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Politik

Bundeswehr-Missionen: Schutz der Bevölkerung

5. Februar 2020

Das Kabinett hat die Verlängerung der Bundeswehreinsätze im Sudan und im Südsudan beschlossen. Die letzte Entscheidung über die UN-Missionen haben die Abgeordneten des Bundestages. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

UNAMID Mission in Darfur, Sudan
Bild: AFP via Getty Images

Was ist die UNAMID-Mission?

UNAMID steht für United Nations-African-Union Hybrid Mission in Darfur, also eine gemeinsame, 2007 eingerichtete Mission der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union für die Region Darfur im Sudan. UNAMID löste die Mission AMIS der Afrikanischen Union ab – dieser war es nicht gelungen, die Zivilbevölkerung im Konflikt in Darfur wirksam zu schützen.

Was ist ihre Aufgabe?

Der Schutz von Zivilpersonen vor Angriffen ist auch das Kernziel von UNAMID – außerdem humanitäre Hilfe bereitzustellen, das Doha-Friedensabkommen von 2011 zu Darfur umzusetzen sowie zwischen der Regierung Sudans und bewaffneten Bewegungen zu vermitteln. 

Wie viele Menschen sind im UNAMID-Einsatz?

Derzeit sind rund 7000 Soldaten, Polizisten, Berater und  zivile Angestellte im Rahmen von UNAMID im Sudan stationiert. Die Mission soll bis 2020 sukzessive reduziert werden und den Fokus immer stärker auf die Begleitung des Peacebuilding-Prozesses legen.

Wie groß ist das deutsche Kontingent?

Die Bundeswehr beteiligt sich aktuell mit vier Soldaten an der Mission. Das Mandat erlaubt den Einsatz von bis zu 50 Bundeswehrsoldaten. Abhängig vom Bedarf sind auch Experten für Logistik oder IT-Informationstechnik im Einsatz. Medizinische Unterstützung sowie Hilfe bei technischer Ausrüstung kann ebenfalls geleistet werden.

"Man könnte sicherlich zusätzlich zu den vier Personen noch Personal einsetzen", sagt Ulrich Lechte von der FDP und verweist auf die wichtige deutsche Rolle bei den Vereinten Nationen: "Deutschland ist derzeit im UN-Sicherheitsrat und dementsprechend ist es sehr wichtig, dass wir an den UN-Missionen teilnehmen. Aufgrund seiner wirtschaftlichen Größe und seiner Wichtigkeit innerhalb der Europäischen Union muss Deutschland seinen Beitrag leisten." 

"Ich denke, es wird eine breite Mehrheit im Bundestag geben, das Mandat fortzusetzen" - Ulrich Lechte von der FDPBild: Petra Homeier

Der Vorsitzende des Unterausschusses "Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung" im Bundestag erklärt: "Wenn mehr Experten gefordert würden, würde sie die Bundeswehr auch bereitstellen. Es hängt immer von den Rahmenbedingungen ab, was angefordert wird."

Wie ist die aktuelle Situation vor Ort?

Hunderttausende Tote, rund 2,7 Millionen Vertriebene – so ist Schätzungen zufolge die Bilanz durch die Auseinandersetzungen im Westen des Sudans seit 2003. Das Regime des früheren Präsidenten Umar al-Baschir, der nach Massenprotesten der Bevölkerung im April 2019 vom Militär abgesetzt wurde, war mit großer Gewalt gegen Rebellen und Zivilisten in Darfurvorgegangen.

Gegen ihn und mehrere Mitglieder seiner früheren Regierung liegen Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag vor – wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Fast sechs Millionen Menschen sind im Sudan auf humanitäre Hilfe angewiesen, über zwei Millionen Menschen mangelernährt und zwei Millionen Kinder unter fünf Jahren akut unterernährt.

Wie wichtig ist UNAMID für die Region?

"Die Mission war bisher ein Erfolg", sagt Ulrich Lechte. Der FDP-Politiker weiter: "Wir hatten die Hoffnung, schon dieses Jahr die Teilnahme an der Mission im Sudan beenden zu können. Man darf jedoch nie übersehen, dass oberhalb dieser Länder dann schon die Grenze des Mittelmeers erreicht wird mit Libyen, Algerien und Ägypten." Vor allem wegen der Migration sei es deswegen sehr wichtig, dass die Region so weit wie möglich befriedet bleibe. "Und das geht momentan nur mit dem Einsatz von internationalen Missionen", so Lechte.

Peter Schumann, der Stellvertretender Gemeinsamer Sonderbeauftragter von UNAMID in Darfur war, fällt dagegen ein vernichtendes Urteil: "Es gibt keinen Grund, die Mission einen Tag länger laufen zu lassen. Sie hat in den vergangenen Jahren keinen einzigen Übergriff gegen die Zivilbevölkerung verhindert."

Sudan-Experte Peter SchumannBild: privat

Bei allen erkennbaren Bemühungen der Vereinten Nationen habe die Mission kein einziges Mal etwas gegen den Willen des herrschenden Regimes von al-Baschir getan. "Man muss jetzt sagen: Das Regime ist weg. Dann muss auch diese Mission weg", so Schumanns Fazit.

Wie müsste ein künftiges UN-Engagement aussehen?

"Die Vereinten Nationen sollten stattdessen ein politisches Mandat haben, um das brüchige Friedensabkommen zu unterstützen", fordert der Kenner der Verhältnisse im Sudan eine Neuausrichtung von UNAMID und dabei auch eine kleinere Mission: "Sie brauchen sehr viel Flexibilität und nicht so einen schwerfälligen Apparat, wie wir ihn jetzt haben."

Grundsätzlich sei durch die Konstellation im Weltsicherheitsrat ein sinnvolles Mandat schwierig, so Schumann: "Wir haben zu viele gegensätzliche Interessen. Bei einen neuen Mandat müssen sie Kompromisse mit China und Russland machen. Vor allem aber mit den USA, die eine sinnvolle Operation im Sudan erschweren."

In Zukunft müsse vor allem der Klimawandel stärker bei UN-Missionen berücksichtigt werden, fordert der Sudan-Experte: "Wir haben in einzelnen Regionen Bauern mit Verlusten von bis zu 70 Prozent wegen der Klimafolgen, parallel dazu eine wachsende Bevölkerung. Der Sudan ist extrem vom Klimawandel betroffen, schon jetzt gibt es Tausende Klimaflüchtlinge."

Was ist die UNMISS-Mission?

Die United Nations Mission in the Republic of South Sudan (UNMISS) ist die Nachfolgemission der Mission der Vereinten Nationen im Sudan. Anlass war die Gründung des selbständigen Staates Südsudan am 9. Juli 2011.

Was ist ihre Aufgabe?

Kernaufträge von UNMISS im jüngsten Staat der Welt sind der Schutz der Zivilbevölkerung, die Beobachtung der Menschenrechtssituation sowie die Sicherung des Zugangs zu humanitärer Hilfe. Darüber hinaus soll UNMISS den Friedensprozess und die Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens unterstützen.

Wie viele Menschen arbeiten im Rahmen von UNMISS in der Region?

Derzeit sind mehr als 14.000 Blauhelme im Südsudan stationiert, dazu kommen über 1700 Polizeikräfte.

Wie groß ist das deutsche Kontingent?

Es liegt derzeit bei 14 Soldaten, die Personalobergrenze liegt bei 50. Die Bundeswehr engagiert sich seit 2005 im Sudan. Agnieszka Brugger von den Grünen fordert, Deutschland solle gerade als vorübergehendes Mitglied im Weltsicherheitsrat UNMISS stärker unterstützen: "Die Bundesregierung könnte durchaus die Obergrenze von 50 Soldatinnen und Soldaten ausschöpfen und personell einen etwas stärkeren Beitrag zu dieser Mission leisten." Auch die Vereinten Nationen hätten sehr deutlich signalisiert, dass man sich eine stärkere Unterstützung seitens Deutschlands wünsche.

Blauhelme der Vereinten Nationen beider UNMISS-Mission im SüdsudanBild: Getty Images/A.G.Farran

"Die Bundesregierung redet sich mit dem Verweis auf den zurückhaltenden Bundestag heraus, obwohl es im Parlament seit Jahren durchaus eine Bereitschaft für größere Beiträge zu UN-Friedensmissionen gibt", so die Verteidigungs- und Menschenrechtsexpertin. Natürlich seien die Vereinten Nationen in solchen schwierigen Konflikten wie im Südsudan immer nur so handlungsfähig, wie die Mitgliedsstaaten sie ausstatteten. "Und da ist ein Beitrag unter 20 Personen natürlich nicht ausreichend", sagt Brugger.

Wie ist die aktuelle Situation vor Ort?

Bild: picture alliance / dpa

"Wir sehen, dass es trotz zahlreicher vereinbarter Waffenruhen immer wieder zu grausamsten Übergriffen kommt und dass sich Präsident Salva Kiir und Rebellenführer Riek Machar nicht an ihre Worte und Zusagen halten", lautet die Einschätzung Bruggers. Fast die Hälfte der 13 Millionen Einwohner leidet Hunger. Hinzu kommen zwei Millionen Binnenvertriebene. Unverändert ist die humanitäre Situation im Land katastrophal.

Wie wichtig ist UNMISS für die Region?

"Die Mission ist trotz zahlreicher Probleme immer noch der Versuch, für einen gewissen Schutz der Zivilbevölkerung im begrenzten Rahmen zu sorgen und sicherzustellen, dass es zu einem politischen Prozess und dann natürlich auch zu einer Sicherheitssektor- Reform kommen kann", betont die Grünen-Politikerin. Für ein Ende der Gewalt und einen politischen Prozess brauche es die Unterstützung von außen und die Vereinten Nationen.

"Es braucht eine breit angelegte Entwaffnung" - die Grünen-Abgeordnete Agnieszka BruggerBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

"Natürlich gibt es Probleme, ich will das gar nicht schönreden. Viele kritisieren zurecht, dass es uns nicht gelingt, die Zivilbevölkerung ausreichend zu schützen", erklärt Brugger, verweist aber gleichzeitig auf die dramatische Situation vor Ort: "In den Camps sind nach wie vor 190.000 Menschen, die dort seit Jahren eine Zuflucht gefunden haben. Und allein das ist natürlich ein Argument, die Mission nicht von heute auf morgen abzubrechen und diese Menschen einfach der Gewalt zu überlassen."

Wie müsste ein künftiges UN-Engagement aussehen?

"Es braucht nochmal deutlich mehr politischen Druck. Es braucht nicht nur Soldatinnen und Soldaten, sondern zivile Expertinnen und Experten, die beispielsweise Sicherheitssektor-Reformen voranbringen und das braucht seine Zeit", sagt die Grünen-Politikerin. Agnieszka Brugger fordert dafür ein Umdenken bei den Geberstaaten: "Die Vereinten Nationen bekommen nicht genügend Kapazitäten, weil westlichen Staaten oft Zusagen für die Finanzierung geben, dann aber nicht wirklich mit dabei sind, wenn es um personelle Beiträge oder auch um technische Kapazitäten geht."

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