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Politik

Renate Künast muss Hasskommentare nicht hinnehmen

2. Februar 2022

Facebook muss Renate Künast die Daten von Nutzern herausgeben, die sie übelst beschimpft und beleidigt haben. Das Bundesverfassungsgericht hob frühere Urteile im Rechtsstreit der Grünen-Politikerin auf.

Renate Künast
Renate Künast hat mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen Hasskommentare Erfolg Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Es geht um Äußerungen wie "Kranke Frau", "die Fresse polieren", "Pädophilen-Trulla" und noch heftigere sexistische Beleidigungen. Gepostet wurden sie von Facebook-Nutzerinnen und Nutzern. Das Bundesverfassungsgericht entschied nun, dass die Social-Media-Plattform die Daten derjenigen User, die Renate Künast auf diese Weise beschimpft haben, an die Bundestagsabgeordnete weiterleiten muss. Künast will gegen sie zivilrechtliche Schritte einleiten. Die Richterinnen und Richter in Karlsruhe hoben damit Entscheidungen des Berliner Kammergerichts auf, da diese die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzten. (Az. 1 BvR 1073/20)

Zuletzt hatte das Berliner Kammergericht nur 12 von 22 Kommentaren als strafbare Beleidigungen eingestuft und in den anderen Fällen den Auskunftsanspruch verweigert. Dies beruhe auf einem Fehlverständnis, entschieden die Verfassungsrichter und bewerteten alle 22 Äußerungen gleich. Die zehn Kommentare müssen nun noch einmal geprüft werden, dabei sind die Vorgaben aus Karlsruhe zu beherzigen.

Bundesweite Empörung

Der Rechtsstreit sorgte in den Jahren 2019 und 2020 bundesweit für Aufsehen und Empörung, weil das Berliner Landgericht die teils obszönen Beschimpfungen zunächst als "haarscharf an der Grenze des von der Antragstellerin noch Hinnehmbaren" eingestuft hatte. Auslöser war ein Facebook-Post zu einer Äußerung Künasts aus dem Jahr 1986 im Berliner Abgeordnetenhaus zum Thema Pädophilie. Unbekannte überzogen Künast unter dem Facebook-Post mit einer ganzen Serie übelster, teils sexistischer Beschimpfungen.

Hasskriminalität im Netz

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Nachdem das Landgericht die Herausgabe personenbezogenen Daten erst abgelehnt hatte, stuften die Richter später sechs der 22 Kommentare doch noch als "ehrherabsetzend" ein. Demnach musste Facebook ihr in diesen Fällen Auskunft über den Namen des Nutzers, dessen E-Mail-Adresse und IP-Adresse sowie über den Uploadzeitpunkt erteilen.

Nur in weiteren sechs Fällen Recht bekommen

Künast wandte sich an das Kammergericht, das ihr nur in weiteren sechs Fällen Recht gab. Das Kammergericht habe die Tragweite des Persönlichkeitsrechts falsch eingeschätzt, erklärte das Bundesverfassungsgericht nun. Es habe einen fehlerhaften Maßstab angelegt, als es davon ausging, dass eine Beleidigung nur dann vorliege, wenn der Kommentar "lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähung" zu verstehen sei.

Dabei habe es sich nicht ausreichend mit den einzelnen Fällen auseinandergesetzt, rügte Karlsruhe: Die vom Kammergericht verwendete Behauptung, Künast müsse den Angriff als Politikerin im öffentlichen Meinungskampf hinnehmen, reiche nicht aus.

"Wichtiger Tag in Zeiten von Hass gegen Demokratie"

Auch andere Grünen-Politiker äußerten sich erfreut. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir twitterte, es sei "ein gutes Signal für alle, die gegen Hass und Beleidigungen im Netz kämpfen" und "ein schlechtes für diejenigen, die im Internet hohldrehen und denken, das bliebe ohne Konsequenzen". Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt schrieb auf Twitter, es sei ein "wichtiger Tag" in Zeiten von Hass gegen Demokratie und ein "Meilenstein", den Künast erkämpft habe.

Die Beratungsstelle "Hate Aid", die Künast in dem Verfahren unterstützt, nannte den Beschluss "historisch". Das Urteil habe "eine wichtige Signalwirkung an alle deutschen Gerichte: Sie dürfen es sich bei der Beurteilung von Beleidigungen in sozialen Netzwerken nicht zu einfach" machen, erklärte Josephine Ballon von Hate Aid.

Andere Gesetzeslage

Formal hat sich in Deutschland zum 1. Februar auch die Gesetzeslage gegenüber Online-Diensten wie Facebook, Youtube & Co verschärft. Soziale Netzwerke mit mehr als zwei Millionen Nutzern müssen strafbare Inhalte nicht nur löschen, sondern eigentlich auch Inhalte und IP-Adressen an das Bundeskriminalamt melden. Doch die Konzerne wehren sich mit Klagen dagegen.

se/ehl (afp, dpa, bundesverfassungsgericht.de)

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