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Billigkonkurrenz aus Mittel und Osteuropa soll verhindert werden

8. September 2010

Ausländische Arbeitnehmer sollten freien Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten. Diese Freizügigkeit war Ziel der europäischen Politik. Doch der Zugang soll Leiharbeitern aus Osteuropa erschwert werden.

Foto Michael Probst, AP
Die Baubranche fürchtet Billigkonkurrenz besondersBild: AP

Eine Arbeitswoche mit 16-Stunden-Tagen, Löhne zwischen 1,50 Euro und 5,40 Euro, weit unter deutschen Tariflöhnen, wenig Urlaub und dreckige Unterkünfte: Das sind häufig die Bedingungen für Leiharbeiter aus Mittel- und Osteuropa in Deutschland. Dafür schlachten sie Schweine im Akkord, kehren Bahnhöfe oder ziehen Mauern hoch. Die Arbeitskräfte selbst beschweren sich selten. Auch nicht die Firmen, die von ihnen profitieren. Es sind die Mitbewerber einer jeden Branche, die einen unfairen Wettbewerb und damit den Verlust von Aufträgen befürchten. Sorgen haben mit dieser Situation auch Gewerkschaften und Politiker, die Menschenrechte mißachtet sehen, wenn Beschäftigte von ihrem Lohn in Deutschland nicht mehr leben können. Sorgen haben vor allem aber deutsche Arbeitnehmer, die wegen der Billigkonkurrenz um ihre Arbeitsplätze fürchten.

Leiharbeiter aus Osteuropa werden oft benachteiligt und sind daher billiger als deutsche ArbeitskräfteBild: picture-alliance/ dpa

So erhalten deutsche Schlachthöfe über Vermittler billige Arbeitskräfte, vorwiegend aus Osteuropa. Die Situation, die daraus entsteht, beschreibt Bernd Maiweg von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten: "Es gibt inzwischen einen ruinösen Wettbewerb. Wenn deutsche Schlachter ein Schwein zerlegen, dann geschieht dies für 2,50 Euro. Mitarbeiter osteuropäischer Leihfirmen erledigen dies einen ganzen Euro billiger. Das bringt in der Masse Vorteile im Cent-Bereich, die für die Einkäufer von Discountern aber entscheidend sein können. Als Konsequenz wurden hunderte deutscher Mitarbeiter entlassen, weil sie zu teuer waren."

Es sind aber nicht nur Schlachthöfe, die solche Machenschaften praktizieren. Auch die Deutsche Bahn musste einräumen, dass im Zuge eines straffen Finanzmanagements Billiglöhner aus Osteuropa eingesetzt wurden, um Schnee aus Bahnhofsbereichen zu schippen oder beim Gleisbau zu helfen - zu Dumpinglöhnen. Dies sei oft über Subunternehmen ohne Wissen der Bahn geschehen, hieß es dazu aus dem DB Vorstand. Das sei ja kein Wunder, denn Aufträge würden in der Regel an den billigsten Anbieter einer Dienstleistung vergeben, entgegnet die Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr (ÖTV).

2011 ist Schluss !

Großrazzia gegen illegal Beschäftigte auf BaustellenBild: dpa

Um Billig-Arbeiter vom heimischen Arbeitsmarkt fern zu halten, setzten sich deutsche Politiker in einer großen Koalition dafür ein, die eigentlich in der Europäischen Union garantierte Freizügigkeit für Arbeitnehmer für das Gebiet der Bundesrepublik einzuschränken. Diese Maßnahme war lediglich den Altmitgliedern der EU gestattet und musste von der EU-Kommission genehmigt werden. Deutschland erhielt eine solche Genehmigung, weil dem europäischen Arbeitskommissar Vladimir Spidla eine drohende Störung des deutschen Arbeitsmarktes angezeigt werden konnte. Um den Zugang zum Arbeitsmarkt schließlich zu beschränken, erfand man befristete Aufenthaltsgenehmigungen, Verdienstgrenzen und bestimmte Eigenschaften als unabhängige Unternehmer.

Auch 15 weitere EU Staaten beschränkten die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürgerinnen und Bürger aus den mittel- und südosteuropäischen Staaten wie Polen, Ungarn, Bulgarien und Rumänien, die in den Jahren 2004 und 2007 der EU beitraten. Immer wieder wurden die Genehmigungen für die Ausgrenzungen verlängert. Ab Mai 2011 sind derartige Einschränkungen allerdings nicht mehr möglich.

Zahl der ausländischen Leiharbeiter nimmt wieder zuBild: picture alliance/dpa


Mindestlöhne sind gefordert

Nicht nur das Ende der Arbeitsmarktbeschränkungen fördert in Deutschland die Erkenntnis, dass es künftig nicht mehr vorrangig um die Abschottung gegen unerwünschte Niedriglöhner gehen kann. Vielmehr geht es um die bewusste Auswahl von Zuwanderern. Entsprechende Gesetze wurden geändert oder nachgebessert. Dazu zählt die so genannte Dienstleistungsrichtlinie sowie das Entsendegesetz.

Im Wesentlichen sollen danach die Arbeitsbedingungen des Landes gelten, in das ausländische Dienstleister ihre Mitarbeiter entsenden. Also müssten für Leiharbeiter aus Polen oder Rumänien die tariflich festgelegten Mindestlöhne für Deutschland gezahlt werden. Mindestlöhne gibt es zum Beispiel für die Bauindustrie, für viele andere Branchen aber eben nicht.

"Hier muss dringend nachgebessert werden", fordert die Europaabgeordnete Evelyn Gebhardt (SPD). "Ansonsten können wir keine akzeptablen Standards einfordern." Gewerkschafter Bernd Maiweg berichtet allerdings von der schon heute angewendeten Praxis, selbst die Mindestlöhne über Werkverträge auszuhebeln. "Da beauftragt der deutsche Schlachter zum Beispiel einen preisgünstigeren osteuropäischen Betrieb, mit 30 bis 40 Leiharbeitern eine bestimmte Anzahl von Schweinen schlachten zu lassen. Für einen Fixpreis. Wie der osteuropäische Betrieb mit seinen Angestellten umgeht, ist dann seine Sache", erläutert Maiweg das Verfahren.

Entsendegesetz vor Änderung

Bundesarbeitsministerin Ursula von der LeyenBild: picture-alliance/dpa

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will Lohndumping in der Zeitarbeitsbranche durch Billigarbeiter aus Mittel- und Osteuropa auf jeden Fall verhindern. Die endgültige Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für ausländische Leiharbeiter dürfe nach dem Mai 2011 nicht zu einem Import ausländischer Tarifverträge führen. Schon jetzt würden polnische Zeitarbeitsunternehmen prüfen, ob und wie sie mit sehr niedrigen Tarifverträgen in Deutschland einsteigen können. Für diesen Fall habe man einen fertigen Gesetzesentwurf in der Schublade, berichtet die Ministerin der Deutschen Presseagentur (dpa).

Auf Nachfrage hieß es beim Bundesarbeitsministerium, dass daran gedacht werde, das Entsendegesetz nochmals zu ändern. Darin soll dann auch die Zeitarbeitsbranche aufgenommen werden, um ihr Mindestlöhne vorzuschreiben. Zur Zeit scheitert dieser Plan allerdings an der Verweigerung des Koalitionspartners FDP. Einen Hoffnungsschimmer allerdings gibt es. Die Partner, die in Deutschland einen Tarifvertrag aushandeln, nämlich Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, liegen mit ihren jeweiligen generellen Vorstellungen zu Mindestlöhnen gar nicht mehr so weit auseinander.

Mit all diesen Auseinandersetzungen haben Länder wie Großbritannien und Irland wenig zu tun. Irland öffnete seinen Arbeitsmarkt von Anfang an für Osteuropäer. Innerhalb von drei Jahren meldeten sich über 200.000 Polen mit einer Steuernummer an. In Großbritannien waren es immerhin rund 300.000 Arbeitnehmer aus Mittel und Osteuropa.

Auor: Wolfgang Dick
Redaktion: Hartmut Lüning