Bundestagswahl 2025: Linke zuversichtlich und angriffslustig
18. Januar 2025"Aufbruchstimmung" - dieses Wort zieht sich wie ein roter Faden durch die Reden und Gespräche beim Wahlparteitag der Linken am Samstag in Berlin. Noch vor wenigen Monaten war davon nichts zu spüren. Kein Wunder, denn das Jahr 2024 war ein politischer Albtraum für die Linke: Im Januar gründete eine Gruppe um die ehemalige Bundestagsfraktionschefin Sahra Wagenknecht ihre eigene Partei. Bei der Europawahl 2024 im Juni halbierte sich das Ergebnis auf 2,7 Prozent.
Schließlich der Tiefpunkt bei den Landtagswahlen im Osten, wo die Linke mal Volkspartei war: In Thüringen verlor ihr einziger Ministerpräsident sein Amt, in Sachsen schaffte sie mit Müh und Not den Sprung ins Parlament und in Brandenburg flog sie sogar raus. Kein Wunder, dass nach dieser desaströsen Bilanz nur noch wenige an einen Erfolg bei der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar glaubten.
Die Linke im Aufschwung, das BSW im Abwärtstrend
Doch das Blatt scheint sich zu wenden: In Umfragen nähert sich die Linke der Fünf-Prozent-Hürde, die für den Einzug in den Bundestag entscheidend ist. Und während der Trend bei ihr nach oben zeigt, geht es für das abtrünnige Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in die andere Richtung: nach unten. Der Stimmungsumschwung hat auch mit dem Wechsel an der Parteispitze zu tun. Jan van Aken und Ines Schwerdtner lösten Janine Wissler und Martin Schirdewan ab, die den langjährigen Abwärtstrend nicht stoppen konnten.
Das im Oktober gewählte Duo war kaum im Amt, als die Bundesregierung auseinanderbrach. Seit dem Ausstieg der Freien Demokraten (FDP) haben die verbliebenen Sozialdemokraten (SPD) und Grünen keine eigene Mehrheit im Deutschen Bundestag.
Heftige Kritik an SPD und Grünen
Für die Bundestagswahl präsentierte die Linke schnell ein Programm, das nun auf dem Parteitag beschlossen wurde. Schwerpunkte sind die Sozial- und Wirtschaftspolitik. SPD und Grünen werfen sie vor, nichts gegen die seit Jahren rasant steigenden Kosten in fast allen Bereichen des täglichen Lebens getan zu haben. "Die Menschen merken, dass die Linke glaubwürdig für die sozialen Themen streitet, dass es sonst keiner macht, dass wir uns als einzige mit den Reichen anlegen", sagt Schwerdtner der DW.
Um die Armut in Deutschland zu bekämpfen, schlägt sie vor, die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel, Hygiene-Artikel sowie Tickets im Bahn- und Busverkehr abzuschaffen. Dafür werden bis zu 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig, also fast ein Fünftel des jeweiligen Kaufpreises.
Vermögenssteuer für Millionäre und Superreiche
Um ihre Forderungen finanzieren zu können, will die Linke an anderer Stelle die Staatseinnahmen erhören. Deshalb fordert sie eine gestaffelte Vermögenssteuer: ein Prozent für Menschen, die eine Million Euro besitzen, fünf Prozent ab 50 Millionen und zwölf Prozent ab einer Milliarde. "Diesen extremen Reichtum haben Millionen von hart arbeitenden Menschen geschaffen", sagt der Vorsitzende van Aken auf dem Parteitag. "Den müssen wir uns zurückholen, damit wir alle wieder gut leben können." Geld sei genug da - es sei nur falsch verteilt.
Um wieder mehr Kredite aufnehmen zu können, will die Linke die in der deutschen Verfassung festgeschriebene Schuldenbremse reformieren. Mit zusätzlich 200 Milliarden Euro soll die marode Infrastruktur modernisiert werden: Schulen, Krankenhäuser, Bahnstrecken, Brücken und vieles mehr. Finanziell angeschlagene Unternehmen sollen nur staatlich unterstützt werden, wenn sie Gegenleistungen erfüllen: langfristige Garantien für Arbeitsplätze und Tarifverträge sowie den Erhalt von Standorten in Deutschland.
Klare Kante gegen die AfD
Als Hauptgegnerin bei der Bundestagswahl bezeichnet die Linke auf dem Parteitag die Alternative für Deutschland (AfD): "Kein Fußbreit den Faschisten", sagt der Vorsitzende van Aken. Deshalb seien auch viele Linke in Riesa gewesen, um gegen den Parteitag der AfD zu demonstrieren. "Wir als Linke halten immer dagegen, wenn hier versucht wird, unsere Gesellschaft zu spalten und wenn gegen Migrantinnen gehetzt wird", betont van Aken.
Auch Russlands völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine thematisiert der frühere Biowaffen-Inspekteur bei den Vereinten Nationen (UN): "Wir Linken sind gegen jeden Krieg und für den Frieden." Aber zwischen dem rein militärischen Denken und Nichtstun gebe sehr viel, was man für den Frieden tun könne. "Wir brauchen in der Ukraine mehr Diplomatie und nicht mehr Waffen", fordert van Aken. Zugleich betont er: "Ohne Freiheit und Demokratie in der Ukraine wird es auch keinen Frieden geben."
Gregor Gysi und seine "Mission Silberlocke"
Großen Jubel löste die graue Eminenz der Linken auf dem Parteitag aus: Gregor Gysi. Der Berliner hat am 16. Januar seinen 77. Geburtstag gefeiert - und kandidiert erneut für ein Direktmandat. Acht Mal hat er seinen Wahlkreis schon gewonnen. Gemeinsam mit zwei weiteren prominenten Politikern der Linke hat er die "Mission Silberlocke" gestartet.
Das Ziel: den erneuten Einzug der Linken abzusichern, wenn die Partei an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern sollte. Nach deutschem Wahlrecht zieht eine Partei dann trotzdem ins Parlament ein, wenn mindestens drei Direktmandate gewonnen werden. Von dieser Regelung hat die Linke bereits bei der Bundestagswahl 2021 profitiert.
Ein Alterspräsident der Linken im Deutschen Bundestag?
Gysi hegt keine Zweifel daran, sein Mandat zu verteidigen und hofft auf ein Ergebnis von mindestens fünf Prozent für seine Partei. Auch die Partei-Vorsitzende Ines Schwerdtner ist zuversichtlich, obwohl die Linke nach dem Abgang von Sahra Wagenknecht viele Stimmen an das BSW verloren hat: "Wir wollen alle Wähler und Wählerinnen zurückgewinnen, die einmal die Linke gewählt haben", sagt Schwerdtner im DW-Gespräch.
Nach Jahren des innerparteilichen Streits sei man wieder geschlossen und kämpfe für das gleiche Wahlziel. Und Gysi hat noch ein ganz persönliches Ziel: Im Erfolgsfall wäre er höchstwahrscheinlich der am längsten im Bundestag sitzende Abgeordnete. Schon jetzt sind es mit einer kurzen Unterbrechung 32 Jahre. Sein Traum: als sogenannter Alterspräsident die erste Sitzung des nächstens Deutschen Bundestags mit einer Rede eröffnen zu dürfen. Dabei müsste sich Gysi an keinerlei Vorgaben halten - weder inhaltlich noch zeitlich.