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Verfassungsgericht kippt Berliner Mietendeckel

15. April 2021

Paukenschlag aus Karlsruhe: Das Verfassungsgericht kippt das Berliner Gesetz zur Deckelung der Mieten. Auf viele Hauptstädter kommen jetzt saftige Mieterhöhungen zu.

Berlin | Wohnhäuser
Harte Zeiten für Berliner Mieter? Wohnblocks im Zentrum der Hauptstadt, nahe dem AlexanderplatzBild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Es ist eines der zentralen politischen Projekte der Berliner Stadtregierung, des Senats von SPD, Grünen und Linken. Oder besser gesagt: Es war. Denn das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat nun den umstrittenen Berliner Mietendeckel für Null und nichtig erklärt. Und damit einer Klage unter anderem von Bundestagsabgeordneten von Union und FDP recht gegeben. Im Urteil der Karlsruher Richter heißt es: Für das Mietpreisrecht sei der Bund zuständig, die Länder, also auch das Land Berlin, verfügten über keinerlei Kompetenzen in dieser Frage.

Mieten sollten auf dem Stand vom Sommer 2019 bleiben

Seit vielen Jahren schon, vor allem aber in der letzten Zeit, steigen die Mieten in der Hauptstadt massiv. Noch verzeichnen andere große Städte in Deutschland wie Hamburg oder München noch höhere Mieten, aber in diesen Regionen sind die Löhne und Gehälter auch höher als in der notorisch wirtschaftsschwachen Hauptstadt.

Wohnungssuche in Berlin

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Deshalb hatte der Berliner Senat schon vor Jahren in einer deutschlandweit einmaligen Aktion beschlossen: Vom 23. Februar 2020 sind die Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen in der Stadt auf dem Stand vom Juni 2019 eingefroren. Von 2022 an dürfen sie höchstens um 1,3 Prozent jährlich steigen. Wird eine Wohnung erneut vermietet, muss sich der Vermieter an neue, vom Staat festgelegte Obergrenzen halten. Das auf fünf Jahre befristete Gesetz zündete im November vergangenen Jahres dann die nächste Stufe: Mieten, die mehr als 20 Prozent über den Obergrenzen liegen, waren nun gesetzlich verboten und müssen vom Vermieter gesenkt werden.

Seehofer: "Gegen hohe Mieten hilft nur bauen, bauen, bauen."

In vielen Städten rund um die Welt sind rasant gestiegene Mieten zum Problem geworden. Mit einem Mietendeckel wie dem im Berlin gibt es international jedoch nur wenig Erfahrung.Ein solcher staatlicher Eingriff in den Mietmarkt war wirtschaftsnahen Parteien wie CDU, CSU und FDP in Deutschland schon immer ein Dorn im Auge. Bereits im Mai vergangenen Jahres reichten deshalb 284 Bundestagsabgeordnete von FDP und CDU/CSU in Karlsruhe einen Normenkontrollantrag gegen den Mietendeckel ein. Begründung: Das Mietrecht sei Bundessache, das Land Berlin habe seine Kompetenzen überschritten. Das sahen die Karlsruher Richter nun auch so. Mit großer Genugtuung nahmen deshalb Vertreter dieser Parteien das Urteil auf. Und wie wichtig auch die Bundespolitik die Kontroverse um den Berliner Mietendeckel nimmt, zeigt die prompte Reaktion des für Baupolitik zuständigen Bundesinnenministers Horst Seehofer von der CSU.

Horst Seehofer: "Der Mietendeckel war der falsche Weg"Bild: Dorothée Barth/dpa/picture alliance

Er erklärte wenige Minuten nach der Urteilsverkündung: "Der Mietendeckel ist jetzt Geschichte. Das ist gut, denn auch baupolitisch war er der völlig falsche Weg. Er hat für Unsicherheit auf den Wohnungsmärkten gesorgt, Investitionen ausgebremst und keine einzige neue Wohnung geschaffen. Meine Devise heißt: bauen, bauen, bauen!" Allein im Jahr 2020 seien 300.000 neue Wohnungen gebaut worden, soviel wie seit 20 Jahren nicht mehr. "Das ist und bleibt der beste Mieterschutz", so Seehofer.

Enttäuschung beim Berliner Senat

Das sehen die Verantwortlichen in der Berliner Stadtregierung naturgemäß anders. "Es ist nun die Aufgabe des Bundes, entweder ein wirkungsvolles Mietpreisrecht zu schaffen, das die soziale Mischung in den Städten sichert oder aber den Ländern die Kompetenz dafür zu übertragen", erklärte der für die Stadtentwicklung zuständige Senator, Sebastian Scheel von den Linken: "Wir hatten mit dem Mietendeckel Neuland betreten und mit einer anderen Entscheidung gerechnet", fügte er hinzu.

"Für die Mietenpolitik sind die Länder nicht zuständig" - ein klares Urteil des Bundesverfassungsgerichts in KarlsruheBild: Uli Deck/dpa/picture alliance

Auf viele Mieter in Berlin, befürchtet Scheel, könnten nun harte Zeiten zukommen. Sie müssten nun womöglich die Differenz zwischen der verringerten Miete des Deckels und der Vertragsmiete nachzahlen. Tatsächlich enthalten viele zuletzt in der Hauptstadt abgeschlossene Mietverträge die Klausel, nach der sich die Miete nach einem möglichen Beschluss in Karlsruhe neu berechnet.

Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Wohnen befürchtet Auswirkungen des Karlsruher Urteils auf andere Städte weltweit, die ebenfalls mit knappem Wohnraum und hohen Mieten zu kämpfen haben. Gegenüber der DW sagte Balakrishnan Rajagopal: "Das sendet leider eine negative Botschaft in die ganze Welt, und deshalb bin ich sehr besorgt."

Mieterbund fordert nun ein bundesweites Gesetz

Enttäuscht zeigte sich auch der bundesweite "Deutsche Mieterbund". Dessen Präsident Lukas Siebenkotten nannte die Entscheidung bitter, und fügte hinzu, sie sei aber auch "ein lauter Weckruf an den Bundesgesetzgeber, endlich zu handeln und die Mieten-Explosion in vielen deutschen Städten zu stoppen!"

"Jetzt brauchen wir eine bundesweite Mietenbegrenzung", findet Lukas Siebenkotten vom Deutschen MieterbundBild: DMB/M. Wächter

Der Streit um den Berliner Mietendeckel zeigt exemplarisch die beiden groben Linien in der Mieten-Politik in Deutschland. Eher linke Gruppierungen wie die SPD, die Linke und die Grünen favorisieren staatliche Eingriffe, konservative und wirtschaftsnahe Parteien wie CDU, CSU und FDP setzen auf den Markt und auf Neubau. Die letzte Gruppierung hat fürs erste gewonnen.