Bundestag debattiert Blutspende-Regeln
27. Mai 2020Bei einer Blutspendestelle in Köln stapeln sich die Beutel, die gefüllt werden sollen. Jeder Spender muss vor der Blutentnahme einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen. Dazu gehören nicht nur Angaben zu ihrer Gesundheit - sondern auch zum Lebenswandel. Es gibt etwa Fragen zu Tattoos und auch zum Sexualverhalten.
Danach muss man nur noch Blutdruck messen, es gibt einen Pieks in den Arm - und sieben Minuten später ist der Spender um 500 Milliliter leichter und hat somit seinen Beitrag zu den benötigten 15.000 Spenden pro Tag geleistet.
Derzeit gehen Blutspendediensten mancherorts die Vorräte aus. "Corona hat das Blutspendewesen sehr deutlich durchgerüttelt," sagte Stephan Küpper vom Blutspendedienst West des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) der Deutschen Presse-Agentur.
Wochenlang hat die COVID-19 Pandemie dazu geführt, dass nicht notwendige Behandlungen und Operationen verschoben wurden. Aber jetzt, da die Lage sich vielerorts normalisiert, finden sie wieder statt. 20 Prozent des gespendeten Blutes braucht man in Deutschland allein für die Behandlung von Krebspatienten.
Verbot aus Zeiten der AIDS-Krise
Während die Nachfrage wieder steigt, bleibt die logistische Herausforderung unverändert: Viele Blutspende-Aktionen finden in Schulen und Betrieben statt, die in Corona-Zeiten für solche Aktionen meist nicht zur Verfügung stehen. Vor dem Hintergrund der dringenden Nachfrage nach mehr Blutspenden diskutiert der Bundestag über die Aufhebung des Blutspende-Verbots für homosexuelle Männer.
Diese werden immer noch als Risikogruppe eingestuft. Sie dürfen in Deutschland nur dann Blut spenden, wenn sie zwölf Monate lang keinen Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann gehabt haben. Die Regelung stammt noch aus der AIDS-Krise der 1980er Jahre. Bis 2017 waren homosexuelle Männer komplett von der Blutspende ausgeschlossen.
Statistisch ist es tatsächlich so, dass Männer, die Sex mit Männern haben, häufiger von HIV betroffen sind als der Durchschnitt der Bevölkerung, bestätigt die Deutsche AIDS-Hilfe. Für Nikita Baranov, Sprecher von METROPride, dem LGBT+ Netzwerks des Handelsriesen Metro, handelt es sich bei den Blutspende-Richtlinien um Diskriminierung von homosexuellen Männern in der deutschen Gesellschaft.
Einschränkungen auch für Sexarbeiter
Die Bundesärztekammer weist den Vorwurf der Diskriminierung zurück. Sie verweist darauf, dass für die Richtlinien zur Sicherheit der Empfänger von Blutspenden nicht sexuelle Präferenzen relevant seien, sondern das konkrete Verhalten des Einzelnen. Auch das Gesundheitsministerium teilte der DW mit, dass die "sexuelle Orientierung" in diesem Zusammenhang irrelevant sei, und verweist darauf, dass die Restriktionen sich auch auf Sexarbeiter und Personen mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern bezögen.
Im April hat die Stiftung "Prout at Work", die sich gegen Diskriminierung in der Arbeitswelt engagiert, einen Brief an die Bundesregierung und die deutschen Gesundheitsbehörden geschrieben, in dem sie die Aufhebung der Beschränkungen fordert. Sie argumentiert, dass eine HIV-Infektion nach sechs Wochen festgestellt werden könne und eine Frist von einem Jahr unverhältnismäßig sei. Kanada und Großbritannien hätten ihre Frist für Blutspendeverbote auf drei Monate herabgesetzt.
"Misstrauen gegenüber homosexuellen Männern"
Eine für März geplante Debatte zu Anträgen der Grünen und der FDP wurde auf den 27. Mai verschoben. "Die bisher beschlossenen Gesetzesänderungen gehen nicht weit genug, um die Diskriminierung homosexueller und bisexueller Männer zu beenden," sagte der Grünen-Abgeordnete Sven Lehmann der DW. "Die geltenden Bestimmungen sind komplett willkürlich und zeigen ein Misstrauen gegenüber homosexuellen Männern, das mit einer modernen Gesellschaft unvereinbar ist", kritisiert Lehmann.
Kurz vor der Debatte berichtete die Nachrichtenagentur AFP, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in einem Brief an FDP-Bundestagsabgeordnete bekräftigt hat, das Blutspende-Verbot für homosexuelle Männer auch in der Corona-Pandemie nicht aufheben zu wollen. Er verwies auf die Risikobewertung des Robert-Koch-Instituts und schrieb, es sei ihm wichtig, dass der Schutz von Empfängern "an erster Stelle" stehe.