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Bundestag stellt Weichen für neue Corona-Politik

Kay-Alexander Scholz
11. November 2021

Die Neuinfektionen mit COVID-19 explodieren. Gerade jetzt versucht die geplante Regierungskoalition einen Kurswechsel - einfach ist das nicht. Die Entscheidungen in der Pandemie folgten eigenen Regeln.

Deutschland | Coronavirus Inzidenz 263,7 am 12.11.2021
Bild: Rüdiger Wölk/imago images

Das war keine alltägliche Debatte im deutschen Parlament, dem Bundestag. Denn bei der aktuellen Corona-Politik in Deutschland geht es erst einmal darum, das Thema wieder stärker ins deutsche Parlament zu holen.

Bislang galt: Viele Entscheidungen wurden in einer Runde aus den Spitzen der Bundesländer zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) getroffen. Anschließend haben meist die Länderparlamente über die Maßnahmen abgestimmt. Das wurde so geregelt, weil das Land in einer Art Notzustand war, der sogenannten "epidemischen Lage von nationaler Tragweite". Die gilt noch bis zum 25. November. Infektionsschutz ist in Deutschland Ländersache. Viele Ministerpräsidenten wichen später von den gemeinsamen Beschlüssen ab.

Die geplante neue Regierung aus SPD, FDP und Grünen, die sogenannte Ampel-Koalition, möchte die Pandemie-Notlage auslaufen lassen und ein neues Maßnahmen-Paket verabschieden. Ganz harte Maßnahmen wie Lockdowns oder Ausgangssperren soll es nicht mehr geben. Diese seien nicht rechtssicher, sagte Marco Buschmann von der FDP. So hatte ein deutsches Verfassungsgericht jüngst Ausgangssperren im Nachhinein gekippt.

CDU und CSU übten neue Rolle als Opposition

Zum Neuen an der Situation gehört, dass Corona-Diskussionen nun wieder stärker öffentlich und weniger im Kanzleramt und den Ministerpräsidenten-Büros stattfinden. Der Grünen-Politiker Janosch Dahmen, selbst Mediziner, hatte am Vorabend der Debatte gemahnt: Im Bundestag müsse "eine unmissverständliche Botschaft über den Ernst der Lage" an die Bevölkerung gesendet werden: "Profilierungsversuche und gegenseitige Schuldzuweisungen sind vollkommen deplatziert.

Ralph Brinkhaus (v.li.), Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, ging in der Debatte auf KonfrontationBild: picture alliance/dpa

CDU und CSU werden wahrscheinlich zukünftig zusammen die größte Oppositionsfraktion stellen. Die beiden Unionsparteien möchten die Notlage verlängern. Das Beenden sei "schlichtweg eine falsche Entscheidung", sagte Alexander Dobrindt von der CSU. Den Anstoß zum Auslaufen der epidemischen Notlage hatte allerdings im Oktober CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn gegeben. Wie die ganze bisherige Regierung ist er nach der Bundestagswahl Ende September nur noch geschäftsführend im Amt.

In den Debatten-Beiträgen fielen Sätze wie "dümmliche Zwischenrufe", "nicht regierungsfähig", es hieß, die geplante Ampel-Koalition werde das Gesundheitssystem eher schädigen. Ein sehr aggressiver Tonfall zog sich durch viele Äußerungen aus den Unionsparteien. Das werde wohl keine "konstruktive Kritik", stellten Politiker der geplanten Ampel-Koalition fest.

Die Linke warnte vor "leeren Versprechungen" über ein baldiges Ende der Pandemie und forderte eine lückenlose Testpflicht, unabhängig vom Impfstatus. Das "Beenden des Regierens mit Verordnungen" sei gut, hieß es.

Umstrittene 2G-Regel in Sachsen

02:40

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AfD-Politiker Sebastian Münzen kritisierte eine Ausweitung der 2G-Regel, die den Zugang zu öffentlichen Räumen auf Geimpfte und Genese beschränkt. Impfen müsse freiwillig bleiben. Die AfD fordert einen "Freedom-Day" und setzt ganz auf Eigenverantwortung.

Viele Schutzmaßnahmen bleiben

Doch diesen "Freedom-Day" wird es nicht geben, machte Olaf Scholz (SPD), der mögliche nächste Bundeskanzler, in seiner Stellungnahme zur Pandemie deutlich: "Wir halten Vorsichtsmaßnahmen anders als andere Länder weiterhin für erforderlich."

Olaf Scholz (SPD), der mögliche künftige Bundeskanzler, verzichtete auf scharfe Töne im BundestagBild: Markus Schreiber/AP/picture alliance

Das gelte zum Beispiel für die Maskenpflicht, mehr Hygiene und andere physikalische Barrieren gegen Infektionen. Zusätzlich sollten nun Bewohner von Alten- und Pflegeheimen besser geschützt werden, indem Mitarbeitende und Besucher täglich getestet werden. Das solle auch überwacht werden. Bislang gibt es noch keine tägliche Testpflicht für bereits Geimpfte.

Generell soll das Testen wieder wichtiger werden. Deshalb sollen die erst kürzlich abgeschafften kostenlosen Bürgertests wieder eingeführt werden.

Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen und diejenigen, die sie versorgen, sollen prioritär eine Dritt-Impfung bekommen, die sogenannte Booster-Impfung, teilweise auch wieder in Impfzentren, die vor einigen Wochen geschlossen wurden.

Am Arbeitsplatz soll die 3G-Regel gelten, die im Bundestag bereits gilt: Wer nicht geimpft, genesen oder getestet ist, darf nicht zu den anderen Abgeordneten, sondern muss auf einer der Tribünen Platz nehmen.

Die Bundesländer sollen einen rechtlichen Rahmen bekommen, um 2G-Regeln einzuführen - zum Beispiel in Restaurants. Manche Länder haben das bereits beschlossen. Die Regeln müssten auch wirklich umgesetzt werden, mahnte Scholz.

Olaf Scholz vermied es zu polarisieren - gerade beim Thema Impfverweigerer. Ruhig im Ton, aber eindrücklich in der Analyse beschrieb er, dass es viele Umgeimpfte gebe, die das Impfangebot noch nicht angenommen hätten. Umgeimpfte würden krank werden und auf den Intensivstationen "um ihr Leben ringen". Deshalb müsse den Krankenhäusern geholfen werden, "um Platz für Corona-Patienten" zu machen. Scholz schloss mit einem Appell: "Lassen Sie sich impfen, es ist wichtig für ihre Gesundheit und für unser Land!"

Doch noch eine Ministerpräsidenten-Konferenz

Scholz hat angekündigt, die Lage in einigen Tagen noch einmal zusammen mit Angela Merkel und den Spitzen der Bundesländer beraten zu wollen. Er folgt damit dem Vorschlag einiger Bundesländer.

Auch wenn sich das "alte" Entscheider-Gremium noch einmal trifft, dürfte das am Auslaufen der epidemischen Notlage am 25. November wohl nichts ändern. Denn darüber entscheidet allein der Bundestag - und dort haben die Ampel-Parteien eine Mehrheit.

Wird das reichen gegen Ansteckungen? Einlasskontrolle beim Karnevalsauftakt in KölnBild: Henning Kaiser/dpa/picture alliance

Sie kündigten an, weitere Schutz-Maßnahmen könnten beschlossen werden, es werde gegebenenfalls nachgesteuert. Spannend könnte die Frage werden, wie sich die Diskussion um eine Impfpflicht für medizinisches und pflegerisches Personal entwickelt. Vom Ethikrat, anderen Wissenschaftlern und Ärzten wird die Debatte bereits geführt. Dem könne man sich wohl nicht entziehen, sagte Katrin Göring-Eckhardt von den Grünen.

Die aktuelle Lage jedenfalls ist alarmierend. Das Robert-Koch-Institut meldete am Donnerstag erstmals mehr als 50.000 Neuinfektionen an einem Tag, Bayern rief den Katastrophenfall aus. Die Karnevalssaison hat begonnen, erste Weihnachtsmärkte sind geöffnet - alles Orte, wo sich das Coronavirus weiter ausbreiten kann.