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Bundeswehr-Einsatz in der Türkei?

Kay-Alexander Scholz19. November 2012

Sollte die Türkei ihre NATO-Partner um militärische Unterstützung an der Grenze zu Syrien bitten, dann würden auch deutsche Soldaten zum Einsatz kommen, sagt die Bundesregierung. Doch damit sind nicht alle einverstanden.

USA Militär Raketenabwehr Patriot Rakete (Foto: ddp/AP)
Bild: AP

Die Türkei will laut Medien in den nächsten Tagen offiziell bei der NATO um die Stationierung von Patriot-Flugabwehrsystemen bitten, um ihr Territorium vor weiteren Angriffen aus Syrien zu schützen. "Wir werden eine solche Anfrage solidarisch prüfen und schnell beantworten", sagte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière am Rande eines Treffens seiner EU-Ressortkollegen in Brüssel: "Deutschland war 45 Jahre der Hauptnutznießer von Bündnis-Solidarität. Wenn jetzt ein Bündnispartner uns um eine solche Maßnahme bittet, dann ist es für uns klar, dass wir dem offen und solidarisch gegenüberstehen." Es gehe dabei um eine "vorsorgliche und defensive Maßnahme ausschließlich auf dem NATO-Gebiet", sagte de Maizière weiter. Es spreche "sehr viel dafür", dass für einen solchen Einsatz ein Bundestagsmandat nötig sei: "Dann werden wir es anstreben. Unabhängig davon werden wir selbstverständlich den Deutschen Bundestag beteiligen."

Diese Haltung unterstrich auch der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, in der Regierungspressekonferenz. "Eine Beteiligung des Bundestags, auch bevor klar ist, ob ein Mandatsfall eintritt oder nicht, wird es geben." Wie diese Beteiligung genau aussehen soll, also ob es auf jeden Fall eine Abstimmung oder nur eine Information oder Unterrichtung geben werde, wollte Seibert allerdings nicht näher ausführen: "Es hängt sehr davon ab, wie die Anfrage aussieht."

Die FDP will über einen möglichen Einsatz auf jeden Fall den Bundestag abstimmen lassen. "Auch dann, wenn das rechtlich vielleicht nicht erforderlich ist, sollten wir als Deutscher Bundestag ein starkes Signal an unseren Bündnispartner geben", sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring.

Opposition warnt vor voreiligen Entscheidungen

Die Sozialdemokraten warnen vor zu schnellen Entscheidungen und dringen auf umfassende Information des Parlaments. "Die Türkei hat als NATO-Partner Anspruch auf Unterstützung, wenn ihr Staatsgebiet und seine Menschen angegriffen und ernsthaft bedroht werden sind", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier. Ob das der Fall sei, dürfe angesichts der hochgefährlichen Lage im Nahen und Mittleren Osten nicht leichtfertig entschieden werden: "Nur der Bundestag kann dies verantwortlich entscheiden".

Streit über "Patriot"

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"Wir müssen auch dargelegt bekommen, dass die Türkei konkret und real durch syrische Flugzeuge und Raketen bedroht wird", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann.

Auch die Grünen warnen: "Jegliche militärische Operation über dem Hoheitsgebiet von Syrien ohne ein UN-Mandat geht für Deutschland nicht", sagte der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion Jürgen Trittin. Der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour warnte davor, "sich ohne Völkerrechtsgrundlage militärisch in den Syrien-Konflikt hineinziehen zu lassen. Der Einsatz von hunderten deutschen Soldaten mit Patriot-Raketen würde uns in der jetzigen Situation auf eine sehr glatte Rutschbahn zu einem Syrien-Einsatz selbst führen."

"Kein Einsatz außerhalb der NATO"

Das Verteidigungsministerium widersprach dieser Ansicht. "Es würde sich um einen Einsatz nicht außerhalb, sondern innerhalb des NATO-Bündnisgebietes handeln", sagte Ministeriumssprecher Andreas Peschke. Ziel sei es, "das Gebiet eines Bündnispartners gegen äußere Bedrohung zu schützen". Bei einem Einsatz außerhalb des Bündnisgebietes seien die Vereinten Nationen gefragt, so Peschke weiter. Das beträfe auch den Fall, sollte die Türkei eine Flugverbotszone im Norden Syriens durchsetzen wollen.

Die Linkspartei bezeichnete einen möglichen Patriot-Einsatz als "absolut inakzeptabel". Allein die Ankündigung einer solchen Maßnahme würde die Gewaltspirale anheizen, sagte Parteivorstandsmitglied Wolfgang Gehrcke.

Der FDP-Vorsitzende im Europaparlament, Alexander Graf Lambsdorff, wies Vorwürfe zurück, ein Bundeswehr-Einsatz würde den Konflikt in Syrien zusätzlich verschärfen. "Es ist mir schleierhaft, wie allein der Aufbau einer defensiven Waffenanlage im türkischen Grenzgebiet den Konflikt in Syrien weiter anheizen soll." Lambsdorff warnte vor unnötigen Gefahrszenarien.

"Das Ganze birgt ein enormes Eskalationsrisiko", sagte der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, der auch Vorsitzender des NATO-Militärausschusses war. Die Gründe dafür seien die enge Verbindung von Syrien zum Iran, der israelisch-palästinensische Konflikt und der letztlich unkalkulierbare Fortgang des arabischen Frühlings.

Genaue Einsatzstärke noch offen

Das Flugabwehrsystem "Patriot" des US-Rüstungskonzerns Raytheon kann Flugzeuge, taktische ballistische Raketen und Marschflugkörper abschießen. Neben Deutschland verfügen innerhalb der NATO nur noch die USA und die Niederlande über die modernste Ausbaustufe des Systems.

Die NATO verlegte bereits im Jahr 2003 Patriot-Batterien in die Türkei. Auslöser waren steigende Spannungen an der Grenze wegen des Irak-Krieges. Damals kamen allerdings nur deutsche Geräte zum Einsatz, die Soldaten wurden von den Niederlanden gestellt.

Wie viele Bundeswehrsoldaten beteiligt sein würden, könne derzeit noch nicht gesagt werden, erklärte der stellvertretende Sprecher im Verteidigungsministerium, Christian Dienst. Die Mindesteinsatzgröße pro Feuereinheit betrage 85 Soldaten. Dazu kämen aber noch Soldaten für die sogenannte unterstützende Peripherie.