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Wer wird Deutschland künftig regieren?

25. Februar 2025

CDU/CSU haben die Bundestagswahl zwar gewonnen, brauchen aber einen Koalitionspartner. Den sehen sie in der bisher regierenden SPD. Die aber muss erst einmal ihre Niederlage verkraften.

Olaf Scholz, Lars Klingbeil und Saskia Esken bei Pressekonferenz vor einer roten Wand mit riesigen Buchstaben SPD
Die SPD hat bei der Bundestagswahl eine schwere Schlappe erlitten, wird aber wohl als Koalitionspartner gebrauchtBild: Andreas Rentz/Getty Images

SPD-Kanzler Olaf Scholz nimmt so Abschied von der Macht, wie er regiert hat: nüchtern und ohne sichtbare Emotionen. Es sei ihm "eine Ehre gewesen", Verantwortung zu tragen, gerade in diesen "herausfordernden Zeiten", sagte er am Tag nach der für die Sozialdemokraten krachend verlorenen Bundestagswahl

Regelrecht gelassen wirkte der 66-Jährige, wie er da zwischen den SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken vor Journalisten in der Parteizentrale in Berlin stand - in der Mitte der Bühne, dabei ist nicht zu übersehen, dass Scholz bereits keine zentrale Rolle mehr spielt.

Lars Klingbeil, Olaf Scholz und Saskia Esken (v.l.) am Tag nach der BundestagswahlBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Er bedankte sich bei seinen Wählern und seiner Partei und sagte dann noch einen Satz, den so nur Scholz sagen kann: Er werde seine Arbeit "bis zum letzten Tag ordentlich zu Ende zu führen". 

Was kann der Bundeskanzler noch machen?

Wie diese noch verbleibende Arbeit im Amt aussieht, daran lässt CDU-Chef Friedrich Merz, der voraussichtlich künftige Bundeskanzler, keinen Zweifel. Seine Partei habe bereits ein "Memorandum of Understanding" ans Kanzleramt geschickt, "dass seitens der Bundesregierung keine Entscheidungen mehr getroffen werden, die von Dauer sind, ohne unsere Mitwirkung". 

In dem Brief seien die Punkte enthalten, "die wir für richtig halten im Hinblick auf die Zusammenarbeit jetzt in dieser Übergangsphase", so Merz. Wie lange dieser Übergang dauern wird, das hängt vor allem davon ab, wie schnell CDU/CSU einen Koalitionspartner finden. Möglichst rasch sollen Gespräche mit der SPD geführt werden, schon am Montag meldete sich Merz bei SPD-Chef Klingbeil und Noch-Kanzler Olaf Scholz. 

Die Wahl in Hamburg abwarten

Der CDU-Chef nannte drei Themen, die er "prioritär" mit der SPD für eine Regierungsbildung besprechen wolle: die Außen- und Sicherheitspolitik, die Migrationspolitik und die Stärkung der Konjunktur. "Da gehe ich davon aus, dass die Sozialdemokraten, anders als die Grünen, ein sehr hohes Interesse daran haben, dass die Industriearbeitsplätze in Deutschland erhalten bleiben", betonte Merz. 

Strotzt vor Selbstbewusstsein: Friedrich Merz, CDU-Chef und voraussichtlich nächster BundeskanzlerBild: Maja Hitij/Getty Images

Er sei "fest entschlossen, mit den Sozialdemokraten konstruktive, gute, zügige Gespräche zu führen", sagte Merz. Nach den Wahlen im Stadtstaat Hamburg, die am 2. März stattfinden, werde es losgehen. 

Die Union drängt, die SPD bremst noch

Der 69-jährige Merz strotzt vor Selbstbewusstsein, auch wenn die Union ihr erklärtes Wahlziel, über 30 Prozent der Stimmen zu bekommen, nicht erreicht hat. 28,5 Prozent sind es geworden, das entspricht 208 Sitzen im neuen Bundestag. Die SPD kam auf 16,4 Prozent, das ergibt 120 Sitze. Mit 328 von 630 Sitzen sei man "natürlich in der Lage, eine Regierung zu bilden, eine schwarz-rote Koalition", so Merz. "Und genau das ist es, was wir auch wollen."

Doch will das auch die SPD? "Ob es zu einer Regierungsbildung kommt, ob die SPD in eine Regierung eintritt, das steht nicht fest", bremst der SPD-Vorsitzende Klingbeil. "Der Ball liegt erstmal bei Friedrich Merz, auf die Sozialdemokratie zuzukommen, das Gespräch zu suchen, zu sondieren, Verhandlungen zu führen." Was er noch hinzufügt: "Dann werden die Mitglieder der SPD entscheiden."

Zurück zur "Volkspartei der linken Mitte"

Ein Mitgliederentscheid ist eine nicht zu unterschätzende Hürde. Die SPD hat ihr schlechtestes Wahlergebnis auf Bundesebene seit 1890 eingefahren. Mehr als neun Prozent Verlust im Vergleich zur Bundestagswahl 2021. Da fragen sich nicht wenige Parteimitglieder an der Basis, ob es nicht klüger wäre, sich in der Opposition neu aufzustellen und wieder Kraft zu tanken. 

Künftig auch Minister? SPD-Chef Lars Klingbeil will regierenBild: Ronny Hartmann/AFP/Getty Images

Eine Neuaufstellung strebt auch die SPD-Führung an. Die Partei müsse modernisiert werden und wieder "Volkspartei der linken Mitte" werden, fordert Lars Klingbeil. Dafür müsse die SPD programmatisch, organisatorisch und personell erneuert werden. Gleichzeitig zu regieren wäre ein "Spagat", aber machbar. 

Tiefe Gräben zur Union

Die Frage ist, wie Kompromisslinien zwischen Union und SPD gefunden werden können. "Wenn ich mir manche Äußerungen von Friedrich Merz in den letzten Wochen, vielleicht sogar in den letzten Tagen anschaue, dann hat das die Gräben zur SPD nicht flacher, sondern tiefer gemacht", argwöhnt Klingbeil.

Damit meint er nicht nur die Äußerungen von Merz, dass linke Politik in Deutschland mit der Union nicht möglich sei. Die Union hat die SPD auch nachhaltig vor den Kopf gestoßen, als sie Ende Januar auf die Stimmen der in Teilen rechtsextremen AfD setzte, um im Bundestag eine Mehrheit für eine Verschärfung der Asylpolitik zu bekommen. 

Nach der Asyl-Abstimmung im Bundestag gab es viele Proteste in DeutschlandBild: Christian Mang/Reuters

Es gebe inzwischen eine tiefe Verunsicherung bei einem Drittel der Bevölkerung in Deutschland, die eine migrantische Familiengeschichte haben, sagt Klingbeil. "Ob eigentlich in diesem Land noch Platz für sie ist, ob es noch sicher ist, ob es eine Zukunft für sie gibt." 

AfD so stark wie nie

Mit 20,8 Prozent der Stimmen hat die AfD ihr Wahlergebnis im Vergleich zur letzten Bundestagswahl exakt verdoppeln können. Partei-Co-Chefin Alice Weidel kündigte noch am Wahlabend an, ihre Partei werde die Union "jagen". Erklärtes Ziel der AfD sei, in den nächsten vier Jahren noch stärker zu werden, um in Deutschland regieren zu können.

Weidel: "Wir haben uns als Volkspartei fest verankert"

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Das verhindern zu wollen, in diesem Punkt sind sich Union und SPD jedenfalls schon einig. Das Wahlergebnis der AfD sei "nun wirklich das letzte Warnzeichen an die politischen Parteien der demokratischen Mitte in Deutschland, zu gemeinsamen Lösungen zu kommen" sagt Friedrich Merz. 

Auch der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder warnte vor einem "Abdriften Deutschlands nach rechts". Es gelte, das zu verhindern. "Dies ist die letzte Patrone der Demokratie." SPD-Chef Klingbeil sprach von bevorstehenden "harten Jahren" und einem "harten Kampf", aber auch einem "Auftrag, den wir gestern Abend durch dieses Wahlergebnis bekommen haben".

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