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Bundestag stimmt für eine Billion Euro neue Schulden

18. März 2025

Deutschland will viele hundert Milliarden Euro zusätzlich in Landesverteidigung und die Infrastruktur stecken. Der Bundestag gab in seiner Abstimmung dafür grünes Licht. Das bedeuten die Grundgesetzänderungen konkret.

Deutschland | Friedrich Merz bei der Abstimmung zur Änderung des Grundgesetztes bzg. Schuldenbremse
Will Bundeskanzler werden: CDU-Chef Friedrich Merz bei der Stimmabgabe im BundestagBild: Pool/REUTERS

Das hat es in der Geschichte des Deutschen Bundestags noch nie gegeben: Mit Zweidrittel-Mehrheit stimmte das Parlament für drei Änderungen im Grundgesetz, die eine nie gekannte Schuldenaufnahme möglich machen sollen. Fast eine Billion Euro sollen in den nächsten Jahren in den militärischen Bereich, die zivile Infrastruktur und den Klimaschutz gesteckt werden. Außerdem sollen die 16 Bundesländer zukünftig in begrenztem Rahmen Schulden machen dürfen.  

Der Gesetzentwurf stammt von CDU/CSU und SPD, die nach der Bundestagswahl eine neue Bundesregierung bilden wollen. Die Grünen stimmten zu, nachdem die für den Klimaschutz vorgesehenen Mittel deutlich erhöht wurden. Nun muss der Bundesrat, das Parlament der Bundesländer, noch zustimmen. Die Sitzung ist für Freitag (21.03.) geplant. 

Friedrich Merz und Lars Klingbeil werben im Bundestag

Der voraussichtlich nächste Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) verteidigte die geplanten Milliardenschulden mit Verweis auf die Sicherheit Deutschlands, Europas und der Nato. "Es ist ein Krieg auch gegen unser Land, der täglich stattfindet", sagte er mit Blick auf Russland. Der CDU-Chef kündigte Sparmaßnahmen im regulären Haushalt und einen Rückbau der Bürokratie an.  

SPD-Fraktions- und Parteichef Lars Klingbeil sprach von "einem positiven Aufbruch für Deutschland und Europa". Deutschland sollte bereit sein, Führungsverantwortung zu übernehmen, um Frieden in Europa aufrechtzuerhalten, sagt er mit Blick auf den russischen Überfall auf die Ukraine.

SPD-Fraktions- und Parteichef Lars KlingbeilBild: Frederic Kern/Geisler-Fotopress/picture alliance

Die Investitionen in die Infrastruktur brächten Vorteile für Bürgerinnen und Bürger. "Dieses Paket wird die Mehrheit der Menschen in ihrem Alltag entlasten." Auch er pochte auf Reformen. Geld allein könne die Herausforderungen, vor denen das Land stehe, nicht lösen. "Wir müssen überall effizienter, zielgenauer und professioneller werden." 

Was bedeuten die Grundgesetzänderungen im Einzelnen?

Lockerung der Schuldenbremse 

Das Grundgesetz schreibt vor, dass der Staat nur so viel Geld ausgeben darf, wie er auch einnimmt. Während die Schuldenbremse für die 16 Bundesländer strikt gilt, hat der Bund die Möglichkeit, dennoch in einem bestimmten Rahmen Kredite aufnehmen zu dürfen - bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), also der jährlichen Wirtschaftsleistung. 

Deutschlands Schuldenbremse: Ein Balanceakt

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1. "Whatever it takes" für Militärausgaben

Für Ausgaben, die für die Verteidigung des Landes nötig sind, wird die Schuldenbremse praktisch ausgehebelt. In der jetzt angenommenen Beschlussvorlage für den Bundestag hieß es, dass Mittel für die Bundeswehr, aber auch "Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für die Nachrichtendienste, für den Schutz der informationstechnischen Systeme und für die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten" zukünftig auch über Kredite finanziert werden dürfen. Darunter fällt auch die Militärhilfe an die Ukraine, die für 2025 mit vier Milliarden Euro geplant ist und zu der demnächst weitere drei Milliarden Euro hinzukommen werden.

Die Neuregelung gilt für alle Kosten, die ein Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) übersteigen. Wenn man sich an der 2024 erzielten Wirtschaftsleistung orientiert, entspricht ein Prozent des BIP rund 43 Milliarden Euro. Alles, was darüber nötig ist, soll künftig keiner Kredit-Deckelung mehr unterliegen. Der CDU-Chef und voraussichtlich künftige deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz umschrieb die Bedeutung dieser Regelung mit den Worten: "Whatever it takes!" - Was auch immer nötig ist.

Die Bundeswehr - hier Panzer vom Typ Leopard - braucht dringend AufwuchsBild: Philipp Schulze/dpa/picture alliance

2. Kredite für die Bundesländer

Das strikte Verschuldungsverbot für die Länder soll gelockert und an den Bund angepasst werden. Alle Länder zusammen dürfen dann neue Schulden in Höhe von bis zu 0,35 Prozent des BIP machen. Die Aufteilung der jeweiligen Summen soll ein Bundesgesetz regeln, das noch ausgearbeitet werden muss. 

Sondervermögen für die Infrastruktur 

Deutschland hat große Probleme mit seiner Infrastruktur. Straßen, Brücken und Schienenwege sind über Jahrzehnte verschlissen worden, ohne sich um den Erhalt zu kümmern. Modernisierungsbedarf gibt es auch bei der Energie- und Wasserversorgung, der Telekommunikation, bei Schulen, Universitäten und Krankenhäusern. Die Digitalisierung des Landes hinkt hinterher. Der Um- und Ausbau der klimaneutralen Energieinfrastruktur ist noch lange nicht abgeschlossen. 

Damit die Bahn wieder zuverlässig und pünktlich wird, muss gebaut werden - so wie hier 2024 in der Nähe von Frankfurt am MainBild: Andreas Arnold/dpa/picture alliance

1. Grundgesetzänderung für Investitionen 

Das Grundgesetz bekommt mit Artikel 143h einen Zusatz, in dem festgelegt wird, dass in den kommen zwölf Jahren 500 Milliarden Euro Schulden für Investitionen in die Infrastruktur aufgenommen werden dürfen. Der Betrag wird aufgeteilt: 100 Milliarden Euro sollen die Bundesländer für ihre Infrastruktur verwenden, 300 Milliarden hat der Bund zur Verfügung. Die verbleibenden 100 Milliarden Euro sind für den Klimaschutz vorgesehen. Im Gesetzentwurf ist von "zusätzlichen Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045" die Rede.

2. Gebot der Zusätzlichkeit

Das Geld soll zusätzlich zu den ohnehin geplanten Investitionen fließen. Um das sicherzustellen, wird vorausgesetzt, dass im normalen Bundeshaushalt künftig mindestens zehn Prozent des Gesamtetats für Investitionen eingeplant werden müssen. Orientiert am Haushalt 2024 wären das rund 47 Milliarden Euro gewesen. Nur Bedarfe, die darüber hinaus gehen, dürfen aus dem kreditfinanzierten Sondertopf kommen.

Das Schuldenpaket hat Kritiker

Die FDP, das Bündnis Sahra Wagenknecht, aber auch die in Teilen rechtsextreme AfD und die Linkspartei sind aus unterschiedlichen Gründen gegen das Schuldenpaket. Die FDP und das BSW haben bei der Bundestagswahl den Wiedereinzug ins Parlament verpasst. AfD und Linke werden im neuen Bundestag zusammen mehr als ein Drittel der Mandate haben. Damit können sie Grundgesetzänderungen blockieren. 

Deutscher Bundestag: Eine letzte Abstimmung in der "alten" BesetzungBild: Ebrahim Noroozi/ASSOCIATED PRESS/picture alliance

1. Abstimmung im "alten" Bundestag

Union und SPD brachten ihren Gesetzentwurf im noch amtierenden "alten" Bundestag ein, wo sie mit den Grünen noch mehr als zwei Drittel der Mandate haben. Erst am 25. März tritt der neu gewählte Bundestag zusammen. AfD, FDP, BSW und Linkspartei hatten versucht, die Abstimmung im alten Bundestag zu verhindern, sind vor dem Bundesverfassungsgericht mit ihren Klagen aber gescheitert.

Der AfD-Fraktions- und Parteivorsitzende Tino Chrupalla übte im Bundestag noch einmal Kritik. Man nutze die alten Mehrheiten, weil man im neuen Bundestag keine 2/3-Mehrheit habe. Die Staatsverschuldung werde "in den Himmel getrieben". Die Wähler fühlten sich von Merz betrogen, dem es nur darum gehe, Kanzler zu werden.  

Auch der Vorsitzende der Gruppe Die Linke, Sören Pellmann, kritisierte die Nutzung von "Mehrheiten eines vergangenen Bundestages" und ein "Schuldenmachen für das Militär auf Kosten der arbeitenden Menschen". Von einem "gefährlichen Weg" in eine "beispiellose Hochrüstung" sprach die Vorsitzende der Gruppe BSW, Sahra Wagenknecht. 

Sören Pellmann (Die Linke) im Bundestag - links neben ihm die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht Bild: picture alliance/dpa

Christian Dürr von der FDP sprach davon, dass Kernaufgaben des Staates künftig mit Schulden bezahlt würden. Die Grundgesetzänderungen insgesamt bezeichnete Dürr als "historischen Fehler" und "Startschuss für hemmungslose Schuldenmacherei". 

2. Finanzielle Folgen des Schuldenpakets

Ökonomen warnen vor gravierenden Folgen auf den Finanzmärkten, sollte Deutschland fast eine Billion Euro neue Schulden machen. Lars Feld, Professor am Freiburger Walter-Eucken-Institut, geht davon aus, dass sich die deutsche Staatsverschuldung von aktuell rund 62 Prozent auf 90 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung in zehn Jahren erhöhen wird. Dies hätte zusätzliche Zinsausgaben zwischen 250 und 400 Milliarden Euro zur Folge, je nach der Entwicklung des Zinssatzes für Staatsanleihen, sagte Feld in einer Anhörung des Haushaltsauschusses im Bundestag. Die internationalen Anleihenmärkte seien schon nervös geworden.

Veronika Grimm, Professorin an der Technischen Universität Nürnberg, sieht eine "Herausforderung für die Stabilität in Europa", wie sie ebenfalls im Haushaltsausschuss sagte. Wenn die Zinsen für deutsche Staatsanleihen stiegen, dann lasse das die Zinsen für bereits hoch verschuldete Länder wie Italien und Spanien in Bereiche steigen, die für diese Länder kaum noch zu bedienen seien. Grimm warnte, dadurch werde die "Vulnerabilität in der Eurozone" wieder steigen.

Der Artikel wurde am 16. März erstmals veröffentlicht und am 18. März aktualisiert.

Wann bekommt Deutschland einen neuen Bundeskanzler?

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