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Joachim Löw: Eine Frage der Kommunikation

Tobias Oelmaier
9. Dezember 2020

Dem Desaster auf dem Platz folgt ein weiteres: Durch sein langes Schweigen nach dem 0:6 gegen Spanien verschlimmert Bundestrainer Joachim Löw die Lage. Auch seine Stellungnahme vom Montag ändert daran nichts.

Deutschland Frankfurt a.M. | Auslosung Katar| Joachim Löw, Nationaltrainer
Bild: DFB/REUTERS

Joachim Löw macht eine Kunstpause und dann ein Geräusch mit der Zunge, wie er es gerne macht. Etwas kürzer vielleicht als sonst. Er wirkt gestresst auf dieser Pressekonferenz, knapp drei Wochen nach dem 0:6-Debakel der Fußball-Nationalmannschaft im Nations-League-Spiel gegen Spanien. Es ist ihm anzumerken: Eigentlich will er gar nicht hier sein, gar nicht öffentlich sprechen.

So zieht er also die Spucke zusammen und vollendet seinen Satz, den er in der für ihn typischen Art begonnen hatte: "Von daher war ich, das möchte ich vielleicht auch sagen" - Kunstpause - "enttäuscht über manche Dinge, die so" - Kunstpause - "in die Öffentlichkeit geraten sind, ja." Er meinte damit Indiskretionen der Verbandsspitze im öffentlichen Umgang mit der Niederlage und der Diskussion um ihn als Bundestrainer und seinen noch bis 2022 laufenden Vertrag beim DFB. Diesbezüglich hatte es im Verband eine Kontroverse mit dem Ergebnis, dass der Weltmeister-Coach bis 2022 weitermachen darf, gegeben. DFB-Präsident Fritz Keller hatte Löw mehrfach gebeten, den Weg für einen Neuanfang nach der EM 2021 frei zu machen.

Keine Zugeständnisse

Löw erklärte an diesem Nachmittag von vielen Dingen enttäuscht zu sein, referierte darüber, dass er sich Offenheit und Vertrauen wünsche, dass in ihm eine Wut brodele nach dem Spanien-Spiel. Doch es schien, als suche er die Fehler ausschließlich bei anderen. Dabei sehen die Fußballanhänger in Deutschland den Bundestrainer als Hauptverantwortlichen für das Tief der Nationalmannschaft. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hält weniger als ein Drittel Löw noch für den richtigen Trainer der Nationalmannschaft.

Kommunikationsberater Tom BuschardtBild: 200prozent/Nina Hummes

"Es war Löws Fehler, sich drei Wochen lang nicht zu äußern", sagt der Medien- und Kommunikationsberater Tom Buschardt der DW. Löw habe "die Medien das Narrativ dieser Niederlage bestimmen lassen" und damit "die Dinge aus der Hand gegeben". Der Bundestrainer hätte nach Buschardts Einschätzung schneller das Wort ergreifen und den Erzählsatz selbst bestimmen müssen.

Zumindest aber hätte er das eingestehen müssen, was die breite Masse wahrgenommen hat: Dass dieses Spanien-Spiel ein Desaster war. Damit wäre er glaubwürdig geblieben. "Man kann Mist nicht in Minze verwandeln, aber man kann ihn zumindest etwas ansehnlicher darstellen", so Kommunikationsberater Buschardt.

Matthäus und Lahm kritisieren Löw

"Ich war enttäuscht, dass man so lange mit den Antworten wartet", sagte Lothar Matthäus vergangenen Sonntag bei "Sky". "Es ist nicht fair gegenüber den Fans, sie so lange zurückzulassen", bemängelte der Rekord-Nationalspieler. "So wie sich Löw verhält, so war er auch gegen Spanien. Sehr zurückhaltend. Früher hatte er eine andere Körpersprache. Man muss sich der Öffentlichkeit stellen."

Löw und DFB-Direktor Oliver Bierhoff begründeten das lange Schweigen damit, dass die "Schmach von Sevilla" erst intern aufgearbeitet werden sollte. "Wir haben gesagt, wir nehmen uns richtig Zeit, um alles zu besprechen", entgegnete Bierhoff der Matthäus-Kritik.

Trotz "social distancing" - bei der WM 2014 stimmt die Kommunikation zwischen Löw und Lahm offenbarBild: picture-alliance/dpa

Tom Buschardt stellt die Frage, ob nicht "ein 0:6 vielleicht auch eine Form der Kommunikation der Mannschaft an den Trainer, also Mobbing" sei. Schon Ende November hatte Ex-Nationalspieler Philipp Lahm den Bundestrainer in einem Interview kritisiert: "Ich habe schon nach der WM 2018 gesagt, dass Jogi Löw seine Ansprache an diese Generation anpassen muss. Es liegt jetzt am Bundestrainer, seine Spieler von der Leine zu lassen", sagte der Weltmeister-Kapitän von 2014 der "Sport Bild".

Schrulligkeit nur bei Erfolg erlaubt

Dass es allein an der leicht schrulligen Art von Löw liegt, dass er die Spieler möglicherweise nicht mehr erreicht, glaubt Tom Buschardt nicht: "Früher hat er die Spieler ja auch erreicht. Und auch viele seiner Vorgänger als Bundestrainer hatten ihre Eigenarten, angefangen von Helmut Schön über Franz Beckenbauer und Berti Vogts bis hin zu Jürgen Klinsmann. So etwas gesteht man jemandem zu, solange er Erfolg hat. Bleibt der aus, dann fällt das natürlich besonders auf."

Was also bleibt, um für die Europameisterschaft im kommenden Jahr doch noch die Weichen auf Erfolg zu stellen - und zwar unter den gegebenen personellen Voraussetzungen, also mit Joachim Löw? Medienexperte Buschardt empfiehlt: "Er darf auf keinen Fall einfach zurückkehren zur Tagesordnung. Die sportlichen Rückschläge müssen aufgearbeitet werden - und dazu muss Löw die Öffentlichkeit mit ins Boot holen."