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Politik

Das Trauma nach dem Einsatz

28. Januar 2019

Die Zahl von Kriegstraumata bei der Bundeswehr ist konstant, weil die Belastungen oft erst sehr spät entstehen. Und immer mehr Betroffene wenden sich an zivile Ärzte.

Symbolbild Afghanistan Bundeswehr Posttraumatische Belastungsstörung
Bild: AP

"Wir.dienen.Deutschland." So lautet der griffige Werbeslogan der deutschen Bundeswehr. "Ich diene" war vor einigen Tagen ein Zeitungsartikel in der "Welt" überschrieben, in dem sich eine Berufssoldatin den Frust von der Seele schrieb. Nariman Hammouti-Reinke sagte, sie wünsche sich mehr Anerkennung für das, was sie und ihre Kameraden leisteten. "Woher stammt dieses süffisante Grinsen, wenn das Gespräch auf die Bundeswehr kommt? Es scheint schick zu sein oder eine gewisse intellektuelle Flughöhe zu beweisen, wenn man herablassend auf die Streitkräfte schaut." Und dann widmet sich die Soldatin auch den Bedingungen, unter denen die Soldaten in Auslandseinsätzen kämpfen müssen: "Ein Einsatz ist für jeden Soldaten eine Belastung. Unnötig, ihn noch dadurch zu erschweren, dass wir in schlecht ausgestatteten Unterkünften hausen müssen, dass die Uniformen und auch die Gerätschaften für die Einsatzländer nicht geeignet sind."

"Ein Einsatz ist für jeden Soldaten eine Belastung". Bundeswehr-Soldat in MaliBild: DW/U. Bauer

Weniger Einsätze, konstante Erkrankungen

Tatsächlich ist die Zahl der Soldaten, die mit Kriegstraumata aus ihren Einsätzen zurückkehren, konstant, obwohl Jahr für Jahr immer weniger Soldaten im Auslandseinsatz sind. Waren etwa 2010 noch rund 8000 deutsche Soldaten im Ausland im Einsatz, waren es Anfang diesen Jahres noch 3500. Vor allem aus Afghanistan sind viele Soldaten abgezogen worden, seit der Kampfeinsatz 2014 endete. Dazu sagte der  Sprecher des Verteidigungsministeriums, Frank Fähnrich, am Montag in Berlin: "Der Spagat zwischen der abnehmenden Einsatzbelastung und der trotzdem konstanten Zahl der erkrankten Soldaten lässt sich so herführen, dass viele sich erst später melden, erst zu ihren Vertrauten gehen und sich dann in Behandlung begeben." Im vergangenen Jahr wurde bei 182 Soldaten eine "posttraumatische Belastungsstörung" festgestellt, das waren zwölf Fälle mehr als 2017. Insgesamt, so hieß es weiter, seien 2018 bei 279 Soldatinnen oder Soldaten psychiatrische Erkrankungen festgestellt worden, die auf einen Einsatz zurückzuführen sind. Rückläufig ist dagegen die Zahl der Depressionen.

Immer noch zu wenig Mittel - und zu wenig Personal

Posttraumatische Belastungen können schleichend kommen, oft Jahre nach dem Erlebnis, das die Krankheit ausgelöst hat. Sie waren Augenzeugen, als Kameraden starben, sie waren in Feuergefechte verwickelt. Die Betroffenen entwickeln sehr viel später Panik, meiden die Öffentlichkeit, leiden unter Ängsten. Vor 15 Jahren wurde die Bundeswehr erstmals mit dem Phänomen von posttraumatischen Belastungen konfrontiert. Die Härte etwa des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan war damals Neuland, das betraf auch die Versorgung von seelisch Leidenden während des Einsatzes und danach. Mittlerweile kennen sich die Experten des Sanitätsdienstes der Bundeswehr gut mit der Materie aus, es gibt anonyme Formulare, die die Betroffenen ausfüllen können, es gibt eine Hotline. Aber oft fehlen doch noch die Mittel. Mitte vergangenen Jahres teilte die Bundesregierung mit, dass in den psychiatrischen Abteilungen der Bundeswehrkrankenhäuser nur knapp 76 Prozent der Stellen besetzt sind. 160 Betten seien für stationäre Behandlungen vorgesehen, tatsächlich stünden nur 48 wirklich zur Verfügung. Kein Wunder, dass die Soldaten Hilfe eher außerhalb der Bundeswehr suchen: In den letzten acht Jahren hat sich die Zahl der Soldaten, die sich bei zivilen Ärzten Hilfe holen, verfünffacht.

Längst nicht alle Stellen in den psychiatrischen Abteilungen sind besetztBild: picture-alliance/dpa/G. Wendt

Ein Trauma ist eine Verwundung

Das kritisiert auch der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels von der SPD: "Hier gibt es immer noch nichtbesetzte Dienstposten. Aber insgesamt ist schon vieles besser geworden", sagte Bartels. Und er wies noch auf einen anderen Zusammenhang hin: Lange Zeit habe eine psychische Erkrankung nach Kriegseinsätzen nicht als Verwundung gegolten, das habe viele Soldaten, auch aus Scham, abgehalten, sich zu melden. Inzwischen, so Bartels, sei die Erkrankung bei vielen Betroffenen nach der langen Leidenszeit chronisch, es sei fraglich, ob die Bundeswehr eine solche Behandlung überhaupt noch leisten könne.

"Viele Erkrankungen mittlerweile chronisch": Hans-Peter Bartels (SPD), Wehrbeauftragter Bild: picture-alliance/dpa/R. Jensen

Und hinzu kommt sicher noch das merkwürdig schlechte Image, das Soldaten immer noch in Deutschland haben. Die Berufssoldatin Hammouti-Reinke schrieb dazu, auch Soldaten wollten für ihren Dienst an der Gemeinschaft geschätzt werden: "Erst recht, wenn wir nach einem Hochwasser- oder Auslandseinsatz nach Hause kommen. Wir sind enttäuscht, wenn wir dafür kein gutes Wort bekommen."

 

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