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Politik

Reparations-Gutachten freut Griechenland

10. Juli 2019

Eigentlich will die Bundesregierung keine Reparationszahlungen wegen des Zweiten Weltkriegs mehr leisten. Ein neues Bundestags-Gutachten zweifelt diese Position an - zur möglichen Freude von Griechenland und Polen.

Walther von Brauchitsch auf Akropolis Mai 1941
Deutsche Soldaten vor der Akropolis in Athen im Mai 1941Bild: picture-alliance/akg-images

80 Jahre nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges könnte die Frage nach Reparationsforderungen für Kriegsschäden erneut für politische Diskussionen sorgen. Diesmal kommt der Einwurf nicht aus Athen oder Warschau, sondern direkt aus Berlin. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages legte im Auftrag der Linken einen neuen Sachstandsbericht mit dem Titel "Griechische und polnische Reparationsforderungen gegen Deutschland" vor. Darin wird sichtbar, dass die Experten neben der Position der Bundesregierung auch andere Auffassungen zu dem Thema für vertretbar halten.

Der neue Bericht nehme "keine rechtliche Neubewertung" vor, heißt es in dem 15-seitigen Dokument. Es soll helfen, "die juristischen Argumentationslinien" zu systematisieren sowie die "Gemeinsamkeiten und Unterschiede" in Bezug auf Reparationsforderungen in dem jeweiligen bilateralen Verhältnissen zu vergleichen.

Grundsätzliche Differenzen bleiben

Das Gutachten erinnert daran, dass die Bundesregierung die Forderungen aus Griechenland und Polen ablehnt. Die Frage der Reparationen ist "juristisch wie politisch abschließend geregelt". So eindeutig sehen es die Bundestag-Experten allerdings nicht in allen Punkten. Zumindest im Bezug auf Griechenland sei die Argumentation der Bundesregierung völkerrechtlich vertretbar, aber keinesfalls zwingend - so das Fazit des Gutachtens.

Aufgebahrte Totenköpfe im griechischen Dorf Distomo erinnern an die Opfer eines 1944 von den Nazis verübten MassakersBild: picture alliance/AP Photo/Y. Karahalis

Anders als Polen habe Griechenland "nie eine ausdrückliche Verzichtserklärung abgegeben" - heißt es in dem Dokument. Zur Argumentation der Bundesregierung, wonach der "Zwei-plus-vier-Vertrag" von 1990 alle Reparationsfragen "abschließend und umfassend" geregelt haben soll, schreibt der Wissenschaftliche Dienst: die Reparationen würden im Vertrag überhaupt nicht erwähnt. Und selbst wenn es so wäre, hätte Griechenland als Drittstaat, der nicht am Vertrag mitwirkte, bei daraus resultierenden Nachteilen zustimmen müssen, argumentieren die Experten.

Verjährung von Zahlungsansprüchen?

In dem Dokument des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages wird ebenfalls gefragt, wie es rechtlich zu bewerten sei, dass "70 Jahre nach Kriegsende und fast 30 Jahre nach Abschluss des Zwei-plus-Vier-Vertrages keines der beiden Länder Reparationsforderungen in einem förmlichen völkerrechtlichen Verfahren geltend gemacht hat?" Dabei geht es auch darum, ob man von einer Verjährung ausgehen könnte, wie die Bundesregierung argumentiert. Das Fazit: "Die Verjährung zwischenstaatlicher Zahlungsansprüche ist völkerrechtlich bis heute nicht eindeutig geregelt."

Das Gutachten erwähnt auch die "Möglichkeit einer abschließenden gerichtlichen Klärung" und zwar vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag. Ob es jemals zu einer Klage kommt, ist unklar. Dafür müsste sich die Bundesregierung der IGH-Gerichtsbarkeit freiwillig unterwerfen, was sie aber ablehnt. Zuletzt erklärte im Juni der Staatsminister im Auswärtigen Amt Niels Annen von der SPD, dass eine Befassung des IGH mit der Frage der griechischen Reparationsforderungen von keiner Seite beabsichtigt sei.

Forderungen aus Griechenland

Die Stellungnahme der Experten des Bundestages dürfte in Athen und Warschau für Aufmerksamkeit sorgen. Im Juni hat der griechische Botschafter in Berlin eine "Verbalnote" an die deutsche Regierung übergeben, in der diese offiziell zu Verhandlungen über Reparationen aufgefordert wird. In Athen werden die Kriegsschäden durch die deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg auf 290 Milliarden Euro geschätzt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht in Athen im Januar 2019 das Grab des Unbekannten Soldaten Bild: Reuters/C. Baltas

Ob das Thema nach dem Wechsel der griechischen Regierung auf der Agenda bleibt, ist fraglich. Noch als Oppositionsführer unterstrich Kyriakos Mitsotakis im April dieses Jahres im griechischen Parlament die moralische Bedeutung des Themas. Die Reparationen zu fordern, bewertete er aber als "politisch und juristisch schwierig". Nur im Bezug auf die Rückgabe der so genannten Zwangsanleihen äußerte sich der inzwischen neu gewählte Ministerpräsident zuversichtlich. Den Schätzungen zufolge könnte es dabei um acht bis elf Milliarden Euro gehen.

Polen bereitet sich vor

Polens Regierung hält sich bisher mit offiziellen Forderungen zurück. Dies könnte sich ändern. "Es gibt den starken politischen Willen, an dem Thema kontinuierlich zu arbeiten", sagt der PiS-Abgeordnete Arkadiusz Mularczyk. Er ist Vorsitzender einer Sejm-Kommission, die die Kriegsschäden berechnet und eine entsprechende Argumentationslinie vorbereitet. Bisher ist die Rede von rund 800 Milliarden Euro. Durch das Nazi-Regime verloren fast sechs Millionen Polen das Leben. Ob und wann das Thema von der Regierung aufgenommen würde, sei "eine politische Entscheidung, die zum passenden Zeitpunkt gefällt werden muss". Im Herbst wird in Polen das neue Parlament gewählt.

Bereits Thema einer älteren Schlagzeile der Bild am Sonntag: Der polnische Präsident Andrzej Duda sieht Deutschland in der PflichtBild: Bild.de

Die Bundestag-Experten bestätigten, dass aus ihrer Sicht polnische Forderungen nicht gerechtfertigt seien, da Polen zweimal, 1953 und 1970, auf Reparationen verzichtete. Warschau hält das für unwirksam, weil der Verzicht auf Druck aus Moskau erfolgte. Völkerrechtlich sei die Argumentation der deutschen Regierung allerdings richtig, so das Gutachten.

Diese Haltung teilt auch der Vorsitzende der Deutsch-Polnischen Parlamentariergruppe im Bundestag Thomas Nord (Linke). "Man mag damit in Polen nicht einverstanden sein, aber es gab rechtliche Vereinbarungen, die diese Fragen längst geregelt haben", sagte Nord der DW. "Moralisch darf man aber keinen Unterschied machen. Wenn es um einzelne Opfergruppen geht, kann es noch weitere Entschädigungen geben", fügte der Linke-Politiker hinzu.

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