"Geschäftsmäßige" Sterbehilfe wird strafbar
6. November 2015 Der Gesetzentwurf war von einer fraktionsübergreifenden Gruppe um den CDU-Parlamentarier Michael Brand und die SPD-Abgeordnete Kerstin Griese eingereicht worden. Er stellt die auf Wiederholung angelegte Hilfe bei der Selbsttötung unter Strafe. Angebote wie die des Vereins "Sterbehilfe Deutschland" von Roger Kusch sind damit in Deutschland künftig verboten.
Für den Griese/Brand-Entwurf stimmten 309 Abgeordnete. 128 Stimmen erhielt der Antrag der Gruppe von Karl Lauterbach (SPD) und Peter Hintze (CDU), die Ärzten die Hilfe beim Suizid erlauben wollten. 52 Stimmen entfielen auf den liberalsten Entwurf, eingebracht von der Grünen-Politikerin Renate Künast, die nicht nur Ärzten, sondern auch Organisationen diese Form der Sterbehilfe ausdrücklich erlauben wollte. Das von Patrick Sensburg (CDU) angestrebte Verbot jeglicher Suizidbeihilfe erhielt 37 Stimmen. 70 Parlamentarier lehnten alle Vorschläge ab, drei enthielten sich.
Der Antrag wurde damit bereits in Zweiter Lesung angenommen. In der formalen Dritten Lesung setzte er sich mit 360 Ja-Stimmen bei 233 Nein-Stimmen und neun Enthaltungen durch.
Ergebnis überrascht
Das Ergebnis ist überrraschend. Zuvor war fest damit gerechnet worden, dass frühestens im dritten Durchgang eine Mehrheit für einen der insgesamt vier Gesetzentwürfe zustandekommt. Vor der entscheidenden Abstimmung hatte der Bundestag in einer engagierten, aber respektvoll geführten Debatte über die Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland diskutiert.
Verfassungskonform?
Die ehemalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wies darauf hin, dass drei der vier vorgelegten Gesetzentwürfe verfassungsrechtliche Mängel hätten. Jeder dieser Entwürfe würde eine Klage nach sich ziehen, wenn er Gesetz werden sollte, sagte Zypries. Sie machte deutlich, dass sie die bestehende Regelung für ausreichend hält.
Fraktionsvize Karl Lauterbach sagte in der abschließenden Beratung: "Besser kein Gesetz, als ein schlechtes Gesetz." Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hielt dem entgegen, es sei auch keine Lösung, keinem der Gesetzentwürfe zuzustimmen. Sie ließ erkennen, dass sie für ein Verbot der "geschäftsmäßigen" Sterbehilfe eintritt.
Auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) warb vor den Abgeordneten in Berlin für diesen Gesetzentwurf. Es handele sich um einen Regelungsvorschlag "mit Maß und Mitte", sagte Gröhe. Ärzte, die Suizidbeihilfe leisteten, würden durch ein entsprechendes Gesetz nicht einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt. Die Hilfe zur Selbsttötung dürfe aber auch keine "Behandlungsvariante" werden.
"Sterben aus der Tabuzone geholt"
Brand selbst erklärte, der mehr als einjährigen Debatte über Sterbehilfe sei es zu verdanken, dass das Thema Sterben aus der Tabuzone geholt worden sei. Griese begründete den Gesetzentwurf mit der Notwendigkeit, die Aktivitäten der umstrittenen Sterbehilfe-Vereine zu unterbinden. Der ärztliche Freiraum bleibe erhalten. "Aber wir können klar machen, dass wir als Gesetzgeber den assistierten Suizid als ärztliche Regelleistung nicht wollen."
Bundestagsvizepräsident Hintze warnte nochmals vor einer Verschärfung des Strafrechts. Die Mehrheit der Bevölkerung lehne dies ab. Am Sterbebett sollten Familienangehörige und Ärzte stehen, nicht der Staatsanwalt. Hintzes Entwurf wollte für sterbenskranke, schwerst leidende Menschen die Möglichkeit des ärztlich begleiteten Suizids erlauben.
Die Grünen-Abgeordnete Katja Keul wiederum forderte die Abgeordneten auf, ganz auf eine Neuregelung zu verzichten. Die geltende Rechtslage habe nicht zu einem signifikanten Anstieg bei der Suizidbeihilfe geführt.
se/uh (phoenix, dpa, afp)