Bundestag: Debatte über Corona-Impfpflicht
26. Januar 2022In der deutschen Gesellschaft und unter Wissenschaftlern und Experten wird schon seit längerem diskutiert, und auch viele Abgeordnete haben sich schon zu dem Thema geäußert. Jetzt aber gibt es die erste ausführliche Plenardebatte zur Corona-Impfpflicht. Gegner und Befürworter dürften dabei für ihren jeweiligen Weg werben.
Die Befürworter sehen die Impfpflicht als eine nötige Maßnahme, um im Kampf gegen das Coronavirus die Impfquote deutlich zu erhöhen und damit die Pandemie in den Griff zu bekommen. Die Gegner bezweifeln die Notwendigkeit einer solchen Pflicht und verweisen darauf, dass führende Politiker aller Parteien bis vor kurzem unisono erklärt hätten, es werde keine Impfpflicht geben.
Konkreter Gesetzentwurf fehlt noch
Es handelt sich an diesem Mittwoch um eine sogenannte "Orientierungsdebatte". Das bedeutet, ihr liegt noch kein konkreter Gesetzentwurf zugrunde. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will in der Debatte das Wort ergreifen, allerdings als SPD-Abgeordneter, nicht in seiner Funktion als Minister. Kanzler Olaf Scholz ist dagegen nicht als Redner angemeldet.
SPD, Grüne und FDP haben vereinbart, dass die Abgeordneten in freier Abstimmung ohne übliche Fraktionsvorgaben beraten und entscheiden sollen. Kanzler Scholz begründet die offene Debatte auch damit, dass dies einen befriedenden Konsens ermöglichen soll. Offenkundig gibt es in der Ampel-Koalition aber auch keine gemeinsame Linie dazu. Die oppositionelle Union kritisiert, das sei "mangelnde Führung" und verlangt einen Gesetzentwurf der Regierung. Scholz und Lauterbach haben sich als Abgeordnete klar für eine allgemeine Impfpflicht für Menschen ab 18 Jahren ausgesprochen.
Bisher drei verschiedene Ansätze
Im Wesentlichen gibt es bisher drei Ansätze für eine allgemeine Impfpflicht: Ein Entwurf für eine Pflicht ab 18 Jahren, die sich auch Scholz vorstellt, wird gerade von Parlamentariern aller drei Ampel-Fraktionen vorbereitet. Eine Gruppe um den FDP-Abgeordneten Andrew Ullmann konkretisierte einen Vorstoß für einen "Mittelweg": Mit einem verpflichtenden, professionellen und persönlichen Beratungsgespräch für alle volljährigen Ungeimpften. Und wenn nach gewisser Zeit die nötige Impfquote nicht erreicht wird, soll es eine Pflicht zum Nachweis einer Impfung ab 50 Jahren geben. Eine Gruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki will eine Impfpflicht dagegen generell verhindern.
Nach aktuellem Stand wären viele Bundesbürger von einer solchen Impfpflicht nicht berührt: Mindestens 42,2 Millionen Menschen oder 50,8 Prozent aller Einwohner sind bereits "geboostert"; sie haben meist drei Spritzen bekommen und damit alle derzeit empfohlenen Corona-Impfungen. Unter den 69,4 Millionen Erwachsenen in Deutschland sind aber laut Robert Koch-Institut noch 15 Prozent gar nicht geimpft.
Welche Auswirkungen hätte das auf die Wirtschaft?
Wirtschaftsverbände mahnten für den Fall der Einführung einer Pflicht Praxistauglichkeit an. Eine Impfpflicht müsse "verhältnismäßig, nachvollziehbar und praktikabel" sein, sagten Industriepräsident Siegfried Russwurm und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, glaubt an positive Folgen einer Impfpflicht für die Wirtschaft. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte er, die Pflicht erspare es bestimmten Branchen, dass manche Beschwernisse der Pandemie erneut wiederkehren würden.
Geprägt sein dürfte die Debatte auch von den weiter sehr hohen Infektionszahlen. Das Robert Koch-Institut gibt aktuell an, dass innerhalb von 24 Stunden rund 164.000 Menschen registriert wurden, die sich neu mit dem Coronavirus infiziert haben. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland liegt jetzt bei rund 940.
WHO: Corona-Welle verliert etwas an Schwung
Unterdessen hat die Weltgesundheitsorganisation darauf hingewiesen, dass die aktuelle Corona-Welle weltweit offenbar an Schwung verliert. Zuletzt sei die Zahl der neu erfassten Infektionsfälle um fünf Prozent gestiegen - gegenüber 20 Prozent Wachstum in der Vorwoche. Die Zahl der wöchentlichen Todesfälle blieb mit 50.000 aber in etwa gleich.
Insgesamt schätzt die WHO das Risiko durch die hochansteckende Omikron-Variante des Coronavirus nach wie als "sehr hoch" ein. In den vergangenen sieben Tagen seien weltweit mehr als 21 Millionen Neuinfektionen registriert worden, das sei die höchste Anzahl an wöchentlich erfassten Fällen seit Beginn der Pandemie.
bru/sti (dpa, rtr)