Auch nach zehn Spielen mit dem DFB-Team ist Bundestrainer Hansi Flick weiterhin ungeschlagen. Und doch fehlt ihm nach wie vor ein Sieg mit der Nationalelf gegen eine der großen Fußballnationen.
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Thomas Müller brachte es nach dem 1:1 in der UEFA Nations League gegen England auf den Punkt. "Man hat gesehen, wozu wir in der Lage sind", sagte der 32 Jahre alte Routinier des FC Bayern, der in München sein 114. Länderspiel bestritt. "Aber Konstanz und Ergebnisse gehören dazu, eine Spitzenmannschaft zu sein. Es reicht nicht, es immer nur anzudeuten."
Bei Hansi Flick klang das weniger differenziert. "Wir haben genauso Fußball gespielt, wie wir uns das vorstellen, die Art und Weise war einfach toll", schwärmte der Bundestrainer. Alle seine Aufträge seien umgesetzt worden, so Flick. Das sei für ihn "unheimlich wertvoll". Immerhin fand der 57-Jährige dann doch noch ein "Aber": "Schade, dass wir uns nicht belohnt haben." Das soll in der nächsten Partie in Ungarn anders werden.
Dreimal 1:1
Die Partie gegen England war das zehnte Spiel unter Bundestrainer Flick - und noch immer ist er ungeschlagen. Doch schaut man sich die Spiele genauer an, fällt auf: Gegen Mannschaften großer Fußball-Nationen reichte es bislang nicht zum Sieg. 1:1 in den Niederlanden, 1:1 in Italien und jetzt auch 1:1 gegen England.
In allen drei Partien war das DFB-Team anfangs die bessere Mannschaft, verlor dann aber in der zweiten Hälfte den Faden und damit auch die Kontrolle übers Spiel. Gegen das Oranje-Team und gegen die "Three Lions" verspielte die Flick-Elf jeweils eine 1:0-Führung, gegen die "Squadra Azzurra" geriet sie in Rückstand, konnte aber noch ausgleichen. In den Spielen gegen diese Teams auf Augenhöhe zeigte die deutsche Nationalmannschaft über weite Strecken attraktiven Fußball. Doch, um mit Flick zu reden, sie "belohnte" sich nicht.
Knipser fehlt
Das dürfte die größte Baustelle Flicks auf dem nicht mehr langen Weg zur WM in Katar sein. Kein halbes Jahr bleibt dem Bundestrainer noch Zeit, um für mehr Effektivität in der Offensive zu sorgen. Ein "Knipser", sprich ein klassischer Mittelstürmer mit untrüglichem Torinstinkt, wie ihn wie etwa der Pole Robert Lewandowski besitzt, fehlt im DFB-Kader.
Weder Timo Werner noch Kai Havertz oder Serge Gnabry entsprechen diesem Typus. An guten Tagen können sie jedes Spiel entscheiden, an weniger guten brauchen sie einfach zu viele Chancen, um zu treffen. Wer erzielte die Tore gegen die namhaften Gegner? Gegen die Niederlande war es Thomas Müller, eher ein Tor-Vorbereiter als ein klassischer Goalgetter. Gegen Italien Joshua Kimmich, ein defensiver Mittelfeldspieler. Und gegen England Jonas Hofmann, der erst 2020 im Alter von 28 Jahren sein erstes Länderspiel bestritt und eher selten in der DFB-Startelf steht.
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Coolness trainieren
Ein WM-Torschützenkönig ist noch keine Garantie, am Ende auch den Titel zu holen. So belegte England mit Harry Kane (sechs Tore) bei der Endrunde 2018 in Russland nur Rang vier. Und 2014 war für Kolumbien mit James Rodriguez (sechs Tore) im Viertelfinale Endstation. Doch es ist eben auch eine Binsenweisheit, dass noch niemand Weltmeister geworden ist, ohne die entscheidenden Tore zu schießen. Dafür braucht es eine gewisse Coolness.
Topmannschaften lassen meist nur wenige Chancen des Gegners zu. Diese dann auch abgezockt zu nutzen, macht den Unterschied aus. Und genau daran sollte Hansi Flick arbeiten.
Wenn er schon nicht den Knipser schlechthin aufbieten kann, muss die Torlast eben auf viele Schultern verteilt werden. Flick sollte darauf hintrainieren, dass seine Offensivspieler im entscheidenden Augenblick ihre Chancen nicht liegenlassen, sondern eiskalt nutzen.
Muss Müller wieder müllern?
So cool wie Thomas Müller beim WM-Triumph 2014, als er fünfmal traf. Oder bei der WM 2010, als er ebenfalls fünfmal einnetzte und Deutschland den dritten Platz belegte.
Vielleicht muss es auch in Katar - trotz der vielen vielversprechenden Talente im DFB-Team - erneut der Routinier richten, den Flicks Vorgänger Joachim Löw nach der WM-Pleite 2018 schon aussortiert hatte. An der richtigen Einstellung mangelt es Müller jedenfalls nicht. Und abgezockt ist er auch. Das weiß auch der frühere Bayern-Erfolgstrainer Hansi Flick.
Die erfolgreichsten Torjäger für Deutschland
Wer die entscheidenden Tore oder besonders viele Treffer erzielt, genießt bei den Fans besonderes Ansehen. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat einige große Torjäger gehabt - diese zehn waren am erfolgreichsten.
Bild: Reuters
Michael Ballack - 42 Tore
Zwischen vielen Stürmern ist Michael Ballack der torgefährlichste Mittelfeldspieler der deutschen Nationalelf. Zwischen 1999 und 2010 macht der "Capitano" 98 Länderspiele. Sein großes Manko: Einen Titel gewinnt Ballack nie. Das WM-Finale 2002 verpasst er wegen Gelbsperre, 2006 ist im Halbfinale Schluss. 2008 geht das Endspiel gegen Spanien verloren und 2010 fehlt Ballack wegen einer Verletzung.
Nach dem WM-Gewinn von 1954 beruft Bundestrainer Sepp Herberger den damals erst 17-jährigen Seeler ins Nationalteam. 1961 ist Seeler erstmals Kapitän. Der ewige HSV-Stürmer spielt bis 1970 für Deutschland und steht dabei insgesamt 72 Mal auf dem Platz. Sein berühmtestes Tor erzielt er 1970 im WM-Viertelfinale gegen England mit dem Hinterkopf (Foto).
Bild: Sven Simon/picture-alliance
Karl-Heinz Rummenigge - 45 Tore
Der spätere Vereinsboss des FC Bayern ist 1976 bei seinem Debüt im DFB-Team 21 Jahre alt. Er stürmt seit 1974 für die Münchener und ist bereits zweifacher Europapokalsieger. Rummenigge ist 1978 bei der WM dabei, gewinnt 1980 mit Deutschland die Europameisterschaft und führt das DFB-Team 1982 und 1986 als Kapitän ins WM-Finale, geht aber jeweils als Verlierer vom Platz.
Bild: Photoshot/picture alliance
Thomas Müller - 45 Tore
Der Weltmeister von 2014 und WM-Torschützenkönig von 2010 erlebt seine "zweite Karriere" in der Nationalelf. Im März 2019 sortierte Bundestrainer Joachim Löw Müller zum Unverständnis vieler Fans und Experten aus und "begnadigt" den vielseitigen Offensivspieler erst kurz vor der EURO im Jahr 2021. Auch bei der WM 2022 und der Heim-EM 2024 ist er dabei. Direkt nach dem Turnier tritt er zurück.
Bild: Jürgen Fromme /firo/augenklick/picture alliance
Jürgen Klinsmann - 47 Tore
Elf Jahre lang, von 1987 bis 1998, ist Jürgen Klinsmann Nationalspieler und bestreitet 108 Länderspiele. 1990 wird er Weltmeister, 1996 darf er als Kapitän den EM-Pokal aus den Händen der Queen entgegennehmen. Eines seiner herausragenden Länderspiele macht Klinsmann 1990 im WM-Achtelfinale gegen die Niederlande, als Deutschland den Europameister mit 2:1 besiegt (Foto).
Bild: Getty Images
Rudi Völler - 47 Tore
Ebenfalls 47 Treffer erzielt Klinsmanns langjähriger Sturmpartner, allerdings benötigt "Rudi Nazionale" nur 90 Länderspiele dafür. Völler trägt das DFB-Trikot von November 1982 bis Juli 1994 und nimmt in dieser Zeit an allen Turnieren teil. Der spätere Sportdirektor von Bayer Leverkusen steht mit dem DFB-Team 1986 im WM-Finale und verliert, vier Jahre später wird er Weltmeister.
Bild: imago-images/C. Bergmann
Lukas Podolski - 49 Tore
Mit dem Ball am Fuß lossprinten und überlegt ins lange Eck abschließen, auf diese Art und Weise erzielt Lukas Podolski einige seiner 49 Treffer im DFB-Dress. In Polen geboren hätte er auch für das dortige Nationalteam spielen können, entscheidet sich aber für Deutschland, für das er 130 Mal aufläuft. Von der EM 2004 bis zur EM 2016 ist er bei allen Turnieren dabei und wird 2014 Weltmeister.
Bild: Reuters/W. Rattay
Joachim Streich - 55 Tore
Der schnelle Angreifer ist einer der besten Rechtsaußen, die für ein deutsches Nationalteam gespielt haben. Streich erzielt seine 55 Tore zwischen 1969 und 1984 in 102 Länderspielen für die DDR-Auswahl. Er nimmt mit der DDR an der WM 1974 teil, fehlt aus taktischen Gründen aber ausgerechnet beim Duell mit dem "Klassenfeind" BRD. Die DDR gewinnt auch ohne ihren besten Torjäger mit 1:0.
Bild: WEREK/imago images
Gerd Müller - 68 Tore
Lange Zeit gilt seine Marke von 68 Länderspieltoren als unerreichbar. Müller, genannt der "Bomber der Nation", benötigt für seine 68 Treffer gerade einmal 62 Länderspiele, die er zwischen 1966 und 1974 bestreitet. Oft macht er die entscheidenden Tore - so auch den Siegtreffer im WM-Endspiel von 1974 (Foto), seinem letzten Auftritt im Trikot der Nationalmannschaft.
Bild: picture-alliance/dpa/P.Robinson
Miroslav Klose - 71 Tore
Drei Tore mehr als der "Bomber" erzielt Miroslav Klose in seinen 137 Länderspielen. Sein erstes Tor im DFB-Dress gelingt ihm gleich beim Debüt im März 2001. Kloses größter Erfolg: der Gewinn der WM 2014 in Brasilien. Anschließend tritt er aus der Nationalelf zurück. Klose ist mit 16 Treffern erfolgreichster WM-Torschütze aller Zeiten.