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Politik

Kleinparteien hoffen auf Erfolge

Wolfgang Dick
22. August 2017

Für die Bundestagswahl am 24. September hat der Bundeswahlleiter insgesamt 48 Parteien zugelassen. Darunter auch Exoten mit durchaus ernsten Anliegen.

Umbauarbeiten im Plenarsaal für die Bundesversammlung
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Die großen sogenannten etablierten Parteien beklagten in den vergangenen Jahren immer wieder einen Verdruss der Wähler. Gestritten wurde darüber, woran sich ihr Unmut genau festmachte. An den Personen in der Politik, an den Parteien oder der Art und Weise, wie Politik betrieben wird? Die jüngst deutlich gestiegenen Mitgliederzahlen bei den großen Volksparteien scheinen eine Frage beantwortet zu haben. An den Parteien scheint es nicht zu liegen. Politikwissenschaftler wollen eine "Jetzt erst recht"-Haltung erkennen, nach der Wahl von Donald Trump in den USA und den Zugewinnen von Rechtspopulisten in Deutschland. 

Die CDU/CSU versucht, das konservative Wählerpotenzial zu erhalten, das durch die Migrationspolitik der CDU-Spitzenkandidatin Angela Merkel zwischenzeitlich irritiert war. Die Sozialdemokraten in der SPD bemühen sich, mit mehr sozialer Gerechtigkeit unter ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz zu punkten. Die Linke will weitere soziale Missstände eindämmen. Die Grünen, deren Umweltpolitik längst von anderen Parteien aufgegriffen wurde, arbeiten neben dem Klimaschutz am friedlichen Zusammenleben mit Migranten. Die FDP kämpft um den Wiedereinzug in den Bundestag nach dem Slogan "Denken wir neu" vor allem um einen höheren Bildungsetat. Die rechtspopulistische, in vielen Landesparlamenten bereits vertretene AfD bemüht sich mit ihrer strikten Zuwanderungsbegrenzung, überhaupt das erste Mal in den Bundestag einzuziehen. All diese Parteien scheinen aber in der Bevölkerung noch Wünsche offen zu lassen. Kleinparteien versuchen, die Lücken zu füllen.

Die Grauen

Bild: Colourbox

Es ist die jüngste Parteigründung. Sie erfolgte erst im Mai dieses Jahres von erfahrenen Lokalpolitikern in Potsdam. Diese Vereinigung stellt seither immer wieder kar, dass sie nichts mit den in den 1970er Jahren geschaffenen Seniorenbewegung "Graue Panther" zu tun hat. Die Grauen möchten sich vielmehr für alle Generationen einsetzen. Junge sollen sich mit Alten zusammentun und von den jeweiligen Altersvorteilen gegenseitig profitieren. Den Grauen geht es nach eigener Aussage um bessere Lebensbedingungen. Die Wochenarbeitszeit soll daher nur noch 35 Stunden ausmachen und das Renteneintrittsalter von 67 auf 60 Jahre abgesenkt werden. Einflüsse von großen Unternehmen und Parteien will man ebenso begrenzen. So möchten "Die Grauen" zum Beispiel alle Verbindungen von Parteien aus den Medien verbannen.

Die Urbane

Ihre Kurzbezeichnung heißt schlicht "DU" und soll damit jüngere Wähler direkt ansprechen. Die Gründer, die erst im Februar 2017 zusammenfanden, sind in der Hip Hop-Szene aktiv. Die Zielsetzung in ihrem Programm: Mit Kultur Brücken bauen und Verständnis füreinander schaffen. Interkultureller Austausch schöpft nach der Idee der Parteigründer alle individuellen Fähigkeiten aller aus - zum Wohl der gesamten Gesellschaft. Man setzt auf den "Melting Pot" der Städte, den urbanen Boom. Die Vision: Alle Personen der Gesellschaft erhalten Zugang zur Kunst und profitieren davon. Gefordert wird zudem der umfassende Ausstieg aus der Kohle und aus fossilen Brennstoffen. Die Urbanen setzen zu 100 Prozent auf Windkraft und Photovoltaik, mit staatlicher Förderung auf alle geeigneten Dächer Deutschlands montiert. Völlig untersagt werden soll, dass jährlich elf Millionen Lebensmittel im Wert von 25 Milliarden Euro im Müll entsorgt werden. Alternative Verwertungen sollen Pflicht werden.   

Tierschutzpartei  

Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

1993 gegründet, gehört diese Partei fast schon zu den "Oldies" unter den Kleinparteien. Nach Vorstellung der Partei bilden Mensch, Tier und Natur eine Einheit, die es zu beschützen und zu erhalten gilt. Deshalb müsste für Tiere auch ein eigener Artikel ins Grundgesetz. Ihr Schmerzempfinden und ihre Gefühle sollen geachtet werden. Dass Tiere bisher rechtlich nur als "Sache" gelten, will die Partei unbedingt ändern. Dafür errang sie bei vorangegangenen Bundestagswahlen immerhin bis zu 0,5 Prozent aller Wählerstimmen. Weitere Ziele: Verlagerung der Autofahrer auf Busse, Bahnen und Schiffe. Volle Haftung für Umweltschäden für den Verursacher. Reduzierung des Flugverkehrs. Verbot der Gentechnik. Umfangreicherer Schuldenerlass für Entwicklungsländer.

V-Partei³

Bild: Heidi Fuller-love

Das Hoch-drei, das wie eine mathematische Formel aussieht, führt zwar immer wieder zu Nachfragen, aber das nehmen die Menschen, die sich im Jahr 2016 zusammenfanden, gern in Kauf. Den Veganern und Vegetariern schwebt nämlich ein Dreiklang der Veränderungen vor. Eine "Agraragenda 2030" soll eine bio-vegane Landwirtschaft gewährleisten. Konflikte sind nur noch gewaltfrei zu lösen, weshalb die Partei sämtliche Rüstungsexporte verbieten und die Nato auflösen will. In Krisenländern möchte man stattdessen mit einer gestärkten UNO Bildung fördern und die Arbeit auf den dortigen Landflächen stärken. Im Bereich der Pflege für bedürftige Menschen sollen gewinnorientierte Dienstleister eingeschränkt werden. Dass ein begleitetes Sterbefasten legalisiert wird, dafür setzte sich mit fast 90 Jahren eine prominente ehemalige Schauspielerin und Autorin ein: Barbara Rütting. Sie engagierte sich früher in Bayern bei den Grünen und gehört jetzt der neuen Partei an, für die sie sogar in den Straßenwahlkampf zieht.

Partei der Vernunft

Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas

Vernünftig zu sein, behaupten natürlich alle Parteien von sich. Seit dem Streit über den Vernunftbegriff in der Französischen Revolution ein mutiger Schritt der Gründer, die im Jahr 2009 spontan beschlossen, eine politische Vereinigung ins Leben zu rufen. Auslöser war, dass ihre Ideen von mehr als 100 Lesern einer Zeitschrift unterstützt wurden. Zum Programm ihres direkten Demokratiemodells gehören: mehr Volksbefragungen und weniger staatlicher Einfluss. Sogar die Märkte sollen unkontrolliert funktionieren, weil jeder Eingriff in die Märkte unsoziale Folgen hätte. Nach dem Konzept der "Vernünftigen" würden vor allem die Kommunen Steuern erheben und vereinnahmen dürfen, dem Bund stünde dann nur ein geringer Anteil zu. Städte und Gemeinden entschieden dann auch darüber, wo und wie die Steuern verwendet werden. Staatliche Subventionen möchte die Partei komplett streichen. Dafür würde auch nur noch ein Einheitssteuersatz von zehn Prozent gelten.

Die Partei     

Bild: picture-alliance/dpa

Eine bundesweite Bierpreisbremse, Managergehälter nur noch in der Größe eines Damen-BH und das Verbot der Formel "Es war Putin" im Wahlprogramm dieser Partei machen schnell deutlich, dass es sich hier eher um eine Spaßpartei handeln könnte. Aber das klare Bekenntnis zum Rechtsstaat, der Einsatzwille für mehr Gerechtigkeit, basisdemokratische Initiative und der Wille zur Eliteförderung erhalten Die Partei bereits seit 2004 bei Wahlen.

Die Partei erfüllt nach Angaben des Bundeswahlleiters wie alle übrigen zugelassenen Parteien alle rechtlichen Anforderungen nach dem Parteiengesetz. Das soll Parteigründer Martin Sonneborn, den langjährigen Chefredakteur und Herausgeber des Satiremagazins "Titanic", zuerst entsetzt haben. Seine Intention war doch wohl zunächst, zu provozieren. Aber im Gegenteil: Sonneborn gewann bei der Wahl im Jahr 2014 sogar einen Sitz im Europaparlament. Als er sogar in der Bundesversammlung den neuen Bundespräsidenten mitwählen durfte, schlug er seinen Vater Engelbert vor. Der aber unterlag Frank-Walter Steinmeier. 

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