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Politik

Bundeswehr: Bedingt abwehrbereit?

11. Mai 2020

Müssen Drohnen zum Schutz der Soldaten bewaffnet werden? Oder führt das zu rechtlich legitimiertem Töten per Joystick? Deutschland diskutiert kontrovers über den Einsatz bewaffneter Drohnen.

Israel Drohne Heron 1
Bild: picture alliance / dpa

"Sie kontrollieren und steuern ein unbemanntes, ferngesteuertes Luftfahrzeug als Pilotin bzw. Pilot. Ihr Cockpit befindet sich dabei in einer Bodenkontrollstation, die zusammen mit der Drohne und den zugehörigen Kommunikationseinrichtungen ein System bilden. Sie steuern Ihre Drohne über ein hochtechnologische, direkte Funk- oder Satellitenverbindung. Sie treffen Entscheidungen zur sicheren und effektiven Durchführung der Flüge."

Wer in diesen Tagen in Deutschland eine Arbeit sucht, stößt vielleicht auf diese interessant klingende Stellenanzeige. Die Bundeswehr sucht einen Drohnenpiloten oder eine Drohnenpilotin. Doch was heute noch wie ein gut bezahlter Job bei einem verlässlichen Arbeitgeber daherkommt, den man außerdem bequem mit einem Joystick in der Hand erledigen kann, könnte in Zukunft ein Betätigungsfeld sein, bei dem es um Leben oder Tod geht.

Dann nämlich, wenn Deutschland den Einsatz bewaffneter Drohnen erlaubt.

Verteidigungsministerin bringt das Thema erneut zur Diskussion

Ein Thema, das im wahrsten Sinne des Wortes Sprengstoff birgt, heißt es doch explizit im Koalitionsvertrag: "Völkerrechtswidrige Tötungen lehnen wir kategorisch ab, auch durch Drohnen." Doch Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will das ändern. Bei einem Truppenbesuch in Afghanistan im Dezember sagte sie: "Wenn ich den Wunsch der Soldaten hier mitnehme, und ich kann ihn ehrlich gesagt nachvollziehen, dann spricht vieles für die Bewaffnung der Drohne."

Annegret Kramp-Karrenbauer: Mit Drohnen Soldaten besser schützen: Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Die CDU-Chefin verwies im nordafghanischen Kundus auf den Eigenschutz der Soldaten. "Und dabei müsse man ernsthaft fragen, ob wir mit Blick auf das Leben der Soldaten es wirklich unterlassen, das was wir an Möglichkeiten haben, auch einzusetzen."

Expertenanhörung als Auftakt für gesellschaftliche Debatte

Eine Äußerung, für die Kramp-Karrenbauer von den Gegnern des Einsatzes bewaffneter Drohnen sehr viel Kritik einstecken musste. Union und SPD vertagten das brisante Konfliktthema erst einmal und einigten sich darauf, zunächst weiter zu diskutieren und dabei Experten und Politiker anzuhören. An diesem Montag (11.5.) fällt der Startschuss: Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, wird seine Argumente vortragen, warum er den Einsatz bewaffneter Drohnen für sinnvoll erachtet - unterstützt von Bundestagsabgeordneten der Union, die den Einsatz ebenfalls befürworten.

Vor allem Parlamentarier der Linken und der Grünen, die dies strikt ablehnen, werden dagegen argumentieren. Kirchenvertreter und Juristen versuchen indes, auf die militärstrategischen und politischen Fragen auch ethische und rechtliche Antworten zu finden.

Überfällige Diskussion

"Krisen und Konflikte sind durch die Corona-Pandemie nicht ‚eingefroren‘", sagt Nora Müller. Die Bereichsleiterin Internationale Politik und Leiterin des Hauptstadtbüros der Körber-Stiftung bezieht keine Position, weil sie die Veranstaltung an diesem Montag moderieren wird – wegen der Corona-Pandemie zwei Monate später als vorgesehen. Die Diskussion darüber, wie und mit welchen Mitteln Deutschland sicherheitspolitisch handeln sollte, sei aber überfällig. "Dazu gehört auch die Debatte über den Einsatz bewaffneter Drohnen," erklärt Müller.

Nora Müller von der Körber-Stiftung moderiert die ExpertenanhörungBild: Claudia Höhne

Schon Kramp-Karrenbauers Vorgänger Thomas de Maizière hatte 2012 für den Einsatz bewaffneter Drohnen geworben, diese als "ethisch neutrale Waffen" bezeichnet und sich gefragt: "Flugzeuge dürfen Waffen tragen. Warum also sollen unbemannte Flugsysteme das nicht dürfen?" Doch bis heute dienen die Drohnen der Bundeswehr nur als Mittel der Aufklärung.

In Afghanistan vertrauen die 1300 deutschen Soldaten auf die israelische Drohne Heron 1, die mit Kameras und Elektronik ausgestattet ist. Um sich gegen Angriffe besser verteidigen zu können, fordert die Bundeswehr, zum Modell Heron TP zu wechseln: Diese Drohne kann bis zu 36 Stunden in der Luft bleiben, bietet damit bessere Aufklärungsergebnisse - und sie lässt sich vor allem bewaffnen.

"Immer entscheidet ein Mensch, eine Rakete abzuschießen“ - der frühere Verteidigungsminister Thomas de MaizièreBild: picture-alliance/dpa

Drohnen Mittel der Kriegsführung

Der Völkerrechts-Experte Wolff Heintschel von Heinegg sieht darin kein Problem, für ihn sind bewaffnete Drohnen einfach nur hochpräzise Waffen. Vor allem gehe es ja bei der Bundeswehr-Debatte um ferngesteuerte und nicht etwa um autonome Drohnen. "Die Drohnen können gegen ein bestimmtes militärisches Ziel gerichtet werden, die Wirkung des Einsatzes kann also entsprechend dem Kriegsvölkerrecht begrenzt werden."

Für den Juristen, der ebenfalls zu den Experten der Debatte gehören wird, stehen vielmehr also die Drohnenpiloten in der Verantwortung, sich an die Vorschriften des Waffeneinsatzrechtes zu halten. Außerdem sei eine kontinuierliche Bewertung der aktuellen Situation vonnöten. "Sind bewaffnete Drohnen als solche nach dem humanitären Völkerrecht rechtmäßige Waffensysteme, steht allein die Rechtmäßigkeit ihres Einsatzes nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls in Frage", so Heintschel von Heinegg.

Auch Völkerrechtler Heintschel von Heinegg gehört zu den Experten der DebatteBild: privat

"Gezielte Tötungen" durch Drohnen der USA

Dass die Debatte seit nunmehr acht Jahren in Deutschland schwelt, hat auch viel mit der Kriegsführung der USA zu tun. Immer wieder setzten sich die Vereinigten Staaten über Kriegsrecht hinweg. Hunderte Menschen fielen den "gezielten Tötungen" mit bewaffneten Drohnen im Rahmen der sogenannten Terroristenabwehr in Pakistan, Afghanistan oder dem Irak zum Opfer, darunter auch viele aus der Zivilbevölkerung.

"Die zu Recht umstrittene US-amerikanische Art der Drohnennutzung machte es fast unmöglich, eine rationale Diskussion über den Einsatz deutscher Drohnen zu führen", moniert Ulrike Franke. Die Expertin für Militärtechnologie beim European Council on Foreign Relations (ECFR) verweist darauf, dass sich in diesem Zeitraum bereits sieben Länder bewaffnete Drohnen beschafft oder sogar entwickelt hätten.

In Pakistan wehren sich die Menschen gegen die US-DrohnenangriffeBild: picture-alliance/dpa

Die deutsche Diskussion dagegen stecke fest, so Franke, "und dass, obwohl es keine Anhaltspunkte gibt, dass Deutschland seine Drohne für ähnliche Operationen einsetzen würde und könnte."

Zu ungenaue rechtliche Vorgaben

Peter Becker will das so nicht gelten lassen. "Die Drohnenkriegsführung ist nicht zu verantworten, die Bundeswehr begibt sich auf Glatteis", sagt der Völkerrechtler. Auch Becker ist vom Verteidigungsministerium zu der Veranstaltung geladen; der Jurist der deutschen Sektion der "International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA) wird sich gegen den Einsatz bewaffneter Drohnen aussprechen.

Peter Becker, Jurist und Mitgründer der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA)Bild: Peter Becker

Sein Argument: "Die rechtlichen Vorgaben sind so ungenau, dass bei jedem Drohneneinsatz ein Rechtsberater dabei sein müsste, der prüft, ob der bewaffnete Drohneneinsatz zulässig ist oder nicht."

Becker befürchtet auch das sogenannte "Joystick-Phänomen", welches auch vier ehemalige Drohnenpiloten dem früheren US-Präsidenten Obama schilderten: Die Enthemmung der Soldaten. Für den Völkerrechtler mag es zwar Fälle geben, wo man bewaffnete Drohnen zum Schutz der Bundeswehrsoldaten bräuchte, doch dies reiche in der Gesamtheit nicht aus: "Die Einsatzsituation ist in der Regel völlig unklar. Die Lage ist ganz anders als die herkömmliche Gefechtslage, die der Soldat erlernt hat."

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