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Bundestag will bei Waffenlieferungen mitreden

Sabine Kinkartz22. August 2014

Die Bundesregierung prüft, welche Waffen sie an die Kurden im Irak liefern kann. Der Bundestag wird informiert, hat aber formal kein Mitspracherecht. Eine Sondersitzung ist trotzdem im Gespräch.

Deutscher Bundestag in Berlin Reichstag
Bild: DEUTSCHER BUNDESTAG /Achim Melde/Lichtblick

Kann die Bundesregierung allein einen faktischen Richtungswechsel in ihrer Außenpolitik beschließen, oder muss in eine Entscheidung von solcher Tragweite nicht auch das Parlament mit einbezogen werden? Nach der Grundsatzentscheidung der Bundesregierung für Waffenlieferungen in den Nordirak ist in Deutschland eine Debatte über genau diese Frage entbrannt.

Rein rechtlich scheint die Lage eindeutig. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte, laut Parlamentsbeteiligungsgesetz sei es bei den geplanten Waffenlieferungen nicht notwendig, dass der Bundestag ein ausdrückliches Mandat erteile. Das Gesetz regelt die Entscheidungsrechte des Bundestags beim Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland. Lammert gab aber zu bedenken, dass die politische Bedeutung der Entscheidung so groß sei, dass eine parlamentarische Beratung geboten erscheine.

Offiziell befindet sich der Bundestag noch in der parlamentarischen Sommerpause und tritt erst in der zweiten Septemberwoche wieder zusammen. Für eine Sondersitzung müssten die Abgeordneten außerplanmäßig nach Berlin gerufen werden.

Einsame Entscheidung

Es war ein kleiner Kreis um Bundeskanzlerin Angela Merkel, der nach einigem Hin und Her am Mittwoch Nägel mit Köpfen gemacht hat: Die kurdischen Kampfverbände im Irak sollen aus Deutschland mit Waffen beliefert werden, um sie in ihrem Kampf gegen die sunnitischen Terrorkämpfer des 'Islamischen Staats' zu unterstützen.

Humanitäre Hilfe allein reiche nicht aus, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nach der Kabinettsitzung. Sollten die kurdischen Verteidigungslinien zusammenbrechen, drohe im Nahen Osten ein Flächenbrand und diese Katastrophe werde auch Deutschland unmittelbar betreffen.

Verteidigungsministerin von der Leyen und Außenminister Steinmeier gaben die Waffenlieferungen bekanntBild: Odd Anderson/AFP/Getty Images

Neben der Kanzlerin und dem Außenminister waren die Verteidigungsministerin, der Wirtschaftsminister und Vizekanzler sowie der Finanzminister an der Entscheidung beteiligt. Wie jetzt weiter verfahren werden soll, haben die Kanzlerin und ihre Minister ebenfalls festgelegt. Bis nächste Woche wird geprüft, welche Waffen die kurdischen Kämpfer im Einzelnen erwarten dürfen. Die Bundesregierung werde den Bundestag über ihr weiteres Vorgehen unterrichten, sicherte Regierungssprecher Steffen Seibert zu.

Eine Frage der Auslegung

Es soll also weiterhin so verfahren werden wie in den zurückliegenden Tagen. Anfang der Woche hatten im Parlament bereits Sondersitzungen des Auswärtigen Ausschusses und des Verteidigungsausschusses stattgefunden. "Der Deutsche Bundestag ist über jeden Schritt informiert gewesen", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Niels Annen. Rein rechtlich sieht auch er die Bundesregierung in ihrem Vorgehen auf der sicheren Seite. "Nach dem jetzigen Kenntnisstand, der mir vorliegt, ist das, was die Regierung dort beschlossen hat, nicht zustimmungspflichtig in dem Sinne, dass wir ein eigenes Mandat brauchen."

Allerdings gibt es schon seit Jahren immer wieder Streit darüber, wie das Parlamentsbeteiligungsgesetz genau auszulegen ist. Das Gesetz beruht auf einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994. Die Richter entschieden damals, dass bewaffnete deutsche Soldaten nur in einen Auslandseinsatz geschickt werden dürfen, wenn der Bundestag zustimmt. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn die kurdischen Kämpfer auf die deutschen Waffen angelernt werden müssten. Auch Ausbildungseinsätze in Somalia und Mali wurden vom Bundestag mandatiert.

Opposition will mitreden

Vor allem in der Opposition gibt es allerdings einige Politiker, die auch im Fall von reinen Waffenlieferungen eine Mitsprache des Bundestags einfordern. Ein Beschluss von solcher Tragweite müsse im Bundestag fallen, so der grüne Politiker Jürgen Trittin, der dafür eintritt, dass das Parlament das Recht bekommen soll, Waffenexporte stoppen zu können.

Die Grünen-Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter plädieren für eine kurzfristig angesetzte Sondersitzung des Bundestages und eine Regierungserklärung der Bundeskanzlerin. Angela Merkel müsse den Paradigmenwechsel in der deutschen Außenpolitik begründen. Bislang habe schließlich der Grundsatz gegolten, dass Deutschland keine Waffen in Konfliktgebiete liefere.

Bundestagsdebatte in der kommenden Woche?

Die Bundesregierung hat gegen eine Sondersitzung des Bundestags nichts einzuwenden. "Es ist die Entscheidung des Bundestags, wann er sich mit dem Thema befasst", teilte Regierungssprecher Seibert mit. "Die Bundesregierung ist immer bereit, den Bitten des Parlaments nachzukommen." Dort scheinen sich auch die Regierungsfraktionen auf eine Sondersitzung einzurichten. Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht, sagte: "Sowohl die Abgeordneten als auch die Öffentlichkeit haben ein Recht darauf, über die schwierige Entscheidung und den dazugehörigen Abwägungsprozess in einer Sondersitzung des Bundestages informiert zu werden und zu debattieren."

Das heißt allerdings nicht, dass dem Bundestag ein Entscheidungsrecht eingeräumt werden soll. Der Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer betont, die Unionsfraktion halte eine Befassung des Bundestages mit dem Thema erst im Anschluss an die Entscheidung der Bundesregierung über die Waffenlieferungen für richtig.

Unterdessen hat sich der Zentralrat der Muslime in Deutschland grundsätzlich kritisch zu den geplanten Waffenlieferungen an die Kurden geäußert. Sie könnten nur das letzte Mittel sein, sagte der Vorsitzende des Zentralrats, Aiman Mazyek, im Südwestrundfunk (SWR). Humanitäre Hilfe müsse Vorrang haben. Am Beispiel Syrien sei zu sehen, wie Waffen in falsche Hände gelangen könnten. Dort würde mit Waffen gekämpft, die von der deutschen Rüstungsindustrie stammten. Deshalb müssten solche Lieferungen restriktiv gehandhabt werden, forderte Mazyek.

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