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Politik

Bundestag verlängert "epidemische Lage"

25. August 2021

Weitere drei Monate haben die Bundesländer nun eine Rechtsgrundlage dafür, eigene Corona-Schutzmaßnahmen zu verhängen. Die aktuellen Zahlen lassen befürchten, dass das im Herbst nötig werden wird.

Sondersitzung des Bundestags - Jens Spahn
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Bundestag: "Die Pandemie ist noch nicht vorbei"Bild: Kay Nietfield/dpa/picture alliance

Das Parlament stimmte mit deutlicher Mehrheit dafür, dass die "epidemische Lage von nationaler Tragweite" für vorerst weitere drei Monate gelten soll. 325 Abgeordnete votierten dafür, 253 dagegen. Fünf Parlamentarier enthielten sich.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) betonte in der Debatte zum Thema, die Pandemie sei "leider noch nicht vorbei", die Verbreitung der hoch ansteckenden Delta-Virusvariante habe den Kampf gegen Corona "nochmal erschwert". Es gehe jetzt darum, dass die Länder und Behörden vor Ort eine Rechtsgrundlage für Maßnahmen wie Maskentragen in Bussen und Bahnen bräuchten, so lange es noch eine so hohe Zahl Ungeimpfter gebe. Ziel bleibe, eine Überlastung des Gesundheitswesens weiter zu vermeiden. Um sicher durch die vierte Corona-Welle zu kommen, brauche es noch eine höhere Impfquote. Spahn rief bisher zögernde Menschen erneut dazu auf, Impfangebote anzunehmen: "Bitte machen Sie mit."

Die Lage auf den Intensivstationen soll künftig der ausschlaggebende Wert zur Beurteilung der Corona-Lage seinBild: Ronny Hartmann/AFP/Getty Images

Hospitalisierungsrate statt Inzidenzwert

In dem vom Bundestag gefassten Beschluss wird zudem die Bundesregierung aufgefordert, bis zum kommenden Montag eine Formulierungshilfe für die geplante Abkehr vom Inzidenzwert als maßgebliche Größe für Corona-Maßnahmen vorzulegen. Dafür muss das Infektionsschutzgesetz geändert werden. Künftig soll die Zahl der Corona-bedingten Krankenhausaufenthalte eine zentrale Rolle spielen.

"Die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen ist aufgrund des Impffortschritts nicht mehr zentraler Maßstab", heißt es in der nun angenommenen Beschlussvorlage. Daher seien die bislang im Gesetz genannten Schwellenwerte "nicht mehr aktuell". Deshalb sollten sich die Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie "zukünftig insbesondere auch an der COVID-19-Hospitalisierungsrate ausrichten".

Bislang heißt es in Paragraf 28a des Infektionsschutzgesetzes: "Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen." Diese Passage soll gestrichen werden.

Für eine Abkehr vom Inzidenzwert hatte sich zuvor auch Gesundheitsminister Spahn ausgesprochen. Die Gesetzesänderung könnte am 1. September vom Kabinett gebilligt und am 7. September im Bundestag beschlossen werden. Abschließend soll der Bundesrat auf einer Sondersitzung am 10. September über die Änderung entscheiden.

Das Robert Koch-Institut verzeichnet wieder steigende Corona-ZahlenBild: picture-alliance/dpa/C. Koall

Corona-Zahlen steigen rapide

Den jüngsten Zahlen vom Robert Koch-Institut in Berlin zufolge breitet sich das Coronavirus in Deutschland wieder deutlich schneller aus. Erstmals seit etwa drei Monaten wurden wieder mehr als 10.000 Neuinfektionen innerhalb eines Tages von den Gesundheitsämtern gemeldet: 11.561 neu registrierte Fälle binnen 24 Stunden waren zuletzt am 20. Mai registriert worden.

Das anziehende Infektionsgeschehen zeigt sich an mehreren Kriterien. So stieg die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen laut RKI auf 61,3 nach 40,8 vor einer Woche. Die Spanne der Sieben-Tage-Inzidenz reicht nun von 14,6 in Sachsen-Anhalt bis 114,3 in Nordrhein-Westfalen. Die Hospitalisierungsrate - also die Zahl der Klinikeinweisungen in Verbindung mit Corona pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen - gab das RKI am Mittwoch mit 1,47 an. Eine Woche zuvor lag sie bei 1,19. Laut Bundesregierung bewegte sie sich im vergangenen Winter teilweise bei 10 bis 12.

Einschränkungen für Nichtgeimpfte

Bei den Impfungen sind inzwischen gut 100 Millionen Dosen verabreicht worden. Das sei "eine der größten logistischen Leistungen in der Geschichte unseres Landes", schrieb Spahn auf Twitter. Vollständig mit der meist nötigen zweiten Spritze geimpft sind nun 49,4 Millionen Menschen oder 59,4 Prozent der Bevölkerung. Mindestens eine erste Impfung erhalten haben 53,5 Millionen Menschen oder 64,4 Prozent aller Einwohner.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Wenn die Fallzahlen weiter so rapide steigen, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, dann wird es notwendig werden, die Regeln für Ungeimpfte zu verschärfen." Dazu zähle dann auch "eine möglichst konsequente 2G-Regel, zumindest in den Bereichen, wo ein sehr hohes Risiko besteht". Damit ist gemeint, dass etwa bestimmte Veranstaltungen nur für Geimpfte oder Genesene zugänglich sind - nicht aber wie derzeit bundesweit auch für negativ Getestete.

Der Hamburger Senat hatte am Dienstag bereits ein "Optionsmodell" beschlossen: Gastronomie, Clubs, Kneipen und Kultureinrichtungen in Hamburg können ihre Kapazitäten von Samstag an nahezu wieder vollständig nutzen, sofern Ungeimpfte keinen Zutritt haben. Bereits seit Montag gilt in immer mehr Bundesländern "3G": Zutritt zu vielen öffentlichen Innenräumen nur für Geimpfte, Genesene oder Getestete.

mak/wa (dpa, afp, rtr)