1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Stammzellen-Entscheidung

11. April 2008

Mehrere Gesetzentwürfe zur Stammzellenforschung lagen dem Parlament zur Entscheidung vor. Nach einer heftigen Debatte beschlossen die Abgeordneten eine moderate Reform der bestehenden Regelung.

Laborantinnen mit Stammzellen, hier in einem Genfer Labor, Quelle: AP
Wie weit darf man gehen? Stammzellenforschung, hier in einem Genfer Labor, ist höchst umstrittenBild: AP

Die Forschung an embryonalen Stammzellen wird in Deutschland erleichtert. Der Bundestag beschloss am Freitag (12.4.2008) mit deutlicher Mehrheit eine einmalige Verschiebung des Stichtags, der im Stammzellgesetz vorgesehen ist. Die Neuregelung ermöglicht deutschen Forschern den Zugang zu Zell-Linien, die nach dem 1. Januar 2002 entstanden sind. Der neue Stichtag ist der 1. Mai 2007. Ein vollständiges Verbot der Forschung mit embryonalen Stammzellen lehnte der Bundestag ebenso ab wie eine weitgehende Freigabe.

"Schmaler Korridor"

Für die Liberalisierung votierten in namentlicher Abstimmung 346 Abgeordnete. 228 Abgeordnete stimmten dagegen, sechs enthielten sich. Der Fraktionszwang wurde für das Votum aufgehoben, das als Gewissensentscheidung galt. Die Neuregelung wurde unter anderem von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) befürwortet.

Für eine Reform: Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU)Bild: picture-alliance / dpa

Durch die Verschiebung des Stichtags werde das ethische Dilemma nicht aufgelöst, das mit der embryonalen Stammzellforschung verbunden sei, sagte Schavan in der Debatte. Das Gesetz werde aber so weiterentwickelt, dass ein schmaler Korridor für verantwortungsbewusste Forschung erhalten bleibe. Andere Abgeordnete äußerten in der Debatte die Überzeugung, die Lockerung der Stichtagsregelung sei unnötig und unethisch. "Kein Mensch ist mit embryonalen Stammzellen geheilt worden", sagte der CDU-Politiker Hubert Hüppe, der sich für ein vollständiges Verbot eingesetzt hatte. Nur 118 Abgeordnete stimmten für Hüppes Antrag.

"Keine überzeugende Begründung"

Die Grünen-Politikerin Priska Hinz kritisierte, es gebe "überhaupt keine überzeugende Begründung" für die Verschiebung des Stichtags. "Wenn man einmal verschiebt, kann man ein zweites und ein drittes Mal verschieben", sagte die Abgeordnete, die sich dafür eingesetzt hatte, den bisherigen Stichtag beizubehalten und lediglich die Strafandrohung gegen deutsche Forscher aufzuheben, die im Ausland an Stammzellen forschen.

Gewissensentscheidung: Abgeordnete bei der Stimmabgabe zur GesetzesänderungBild: AP

Der CDU-Abgeordnete Peter Hintze warb für die Freigabe der Forschung an im Ausland gewonnenen embryonalen Stammzellen: "Medizinische Forschung in Deutschland dient dem Lebensschutz", argumentierte er. Die FDP-Politikerin Ulrike Flach warnte davor, die Forschung an adulten und embryonalen Stammzellen gegeneinander auszuspielen. Ihr Antrag auf Streichung der Stichtagsregelung erhielt nur 126 Ja-Stimmen.

Forscher dafür, Katholiken dagegen

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die Lockerung des Stammzellenimportgesetzes begrüßt. "Wir sind über die Bundestagsentscheidung froh und dankbar", sagte DFG-Präsident Matthias Kleiner am Freitag. Die DFG hatte zuvor aufgelistet, dass seit dem 1. Januar 2002 weltweit über 500 neue Zelllinien angelegt wurden, die fast überall im Ausland, nicht aber in der Bundesrepublik für die Forschung genutzt werden dürfen. Kleiner sieht deshalb in dem Votum auch eine Entscheidung für den Forschungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland.

Um sie geht es: Phasenkontrastaufnahme einer menschlichen embryonalen StammzellkolonieBild: picture-alliance/ dpa

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat enttäuscht auf die Entscheidung reagiert. Man halte sie "in der Sache für nicht gerechtfertigt" und mit Blick auf den Lebensschutz in der biomedizinischen Forschung für das falsche Signal, sagte ZdK-Präsident Hans Joachim Meyer am Freitag. Mit der Entscheidung würden nun Begehrlichkeiten größer, menschliche Embryonen generell für Forschungszwecke nutzen zu können.

Evangelische Kirche gespalten

Auch einzelne evangelische Vertreter wie etwa der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich bedauerten die Entscheidung. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, befürwortet hingegen die verabschiedete Reform.

Vor der Bundestagsentscheidung hatten vor allem katholische Bischöfe vor einer Lockerung des Lebensschutzes gewarnt. "Menschliches Leben darf nicht zu Forschungszwecken getötet werden", erklärte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch. Der Kölner Erzbischof Joachim Meisner forderte die Bundesregierung auf, jegliche Forschung an embryonalen Stammzellen zu verbieten. (tos)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen