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GesellschaftDeutschland

Bericht: Religionsfreiheit weltweit bedroht

28. Oktober 2020

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Religionsfreiheit weltweit legt einen alarmierenden Bericht vor. Im Ringen um Verbesserungen setzt er eher auf Dialog als auf Sanktionen.

Deutschland Bericht zur weltweiter Religionsfreiheit
Bärbel Kofler (l-r), Beauftragte für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Markus Grübel, Beauftragter für weltweite Religionsfreiheit, Olivia Elias, jesidische Aktivistin und Erzbischof Ludwig SchickBild: Kay Nietfeld/dpa/picture-alliance

Markus Grübel kommt gleich auf den Punkt. "Religions- und Weltanschauungsfreiheit ist ein fundamentales Menschenrecht. Dieses Menschenrecht wird zunehmend eingeschränkt oder infrage gestellt." Drei von vier Menschen weltweit lebten in einem Land, "das ihre Religions- und Weltanschauungsfreiheit einschränkt", sagt Grübel bei der Vorstellung des Berichts zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit, den das Bundeskabinett an diesem Mittwoch beschlossen hatte. Es ist eine ernüchternde Abhandlung über eine global schwierige Entwicklung.

Sorgen um chinesische Uiguren

In dem Bericht heißt es, die Verletzung der Religionsfreiheit treffe Christen als größte Glaubensgemeinschaft weltweit "besonders", aber auch Angehörige anderer Religionen und Weltanschauungen litten unter Diskriminierung und Verfolgung aufgrund ihres Glaubens oder weil sie keinem Glauben anhängen. Grübel betont die dramatische Lage der Uiguren in China und die Probleme der Rohingya in Myanmar. Und er beschreibt die Wut im Internet und auf der Straße, als es in Pakistan um die Verurteilung der Christin Asia Bibi ging, die der Gotteslästerung beschuldigt wurde und schließlich doch das Land verlassen konnte.

Uiguren: "Keinerlei Freiheiten"

03:56

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Alarmiert zeigte er sich ebenfalls über die Situation der religiösen Minderheiten im Iran und in Teilen Nigerias. Aber der Beauftragte der Bundesregierung nannte auch ein positives Beispiel. Der Sudan habe nach dem Ende des Regimes 2019 die Todesstrafe für Apostasie, den Abfall vom Glauben, abgeschafft, habe das Weihnachtsfest eingeführt und Juden eingeladen, in das Land zurückzukehren oder es zu besuchen. Ausdrücklich lobt er das Engagement der "Deutschen Welle", in vielen Regionen der Welt gezielt über die Gefahr von "Hassrede" im Netz zu warnen.

Kritik auch an außenpolitischen Partnern

Zum zweiten Mal nach 2016 legt die Bundesregierung einen "Bericht zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit" vor. Es ist ein gut 200 Seiten umfassendes Dokument. Doch der aktuelle Bericht unterscheidet sich in einem schon äußerlich auffallenden Punkt von der ersten Ausgabe. 2016 stand nur das Auswärtige Amt auf der Titelseite des knapp 100-seitigen Textes. Nun, vier Jahre später, stehen dort gleichberechtigt das Außen- und das Entwicklungsministerium.

Rohingya-Flüchtlinge landen im indonesischen AcehBild: Reuters/Antara Foto/Rahmad

Vielleicht liegt es daran, dass der Bericht schärfer und ausgesprochen konkreter geraten ist. Denn nun finden sich - ähnlich wie zum Beispiel im jährlichen Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International zur Lage der Menschenrechte weltweit - 30 "Länderkapitel". Einzelne Ausführungen zu 30 Ländern, in denen Entwicklungen in den Jahren 2018 und 2019 "von besonderem Interesse waren". Länder von Afghanistan bis Vietnam, aber auch Ägypten, Brasilien, Kenia, Malaysia und Saudi-Arabien. Alles Länder, die sich gewiss nicht allzu gerne in einem solchen offiziellen Regierungsdokument sehen. Nicht wenige von ihnen haben wirtschaftliche Beziehungen zu Deutschland oder sind außenpolitische Partner.

Auch Gespräche mit Radikalen suchen

Das wird deutlich, wenn sich Grübel zu seiner Funktion und zur Rolle des Berichts äußert. Es gehe darum, anzuklagen, Solidarität aufzuzeigen, immer wieder das Gespräch zu suchen. Auf Auslandsreisen versuche er immer, auch "Gespräche mit radikalen Gruppen hinzubekommen". Sie seien "Teil des Problems und damit Teil der Lösung". Aber mit Blick auf die Forderung nach Sanktionen ist er dann doch zurückhaltend. Sie seien "das äußerste und letzte Mittel". Wenn man schaue, wo überall in der Welt Religionsfreiheit oder andere Menschenrechte verletzt würden, "dann könnten wir fast mit keinem Land der Welt Handel führen."

Jesidische Frauen gedenken Angehöriger, die vom sogenannten "Islamischen Staat" getötet wurdenBild: Getty Images/AFP/T. Kienzle

Grübel hat das Amt als Beauftragter der Bundesregierung im April 2018 angetreten. Die große Koalition einigte sich nach der Bundestagswahl 2017 auf einen solchen Posten. Seitdem ist der 61-jährige Württemberger, der ans Entwicklungsministerium angebunden ist und dort sein Büro hat, in diese Aufgabe mit Engagement hineingewachsen. Immer wieder reist er, ohne dass das große Öffentlichkeit findet, gerade in Länder, in denen Religionsfreiheit verletzt werden. Er war in Asien, in Afrika und mehrere Male im Nordirak.

Ort des übergreifenden Dialogs

Es passt, dass Olivia Elias die Präsentation des Berichts begleitet. Die jesidische Aktivistin und Menschenrechtlerin lebt seit vier Jahren in Deutschland. Nach wie vor sei die Situation in ihrer Heimat "dramatisch", sagt sie. Bis heute gebe es gerade gegen Jesidinnen und Jesiden schlimmste Gewalt. Und doch nennt sie ein positives Beispiel: Einen Ort, den Grübel bereits mehrfach besuchte und auf den er fast beispielhaft setzt. In der Stadt Baschiqa bei Mossul gebe es sehr gute Beziehungen zwischen Jesiden, Muslimen, Christen. Der Imam und die jesidischen sowie christlichen Priester seien im Dialog und äußerten sich gemeinsam zu wichtigen Themen. Ein Beispiel, das Grübel immer wieder anführt und das ihn ermuntert, Dialoge weiterzuführen.

Ähnlich äußerte sich bei der Vorstellung des Berichts der katholische Erzbischof Ludwig Schick aus Bamberg, der die Kommission "Weltkirche" der Bischofskonferenz leitet. Es gehe angesichts der Entwicklung darum, "die Religionsfreiheit zu verteidigen". Denn mit ihrem Zurückdrängen habe sich auch die Lage der Menschenrechte und der Frieden in der Welt verschlechtert. "Wenn wir Frieden erreichen wollen, dann brauchen wir die Religionsfreiheit. Religionsfreiheit heißt eben auch Friedenspolitik."

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