Er will weitermachen wie bisher, aber mit ordentlich Wut im Bauch: Bundestrainer Joachim Löw hat seinem Ärger Luft gemacht. Im Zentrum der Kritik steht dabei die DFB-Spitze um Fritz Keller.
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Joachim Löw erschien in einem weinroten Pullover zur ersten Medienrunde nach dem desaströsen 0:6-Debakel gegen Spanien. Und es war schnell klar: Der Bundestrainer wird von seiner Linie nicht abrücken. Im Gegenteil. Löw zeigte sich angriffslustig und machte seiner Enttäuschung darüber Luft, wie der DFB nach dem Spanien-Spiel agiert hat:
"Es gab eine Pressemitteilung, der Trainer brauche emotionale Distanz. Das war für mich unverständlich. Ich habe gesagt: 'Gebt mir einen Tag Zeit'." Löw sagte, er habe sich sehr darüber geärgert, dass in den vergangenen Tagen Inhalte aus internen Gesprächen mit dem DFB an die Öffentlichkeit gelangt seien: "Das hat mich persönlich maßlos enttäuscht." Er forderte Geschlossenheit statt Störfeuer. "Da herrscht Explosionsgefahr bei mir, wenn Dinge nach außen gehen, die nicht nach außen gehören!"
Der DFB hatte knapp zwei Wochen nach der Nations-League-Partie in Sevilla mitgeteilt, dass Löw Bundestrainer bleibe. Der Gedanke an einen Rücktritt sei Löw nicht gekommen, betonte dieser. Der interne Vorstoß des DFB-Präsidenten Fritz Keller, ihn nach der EM vor Vertragsende loszuwerden, sei "so nicht in Ordnung gewesen", betonte Löw, er habe sich "nicht einverstanden erklärt" damit. In einem Telefonat mit Keller habe er "deutlich gemacht, was mich gestört hat". Nach dieser Aussprache sei die Sache "für mich erledigt".
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Rückholaktion vor EM nicht ausgeschlossen
Das 0:6 hat auch bei Löw Spuren hinterlassen. Die Wut, die er danach empfunden habe, "brodelt immer noch in mir", sagte er. Gründe für die historische Pleite nannte er auch, etwa jenen, dass seine Elf nach dem 0:1 seine "taktische Vorgabe verlassen" habe.
Mit Blick auf die Europameisterschaft im kommenden Sommer sagte Löw, sein Team wolle eine "bestmögliche" EM spielen."Die Erwartungen sind sicherlich sehr groß, aber das ist unser eigener Anspruch. Wir wollen so weit wie möglich kommen, das Finale erreichen, das Turnier gewinnen."
Dabei schloss er ein Comeback der Weltmeister-Trios Thomas Müller, Jerome Boateng und Mats Hummels nicht aus. Das werde es aber nur im Notfall geben. Wenn er vor der EM im Sommer erkenne, "es braucht dies oder jenes noch, um erfolgreich zu sein, wird man das auf jeden Fall noch tun". Aktuell sehe er für eine Rückholaktion "keine Veranlassung".
Dass sich Löw erst drei Wochen nach der Schmach von Sevilla äußerte, hatte vielfach Kritik provoziert. Auch, weil er nach der Jobgarantie durch den DFB zu Beginn der vergangenen Woche abermals kommentarlos abgetaucht war.
Joachim Löw: Der Weg zum Helden und zurück
Die Ära Joachim Löw in der Fußball-Nationalmannschaft ist beendet. Nach 15 Jahren hört der 61 Jahre alte Weltmeistertrainer von 2014 auf. Ein Blick zurück auf seine Karriere.
Bild: Kai Pfaffenbach/REUTERS
Einer mit Torriecher
Dass Joachim Löw einmal als der berühmteste Spross seiner Geburtsstadt Schönau im Schwarzwald gefeiert werden würde, war nicht unbedingt zu erwarten. Als Fußballer hat er zwar einen guten Torriecher - mit 83 Treffern, 81 davon in der 2. Liga, ist er lange Zeit Rekordtorschütze des SC Freiburg. Vier Einsätze im U21-Team des DFB verbucht der Mittelstürmer, eine richtig große Nummer ist er aber nie.
Bild: Herbert Rudel/picture alliance
DFB-Pokalsieg zum Trainer-Einstand
Mit 35 Jahren beendet Löw seine aktive Karriere beim FC Frauenfeld in der Schweiz - als Spielertrainer. Sein erstes Engagement als Cheftrainer beginnt vielversprechend: 1997 gewinnt Löw, damals noch ohne Trainerlizenz, mit dem VfB Stuttgart den DFB-Pokal gegen Energie Cottbus. Ein Jahr später verlieren die Schwaben unter Löw das Endspiel im Europapokal der Pokalsieger gegen den FC Chelsea mit 0:1.
Bild: Sven Simon/IMAGO
Wechsel im Jahrestakt
Nach der Saison 1997/98 trennt sich der VfB von Löw, der daraufhin beim türkischen Traditionsklub Fenerbahce Istanbul anheuert. Dieses eher glücklose Engagement dauert nur ein Jahr - wie auch die anschließenden Stationen beim Zweitligisten Karlsruher SC, bei Adanaspor in der Türkei, beim FC Tirol Innsbruck und bei Austria Wien. Mit den Innsbruckern wird Löw 2002 österreichischer Meister.
Bild: Pressefoto Baumann/IMAGO
Zwei Freunde, ein Trainerteam
Beim Trainer-Kurzlehrgang des DFB im Jahr 2000 drückt Löw gemeinsam mit Jürgen Klinsmann (l.) die Schulbank. Die Chemie zwischen ihnen stimmt. Daran erinnert sich Klinsmann, als er nach dem deutschen Vorrunden-Aus bei der EM 2004 Rudi Völler als Teamchef der Nationalmannschaft ablöst. Klinsmann holt Löw als Assistenten. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass die Heim-WM 2006 zum "Sommermärchen" wird.
Bild: Oliver Berg/dpa/picture-alliance
Bad in der Menge
Deutschland wird nach begeisternden Auftritten und dem Halbfinal-Aus gegen Italien WM-Dritter und erlebt eine völlig neue Fußball-Euphorie. Auf der Fanmeile am Brandenburger Tor in Berlin lassen sich Löw und Klinsmann mit Torwarttrainer Andreas Köpke (l.) und Teammanager Oliver Bierhoff (r.) nach dem Turnier von den Massen feiern. Klinsmann nimmt anschließend seinen Hut, Löw wird Bundestrainer.
Bild: picture-alliance/dpa
Spanien eine Nummer zu groß
Bei der EM 2008 wird Löw im letzten Gruppenspiel gegen Co.-Gastgeber Österreich nach einem lautstarken Disput mit dem vierten Offiziellen auf die Tribüne verbannt und für das Viertelfinale gegen Portugal gesperrt. Deutschland erreicht schließlich das Finale und muss sich dort - wieder mit Löw auf der Bank - Spanien mit 0:1 geschlagen geben.
Bild: Oliver Berg/dpa/picture alliance
Kuranyi aussortiert
Im Oktober 2008 greift der Bundestrainer durch. Kevin Kuranyi (r.), von Löw im WM-Qualispiel gegen Russland auf die Tribüne gesetzt, verlässt zur Halbzeit der Partie das Stadion in Dortmund. "So wie Kevin gestern reagiert hat, kann ich das nicht akzeptieren und werde ihn in Zukunft nicht mehr für die Nationalmannschaft nominieren", sagt Löw anschließend und beendet Kuranyis DFB-Karriere.
Bild: Oliver Berg/dpa/picture-alliance
Derselbe Stolperstein
Bei der WM 2010 in Südafrika begeistert die runderneuerte deutsche Mannschaft mit spektakulärem Offensivdrang. Löw zeigt, dass er mit jungen Spielern wie Mesut Özil (r.) umgehen und sie ins Team integrieren kann. Aber wieder sind es die damals international dominierenden Spanier, die das DFB-Team stoppen, dieses Mal im Halbfinale. Deutschland beendet das Turnier wie 2006 als WM-Dritter.
Bild: STEPHANE DE SAKUTIN/AFP/Getty Images
Never change a winning team
Nach der EM 2012 in Polen und der Ukraine muss Löw erstmals heftige Kritik einstecken. Nach 15 Pflichtspiel-Siegen in Serie ist im EM-Halbfinale gegen Italien Endstation. Das DFB-Team verliert 1:2, nachdem Löw das zuvor überzeugende Team auf mehreren Positionen verändert. Diese Rechnung geht nicht auf. Der Bundestrainer muss sich den Vorwurf gefallen lassen, sich "vercoacht" zu haben.
Bild: Jens Wolf/dpa/picture-alliance
Die Helden von Rio
Die Krönung zwei Jahre später: Durch einen 1:0-Sieg nach Verlängerung gegen Argentinien sichert sich Deutschland in Rio de Janeiro den Weltmeistertitel. Zuvor demütigte das DFB-Team im Halbfinale Gastgeber Brasilien mit 7:1 - ein historischer Sieg. Mit 54 Jahren steht Löw auf dem Gipfel seiner Karriere und wird in der Folge zum "Welttrainer des Jahres 2014" gewählt. Aber Löw will mehr.
Bild: VI Images/IMAGO
Wieder nur EM-Halbfinale
Zu gerne würde Löw auch den EM-Titel gewinnen. Doch auch der dritte Anlauf des Bundestrainers scheitert: Bei der EM 2016 muss sich Weltmeister Deutschland im Halbfinale Gastgeber Frankreich mit 0:2 geschlagen geben. Fast schon trotzig verlängert Löw nach dem Turnier seinen Vertrag bis 2020 - hoch motiviert, den WM-Titel 2018 in Russland zu verteidigen.
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Der zweite Anzug passt
Und es scheint alles nach Plan zu laufen. Ein Jahr vor der WM, im Sommer 2017, gewinnt Deutschland in Russland die WM-Generalprobe, den Confederations Cup - und das, obwohl Löw mit einer besseren B-Elf anreist. Doch auch diese Mannschaft mit vielen jungen, noch unerfahrenen Nationalspielern überzeugt. Fazit ein Jahr vor der WM: Der zweite Anzug passt.
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Blamage in Russland
Doch es folgt der tiefe Absturz. Bei der WM 2018 in Russland blamiert sich das deutsche Team bis auf die Knochen. Nach Niederlagen gegen Mexiko und Südkorea und einem Sieg gegen Schweden scheidet der Titelverteidiger als Gruppenletzter nach der Vorrunde aus. So will Löw nicht aufhören. Schon vor der WM wurde sein Vertrag vorzeitig bis 2022 verlängert und er macht trotz der Blamage weiter.
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Drei Weltmeister geopfert
Nach dem WM-Debakel räumt Löw eigene Fehler ein. Er habe fälschlicherweise geglaubt, "mit Ballbesitzfußball durch die Vorrunde zu kommen", sagt der Bundestrainer bei seiner WM-Analyse. "Es war fast schon arrogant." Löw kündigt einen Generationswechsel im DFB-Team an und erklärt, künftig auf die 2014er Weltmeister Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller zu verzichten.
Bild: Kirill Kudryavtsev/AFP/Getty Images
Der "rabenschwarze Tag"
Souverän qualifiziert sich das DFB-Team für die EM 2020, die wegen der Corona-Pandemie verschoben wird. Löw wähnt sich auf dem richtigen Weg - bis zur 0:6-Pleite im Nations-League-Spiel in Spanien, der zweithöchsten Schlappe in der Geschichte der DFB-Nationalmannschaft. "Es war ein rabenschwarzer Tag", sagt der aktuell dienstälteste Nationaltrainer der Welt, für den die Luft dünn wird.
Bild: Marcelo Del Pozo/REUTERS
Rücktritt angekündigt
Zunächst geht es für Löw weiter. Doch noch vor dem ersten Länderspiel 2021 gegen Island verkündet der damals 61-Jährige: Nach der EM in diesem Jahr ist für ihn Schluss. Der DFB nimmt die Entscheidung dankbar an. Sie sei "hoch anständig", sagt der damalige DFB-Präsident Fritz Keller. So habe der Verband genügend Zeit, um "mit Ruhe und Augenmaß" einen Nachfolger zu suchen.
Bild: Martin Rose/Getty Images
Ende einer Ära nach dem WM-K.o.
Das Achtelfinale bei der EURO 2020 gegen England im Wembley-Stadion ist das letzte Spiel, dass Joachim Löw (r.) als Bundestrainer betreut. Die Partie geht mit 0:2 verloren. Erneut scheidet sein Team nach der WM 2018 in Russland frühzeitig aus einem Turnier aus. Nach dem Spiel ringt Löw mit den Emotionen. Nach der Heimreise aus England beginnt eine neue Zeit beim DFB: Löw hört auf.