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Politik

Bundestag beschließt "Corona-Notbremse"

21. April 2021

Im Kampf gegen steigende Corona-Infektionszahlen sollen in Deutschland künftig einheitliche Maßnahmen greifen. Ein umstrittenes Instrument: nächtliche Ausgangsbeschränkungen.

Deutschand Debatte über das Infektionsschutzgesetz im Bundestag
Bild: Axel Schmidt/Reuters

Der Bundestag hat eine "Bundes-Notbremse" gegen die dritte Corona-Welle beschlossen. 342 Abgeordnete stimmten in einer namentlichen Abstimmung dafür, 250 dagegen und 64 enthielten sich der Stimme. Der Bund erhält dadurch die Befugnis, deutschlandweite Maßnahmen anzuordnen. Bislang hatten die 16 Bundesländer eigenverantwortlich unterschiedliche Akzente gesetzt. 

Mit der entsprechenden Änderung des Infektionsschutzgesetzes rücken Ausgangsbeschränkungen ab 22 Uhr und weitere Schritte zur Vermeidung von Kontakten näher. Die Vorschriften könnten frühestens ab Samstag greifen. Bevor das geschehen kann, müssen sie am Donnerstag noch den Bundesrat passieren. Zudem muss Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetz unterzeichnen. Es ist bis 30. Juni befristet.

Hitzige Wortgefechte

Die Debatte im Bundestag war gekennzeichnet von hitzigen Wortgefechten zwischen Vertretern von Regierung und Opposition. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus wies vehement die Darstellung zurück, mit den Änderungen im Infektionsschutzgesetz werde die Demokratie abgeschafft. Mit den Worten: "Stimmen Sie für das Leben", warb der CDU-Politiker für die Vorlage.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, man habe beachtliche Testkapazitäten aufgebaut. Und auch die Impfkampagne habe sich enorm beschleunigt. Jeder fünfte Deutsche sei inzwischen geimpft.  

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mahnte, die Lage in Deutschland sei unverändert ernst. Man brauche jetzt Klarheit und Konsequenz, so der Vizekanzler. Es gehe darum, die Pandemie zu überwinden.

Opposition lehnt das Gesetz ab 

Der Vorsitzende der AfD-Fraktion, Alexander Gauland, sprach von einer Einschränkung der Freiheitsrechte. Die angestrebten Maßnahmen bedeuteten einen Kollateralschaden für die Bevölkerung. Die Freien Demokraten drohten mit einer Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe. Den Grünen reichen die Maßnahmen für eine Trendumkehr nicht aus. Auch die Linke lehnte die Vorlage ab. 

Generell beklagten Redner der Opposition, die im Gesetzestext genannten Grenzwerte für schärfere Maßnahmen basierten nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. 

Mehrere tausend Demonstranten protestieren während der Debatte im Parlament gegen die Corona-Maßnahmen Bild: Christian Mang/REUTERS

Ausgangssperre, kaum private Kontakte

Gezogen werden soll die "Bundes-Notbremse", wenn in einem Landkreis oder einer Stadt die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen (Sieben-Tage-Inzidenz) an drei Tagen hintereinander über 100 liegt.

Ausgangsbeschränkungen sollen dann von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr gelten. In dieser Zeit ist es dann nicht mehr gestattet, die Wohnung oder sein Grundstück zu verlassen - Ausnahmen gelten für Notfälle, die Berufsausübung, Pflege und Betreuung, die Versorgung von Tieren oder andere gewichtige Gründe. Joggen und Spaziergänge sind bis Mitternacht erlaubt, allerdings nur alleine.

Was private Kontakte angeht, darf sich höchstens ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen. Kinder bis 14 Jahre zählen nicht mit. Für Zusammenkünfte von Ehe- und Lebenspartnern oder zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts gilt die Beschränkung nicht. Zu Trauerfeiern sollen bis zu 30 Menschen zusammenkommen dürfen.

Beim Einkauf jenseits des Lebensmittel-, Drogerie-, Buch- und Blumenhandels gilt künftig: Geschäfte dürfen Kunden nur hineinlassen, wenn sie einen negativen Corona-Test vorlegen und einen Termin gebucht haben. Steigt der Wert über 150, wäre nur noch das Abholen bestellter Waren (Click & Collect) erlaubt.

Auch der Schulunterricht wird neu geregelt. Liegt die Sieben-Tage-Inzidenz drei Tage hintereinander über 165, wird ab dem übernächsten Tag der Präsenzunterricht verboten. Ausnahmen für Abschlussklassen und Förderschulen sind möglich.

Polizei löst Demonstration auf 

In Berlin versammelten sich nach Angaben der Behörden mehr als 8000 Gegner der Corona-Politik der Bundesregierung. Da viele der Demonstranten keinen Mund-Nasen-Schutz trugen und sich nicht an das Abstandsgebot hielten, forderten die Sicherheitskräfte die Teilnehmer später auf, die Proteste zu beenden. Anschließend begann die Polizei damit, die Demonstration aufzulösen.

Die Polizei ist mit einem Großaufgebot im Einsatz. Das Reichstagsgebäude sowie das Brandenburger Tor wurden weiträumig abgesperrt.Schon im Vorfeld war die Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes kontrovers diskutiert worden. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte, das Gesetz könne vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, was verheerende Auswirkungen für den Rückhalt in der Bevölkerung hätte. Immer wieder kam die Forderung, die notwendigen bundesweiten Maßnahmen nicht allein auf den Inzidenzwert zu stützen. Man müsse auch die Impfrate und die Auslastung der Krankenhäuser im Infektionsschutzgesetz berücksichtigen.

Gegner der Corona-Politik der Bundesregierung vor dem BundestagBild: Sean Gallup/Getty Images

uh/se/gri (phoenix, ntv, dpa, afp)

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