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Politik

Das (Eiserne) Kreuz mit der Tradition

Konstantin Klein
11. Mai 2017

Die Bundeswehr und die Tradition: Frühere deutsche Armeen haben nicht nur Heldentaten, sondern auch Kriegsverbrechen begangen. Die Verteidigungsministerin will die Traditionspflege der Bundeswehr neu regeln.

Bundeswehr Radikalismus Rechtsradikalismus
Bild: picture-alliance/dpa/P.Seeger

Fast genau zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Niederlage Nazi-Deutschlands, am 5. Mai 1955, wurde die Bundeswehr gegründet. Schon mit der Wahl des Namens sollte die neue Armee aus dem unseligen Schatten ihrer Vorgängerorganisation, der Wehrmacht des Hitlerstaates, herausgelöst werden: Von einer "Bundeswehr" sprach Daniel Friedrich Gottlob Teichert, Offizier und Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, schon im Jahr 1849, über 100 Jahre vor der Gründung der bundesrepublikanischen Armee und lange vor wilhelminischem Militärklimbim, vor dem Ersten Weltkrieg und vor den Kriegsverbrechen des Zweiten, an denen auch Soldaten der Wehrmacht beteiligt waren.

Nun gehört die Pflege militärischer Traditionen zu den Gebräuchen in den meisten Armeen. Die Bundeswehr selbst hätte ohne die Mitarbeit ehemaliger Wehrmachtsoffiziere nicht so schnell aufgebaut werden können. Möglich gemacht hatte diese Mitarbeit unter anderem der US-General und spätere US-Präsident Dwight D. Eisenhower, der 1951 eine Ehrenerklärung für die Wehrmachtssoldaten abgegeben hatte.

Militärische Fachleute - aber auch Demokraten?

Die in die frisch gegründete Bundeswehr übernommenen Offiziere aus Hitlers Wehrmacht waren zweifellos Profis. Nicht alle waren jedoch lupenreine Demokraten, weshalb innerhalb und außerhalb der jungen Armee über die nächsten zehn Jahre immer wieder diskutiert wurde, in welcher Form und wozu "überlieferungswürdige" Werte in der Truppe gepflegt und weitergegeben werden sollten.

Erst 1965 gab der damalige Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel einen ersten Traditionserlass für die Bundeswehr heraus - der Erlass blieb für 17 Jahre die Richtlinie dafür, wie die Bundeswehr mit ihrer Tradition und mit der Erinnerung an deutsche Militärgeschichte umzugehen hatte. 1982 gab Hans Apel als Chef des Verteidigungsministerium nach intensiven Diskussionen den Erlass aus, der bis heute gilt, und den Ursula von der Leyen jetzt überarbeiten will.

Hans Apel (l.): Herausgeber des aktuellen TraditionserlassesBild: dapd

Klare Worte - mit ein paar Hintertüren

Der Apelsche Erlass enthält nach von der Leyens Meinung "viel Gutes". Dazu gehören Sätze wie "Das Grundgesetz ist Antwort auf die deutsche Geschichte. Es gewährt große Freiräume, zieht aber auch eindeutige Grenzen. Die Darstellung der Wertgebundenheit der Streitkräfte und ihres demokratischen Selbstverständnisses ist die Grundlage der Traditionspflege der Bundeswehr." Der Erlass greift die Idee vom mündigen Soldaten, vom "Staatsbürger in Uniform" auf und nimmt auch auf die unselige Tradition der Wehrmacht Bezug: "In den Nationalsozialismus waren Streitkräfte teils schuldhaft verstrickt, teils wurden sie schuldlos missbraucht. Ein Unrechtsregime wie das Dritte Reich, kann Tradition nicht begründen." Deshalb müsse die Bundeswehr ihre Tradition "auf der Grundlage eines freiheitlichen demokratischen Selbstverständnisses" entwickeln.

Das sind klare Worte. Bei der Umsetzung dagegen lässt der Apel-Erlass den Angehörigen der Bundeswehr viel Freiraum - zuviel, wie Ministerin von der Leyen meint: Der Erlass lasse "Hintertüren offen". Er überlässt konkrete Entscheidungen oft den Vorgesetzten einzelner Einheiten - und die handeln je nach eigener Einschätzung und politischer Einstellung höchst unterschiedlich.

Nazi-Generäle und die Legion Condor

Picassos Anklage gegen den Krieg: "Guernica"Bild: picture-alliance/G3online

In den Siebziger Jahren mussten Rekruten der Bundeswehr-Fallschirmjäger im baden-württembergischen Calw das "Lied der Legion Condor" singen; die Legion Condor kämpfte im spanischen Bürgerkrieg auf der Seite General Francos und war an der Bombardierung der baskischen Stadt Guernica beteiligt. Erst seit 1998 gilt sie in der Bundeswehr offiziell als "nicht traditionswürdig". Aber noch bis 2005 trug ein Geschwader der Bundesluftwaffe den Namen von Werner Mölders, der in der Legion Condor und später im Zweiten Weltkrieg militärische Karriere gemacht hatte.

In den Neunziger Jahren kam die Luftlande- und Lufttransportschule der Bundeswehr im bayerischen Altenstadt in Verruf. Unteroffiziere und Mannschaften der Ausbildungsstätte für Fallschirmjäger feierten inoffiziell, aber lautstark am 20. April den Geburtstag Adolf Hitlers; sogar ganz offiziell wurde am 20. Mai wurde der "Kreta-Tag" zur Erinnerung der Landung deutscher Fallschirmjäger auf Kreta 1941 begangen. Reden Hitlers und seines Propagandaministers Joseph Goebbels kursierten auf Schallplatten. 1997 räumte der neue Kommandant der Schule, Friedrich Jeschonnek, auf, verbot den Kreta-Tag, Nazireden und -plakate und ließ Razzien in den Unterkünften durchführen. Ein Jahr später musste Jeschonnek das Kommando der Schule wieder abgeben, als er zögerte, einen Lehrsaal der Schule, der zu Ehren des Nazi-Generals Kurt Student benannt war, umzubenennen.

Logo mit Vergangenheit: Das Eiserne KreuzBild: Imago/IPON

Der Traditionserlass nimmt notgedrungen Symbole und Werte früherer deutscher Armeen auf; ohne sie hätte die Bundeswehr nur ihre eigene, gerade mal 62 Jahre lange Geschichte zur Erinnerung. So gehören der Große Zapfenstreich und das Lied vom Guten Kameraden offiziell zur Tradition der Bundeswehr. Der Zapfenstreich wurde als Ehrenritual vom preußischen König Friedrich Wilhelm III 1813 eingeführt, das Lied vom Guten Kameraden wird seit 1825 gesungen, gilt bei Kritikern aber auch als undifferenzierte Verherrlichung des Heldentodes. Das Eiserne Kreuz, Bestandteil der offiziellen Tradition und Grundlage für das Logo der modernen Bundeswehr, geht ebenfalls auf den Preußenkönig Friedrich Wilhelm III und das Jahr 1813 zurück. Und neben vielen anderen war auch der Gefreite Adolf Hitler im Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden.

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