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Politik

Neues Infektionsschutzgesetz beschlossen

18. November 2020

Im Bundestag stimmte eine Mehrheit von 413 Abgeordneten für die Reform, um die Corona-Maßnahmen auf eine neue rechtliche Grundlage zu stellen. Zeitgleich protestierten Tausende Gegner der Corona-Politik in Berlin.

Deutschland Bundestag Änderung des Infektionsschutzgesetzes
Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Der Bundestag hat nach einer hitzigen Debatte Änderungen am Infektionsschutzgesetz verabschiedet. Für die Vorlage der großen Koalition stimmten 413 Abgeordnete, 235 votierten dagegen, acht enthielten sich, wie Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble mitteilte.

Die Fraktionen von Union, SPD und Grünen hatten zuvor ihre Zustimmung angekündigt, FDP, Linkspartei und AfD wollten dagegen stimmen. Ein Antrag der AfD, den Gesetzentwurf an die Ausschüsse zurückzuverweisen, war vor der Abstimmung mit breiter Mehrheit abgelehnt worden.

Auch die zweite Hürde ist genommen

Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat die Reform des Infektionsschutzgesetzes passieren lassen, um die Corona-Maßnahmen künftig auf eine genauere rechtliche Grundlage zu stellen. Das Gesetz kann nun in Kraft treten, nachdem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ausfertigung unterzeichnet hat.

In einem neuen Paragrafen 28a legt der Bund unter anderem fest, in welchen Bereichen die für die Umsetzung zuständigen Länder Corona-Einschränkungen verhängen dürfen. Das sind etwa Kontaktbeschränkungen, Abstandsgebote, eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum oder auch die Schließung von Geschäften oder die Absage von Veranstaltungen - also Vorgaben, die in der Corona-Pandemie bereits gemacht wurden.

Der Passus soll jedoch Rechtssicherheit schaffen, weil einige Oberverwaltungsgerichte - und auch Bundestagsabgeordnete - gefordert hatten, dass der Bund in Grundrechte eingreifende Maßnahmen gesetzlich verankern müsse.

Der Gesetzentwurf dient auch der Vorbereitung von Impfprogrammen und enthält neue Vorschriften für Reisen. Um zusätzliche Rechtssicherheit zu schaffen, wird zudem eine Definition der epidemischen Lage von nationaler Tragweite aufgenommen.

Wasserwerfer bei der Anti-Corona-Demo in BerlinBild: Christian Mang/REUTERS

Gegner der Corona-Politik von Bund und Ländern hatten zu Protesten gegen die Novelle aufgerufen. Einige tausend Menschen versammelten sich schon vor der Bundestagssitzung im Berliner Regierungsviertel, um gegen die Corona-Einschränkungen zu demonstrieren. 

Mehrere angemeldete Demonstrationen direkt vor dem Reichstagsgebäude im sogenannten befriedeten Bezirk verbot das Bundesinnenministerium. Die Polizei sperrte den Bereich daher weiträumig ab. Die DW-Reporterin Michaela Küfner twitterte, die Behörden stellten sich auf eine "Mammutaufgabe" ein.

Am Mittag teilte die Polizei mit, dass die Demonstration vor dem Brandenburger Tor aufgelöst werde. Vorausgegangen waren eine Reihe von Verstößen gegen die Maskenpflicht. Es kam zu mehreren Festnahmen - auch wegen Angriffen auf Polizeibeamte.

Die Auflösung der Proteste zog sich bis in den späten Nachmittag. Die Polizei setzte mehrmals Wasserwerfer ein, weil die Menschen sich trotz Aufforderungen weigerten, den Platz zu verlassen. Es sei jedoch kein direkter Strahl eingesetzt worden, weil sich unter den Demonstranten auch Kinder befanden, sagte Polizeisprecher Thilo Cablitz im RBB. Die Sicherheitskräfte nahmen nach eigenen Angaben 365 Menschen vorübergehend in Gewahrsam.

Kanzlerin Angela Merkel spricht mit Gesundheitsminister Jens Spahn - ihr Vorgehen in der Pandemie findet nicht nur Zustimmung Bild: Markus Schreiber/REUTERS

"Zu starke Eingriffe in die Grundrechte"

Kritik am neuen Infektionsschutzgesetz kommt auch von Opposition, Wirtschaftsverbänden und Juristen. Sie sehen zu starke Eingriffe in die Grundrechte und fordern mehr Mitsprache der Parlamente bei den Corona-Maßnahmen. Der Gesetzentwurf der Regierung schreibe die Konzentration der Entscheidungsmacht im Hause von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) fort, sagte etwa die Linke-Vorsitzende Katja Kipping vor der Abstimmung. Auch die liberale FDP lehnte die Reform ab. "Für uns ist der Handlungsspielraum der Regierung beim Eingriff in Grundrechte unverändert zu groß", betonte der Fraktionschef der Freien Demokraten, Christian Lindner. Über die Rolle des Parlaments bei den Eingriffen in die Grundrechte war in den vergangenen Wochen intensiv debattiert worden.

Restaurants und Bars sind im November wegen des Teil-Lockdowns in Deutschland geschlossen Bild: Kai Pfaffenbach/REUTERS

In Deutschland haben die Gesundheitsämter unterdessen dem Robert Koch-Institut (RKI) 17.561 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden gemeldet. Das sind knapp 1000 Fälle weniger als vor einer Woche, als die Zahl gemeldeter Neuinfektionen bei 18.487 gelegen. Auch am Montag und Dienstag war der entsprechende Wert jeweils niedriger als der Vorwochenwert. Der Höchststand war am Freitag mit 23.542 gemeldeten Fällen erreicht worden. Das RKI zählt seit Beginn der Pandemie insgesamt 833. 307 nachgewiesene Infektionen mit SARS-CoV-2 in Deutschland. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg bis Mittwoch um 305 auf insgesamt 13.119. Das RKI schätzt, dass rund 546.500 Menschen inzwischen genesen sind.

Im Vorfeld der Änderungen verglichen zudem Corona-Leugner das Infektionsschutzgesetz mit dem sogenannten Ermächtigungsgesetz der Nazis von 1933. Vertreter der etablierten Parteien wiesen dies scharf zurück. Damals hatte sich der Reichstag selbst entmachtet und die Gesetzgebung auf Reichskanzler Adolf Hitler übertragen.

Bundesaußenminister Heiko Maas twitterte: Egal ob man die Corona-Maßnahmen für richtig halte oder nicht, Vergleiche mit dem Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten seien unangemessen und verhöhnten die Opfer.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil schrieb:  "Ermächtigungsgesetz? Leute, das ist nicht euer Ernst!!!" CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sprach von einer böswilligen Lüge, wenn von den Kritikern von einem "Ermächtigungsgesetz" gesprochen werde. Es gehe nicht darum, die Rechte des Parlamentes aufzuhebeln, sondern zu stärken. Auch Vorwürfe, es gebe keine zeitliche Befristung, seien falsch - ausdrücklich seien Befristungsregelungen in das Gesetz eingearbeitet worden. Auch eine Impfpflicht sei nicht geplant.

Viele Abgeordnete wurden vor der Abstimmung mit einer Flut kritischer Spam-E-Mails gegen das Infektionsschutzgesetz überschwemmt. Allein sein Büro habe fast 40.000 solcher Mails erhalten, berichtete Dobrindt. Die überwiegende Mehrzahl habe identische Textstellen. Vertreter der Grünen berichteten Ähnliches.

mir/se/qu (dpa, afp, ard, phoenix)

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