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Politik

Gegen Lebensmittelverschwendung

Friedel Taube | Christian Albustin
20. Februar 2019

Jedes Jahr landen in Deutschland tonnenweise Lebensmittel im Müll. Jetzt hat die Bundesregierung ein Konzept dagegen vorgelegt - das aber auf Kritik stößt.

Deutschland Symbolbild Hausmüll
Bild: picture-alliance/dpa/H. Joachim Rech

Hat der Apfel eine braune Stelle, ist das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht oder hat man einfach zu viel gekauft, dann gilt in deutschen Privathaushalten schnell: Tonne auf und weg damit! Jedes Jahr landen in Deutschland pro Kopf 55 Kilogramm Lebensmittel im Müll statt im Magen.

Das ist nicht nur schade - sondern vor allem auch vermeidbar, sagt Julia Klöckner von der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU). Die Ministerin für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz will bis 2030 die Menge der weggeworfenen Lebensmittel halbieren. Ein Konzept dazu hat das Kabinett an diesem Mittwoch verabschiedet. Es richtet sich nicht nur an Endverbraucher - also die Kunden im Supermarkt - , sondern auch an Unternehmen, Organisationen, Politik und Wissenschaft. Denn, das macht die Ministerin klar: Abfälle zu reduzieren sei eine "ökonomische, ökologische und ethische Verpflichtung" für alle.

Überfluss eindämmen

Der wichtigste Aspekt dabei: kleinere Abgabemengen. Und genau hier kommen die Hersteller ins Spiel. Um Überfluss zu vermeiden, sollen unter anderem Prozesse im Einzelhandel verbessert werden - also etwa passendere Bestellmengen, kleinere und häufigere Warenlieferungen, ein Verteilen von Produkten zwischen Filialen oder besondere Preisaktionen. Und auch "intelligente" Verpackungen - also solche, die dem Verbraucher mit technischen Hilfsmitteln anzeigen, ob ein Produkt noch genießbar ist. Das kann zum Beispiel mit einem rot-gelb-grünen Ampelsystem geschehen. Auf diesem Gebiet sollen rund 14 Millionen Euro in die Entwicklung investiert werden.

Denn die Menschen in Deutschland kaufen nicht nur mehr, als sie essen können - sie sind laut Klöckner auch zu schnell dabei, wenn es darum geht, vermeintlich Abgelaufenes zu entsorgen. "Gerade im Alltag müssen wir wieder lernen, unseren eigenen Sinnen zu vertrauen: Schauen, riechen, schmecken - das hilft festzustellen, ob ein Lebensmittel noch genießbar ist", so Klöckner. Dass das Mindesthaltbarkeitsdatum verstrichen ist, hieße in vielen Fällen noch lange nicht, dass ein Produkt entsorgt werden müsse.

Will neue Konzepte statt Wegwerfkultur: Bundesministerin Julia KlöcknerBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

"Konzept ohne den Kunden gemacht"

Doch reicht Klöckners Konzept tatsächlich aus? Kritik kommt unter anderem von Lebensmittelverbänden. Einfach die Hälfte aller frischen Lebensmittel aus dem Sortiment zu nehmen, sei keine Lösung, sagt Christian Böttcher vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels im DW-Interview. "Das würde der Händler nicht wollen - und der Kunde auch nicht", so Böttcher.

Gerade in den vergangenen Jahren lägen frische und verzehrfertige Produkte im Trend. Die Zielvorgabe der Regierung sei daher völlig ohne den Kunden gemacht worden. Auch den Bemühungen des Ministeriums, auf intelligente Verpackungen zu setzen, steht Böttcher skeptisch gegenüber. "Das Mindesthaltbarkeitsdatum wird ohnehin überbewertet, denn die Lebensmittel, die am häufigsten weggeworfen werden, haben gar kein Haltbarkeitsdatum", so Böttcher. Gemeint sind damit Produkte wie zum Beispiel Obst und Gemüse, die nicht industriell verpackt verkauft werden. Zudem sagt Böttcher, dass sich die Verbraucher der Bedeutung des Mindesthaltbarkeitsdatums durchaus bewusst seien. Außerdem: Eine Ampel etwa im Joghurt-Deckel müsse schon zeitlich sehr exakt anzeigen, ob das Lebensmittel noch gut ist. Böttcher: "Ein vager grün-gelber Farbverlauf verunsichert nur."

Mangelnde Wertschätzung von Lebensmitteln?

Auch die Tafeln in Deutschland sind nicht zufrieden mit dem Konzept. Die Vereine sorgen im Alltag dafür, überschüssige Lebensmittel aus dem Einzelhandel zu sammeln und an Bedürftige weiterzugeben. Für Jochen Brühl, Vorsitzender der Tafel Deutschland, hätte schon viel früher etwas zur Eindämmung der Lebensmittelverschwendung passieren müssen. Zudem fehle bei dem Konzept der Bundesregierung ein Zeitplan mit verbindlichen Zwischenzielen. Die ständige Verfügbarkeit von Lebensmitteln, mangelnde Wertschätzung, unzureichende Ernährungsbildung und Irritationen führten Brühl zufolge zu der Menge weggeworfener Lebensmittel.

Viele Lebensmittel landen erst im Einkaufswagen, dann im MüllBild: picture-alliance/dpa

In den Supermärkten gebe es oft ein Überangebot, haltbare Lebensmittel würden aussortiert, weil neue Lebensmittel geliefert werden. Auch Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, sagt: "Lebensmittelverschwendung ist ein Zeichen der geringen Wertschätzung von Lebensmitteln und entwertet die Arbeit der Landwirte." Der Deutsche Bauernverband unterstütze daher den Kampf gegen die Verschwendung von Lebensmitteln.

Damit weniger Lebensmittel erst im Einkaufswagen und danach im Müll landen, hat das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft übrigens zusammen mit dem neuen Konzept gleich ein paar ernst gemeinte Verbrauchertipps herausgegeben. Unter anderem sollen sich Kunden vor dem Gang in den Laden einen Einkaufszettel schreiben, und, ganz wichtig: Niemals solle man hungrig einkaufen gehen, denn das sorge für richtig viele Sinnlos-Käufe.

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