenverkehr ein Grenzwerte von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, dieser wird jedoch in 70 deutschen Städten überschritten. Wie die Stickoxid-Werte in den grünen Bereich geholt werden sollen, obliegt letztlich den Kommunen: Als erste Stadt setzt Hamburg noch in diesem Monat Fahrverbote für ältere Diesel-Lkw in Kraft; Stuttgart könnte im Herbst 2019 nachziehen.

de/kle (dpa, afpd, ard) 

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