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Verfassungsgericht prüft EZB-Krisenkurs

Carla Bleiker12. Juni 2013

Darf die Europäische Zentralbank Staatsanleihen kaufen? Nach einer Beschwerde von Bürgern beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht mit dieser Frage. Ein Urteil steht noch aus - aber das Gericht zeigt Skepsis.

Der Erste Senat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe - Foto: Uli Deck (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Im September 2012 hatte das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe eine Beschwerde gegen den Eurorettungsschirm ESM im Eilverfahren abgelehnt. Die Richter genehmigten den Rettungsschirm von deutscher Seite aus aber nur unter strengen Auflagen, beispielsweise forderten sie eine Haftungsobergrenze für die Bundesrepublik.

Jetzt befasst sich das Bundesverfassungsgericht erneut mit der Euro-Schulden-Krise. Konkret geht es darum, ob die Europäische Zentralbank Staatsanleihen von Euro-Krisenstaaten aufkaufen darf, um die Gemeinschaftswährung zu stabilieren. Am Dienstag und Mittwoch (11. und 12.06.2013) haben die Richter dazu Kläger und Sachverständige angehört.

Gerichtspräsident Voßkuhle: "Erfolg in der Praxis spielt bei juristischer Bewertung keine Rolle"Bild: picture-alliance/dpa

EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sowie mehrere Bundestagsabgeordnete verteidigten die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) als unverzichtbar für die Euro-Rettung. Kritiker warfen der Notenbank dagegen Kompetenzüberschreitung und undemokratisches Verhalten vor. Ein Urteil wird erst in den kommenden Monaten erwartet. Die Verfassungsrichter zeigten sich in den Anhörungen aber kritisch gegenüber dem Kauf von Staatsanleihen durch die EZB.

Notwendige Geldpolitik oder unzulässige Staatsfinanzierung?

Vor einem Jahr hatte die Europäische Zentralbank ihr Programm "Outright Monetary Transaction" (OMT) vorgestellt - demnach darf die EZB notfalls unbegrenzt Staatsanleihen kaufen. Dieses Signal reichte aus, um Spekulationen gegen den Euro und die Krisenstaaten erst einmal zu dämpfen. Doch war das OMT-Programm rechtens? In Deutschland ist das Drängen, diese Frage zu klären, besonders groß. Denn Deutschland ist von allen EU-Mitgliedsstaaten der größte Anteilseigner der EZB und trägt damit in besonderem Maße das Risiko mit, das mit dem Kauf von Staatsanleihen verbunden ist.

"Wann ist eine Geldpolitik noch Geldpolitik, und wann ist es keine mehr, sondern zielt auf die Finanzierung der Krisenstaaten?" - das ist laut Oliver Sauer, Referent am Centrum für Europäische Politik in Freiburg, die entscheidende Frage. Die EZB dürfe laut Maastricht-Vertrag unabhängige finanzielle Entscheidungen treffen, um die Preisstabilität im Euroraum zu gewährleisten. Staatenfinanzierung sei ihr aber verboten.

Doch genau das tue die EZB mit dem Kauf von Staatsanleihen im großen Stil, so die Kritiker. "Das darf sie alles überhaupt nicht, jedenfalls nach Europarecht nicht", sagte die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) dem "Deutschlandfunk". Die Juristin vertritt die Beschwerdeführer des Vereins "Mehr Demokratie" bei den Verhandlungen. Für sie ist die Argumentation, dass die EZB die Staatsanleihen nicht von den Staaten direkt, sondern von anderen Anlegern kauft, eine fadenscheinige Erklärung.

EZB-Hauptquartier in Frankfurt am Main: Euro-Stabilisierung durch Kauf von StaatsanleihenBild: Johannes Eisele/AFP/GettyImages

"EZB hat innerhalb des Mandats gehandelt"

Der Kauf von Staatsanleihen diene ausschließlich der Stabilisierung der Finanzmärkte, hält die EZB dagegen. Die angekündigte Bereitschaft, alles für die Rettung des Euro zu tun, habe die Währungsunion vor dem Zerfall bewahrt, sagte EZB-Direktor Jörg Asmussen der "Bild"-Zeitung. Dieses Argument läßt Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle nicht gelten. Bei der juristischen
Bewertung spiele es keine Rolle, ob die Praxis erfolgreich sei. "Andernfalls würde der Zweck allein die Mittel rechtfertigen."

Gunther Krichbaum (CDU), der Vorsitzende des Europa-Ausschusses des Bundestages, betont: "Wir, in dem Falle Bundestag und Bundesregierung, gehen davon aus, dass die EZB innerhalb ihres Mandats gehandelt hat." Wäre das nicht der Fall gewesen, hätte die Bundesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. "Die EZB hat in der Vergangenheit genau gezeigt, dass sie ihr Mandat in großer Verantwortung ausübt", sagte Krichbaum der DW.

Klägerin Däubler-Gmelin: "Fadenscheinige Erklärung"Bild: picture-alliance/dpa

Siegfried Kauder, CDU Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Rechtsausschusses, schätzt die Staatsanleihenkäufe der Notenbank als gerade noch zulässige Geldpolitik ein. Er fügt hinzu: "Es scheint den Richtern nicht so ganz zu schmecken, aber ich habe das Gefühl, dass sie erkennen, dass es alternativlos ist."

Der Vorwurf: Eine undemokratische Entscheidung

Roman Huber, Geschäftsführer von "Mehr Demokratie", ist stellvertretend für 37.000 Bürger vor das Verfassungsgericht in Karlsruhe gezogen - so viele haben sich der Beschwerde seines Vereins angeschlossen. "Das ist die größte Verfassungsbeschwerde in der Geschichte der Bundesrepublik", sagt er und erklärt seine Position gegenüber der Zentralbank: "Bevor der Rettungsschirm ESM Hilfe leisten darf, muss der deutsche Bundestag zustimmen. Wenn die EZB Staatsanleihen kauft, kann sie das einfach machen und muss überhaupt niemanden fragen - sie überträgt die Haftungsrisiken aber auf alle Parlamente im Euro-System."

Das bemängelt auch Verfassungsgerichtspräsident Voßkuhle. Er gibt zu bedenken, dass die Bürger bei nationalen Entscheidungen einen Einfluss über ihre Abgeordneten hätten. Bei Entscheidungen der EZB sei dies nicht der Fall. CDU-Abgeordneter Siegfried Kauder dagegen sieht es nicht als Problem, dass die Bevölkerung und nationale Abgeordnete nicht über den Kauf von Staatsanleihen abstimmen können: "Das ist das operative Geschäft, da müssen der Bürger und das Parlament auch nicht mitentscheiden."

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