Bundeswehr: KSK unter Dauerbeschuss
12. Juni 2020Lob und Anerkennung für das Kommando Spezialkräfte (KSK)? Eher selten. Das muss allerdings kein schlechtes Zeichen sein - im Gegenteil: Denn die streng geheim agierende Elite-Truppe der Bundeswehr soll ihren gefährlichen Job schließlich effektiv und geräuschlos im Verborgenen erledigen. Manchmal dringt aber doch eine kleine Erfolgsmeldung nach draußen. 2012 zum Beispiel, als das KSK in Afghanistan einen hohen Taliban-Führer festnahm. Dafür gab es im DW-Interview sogar ein paar freundliche Worte vom Militär-Experten der Grünen, Omid Nouripour.
Allerdings bemängelte er zugleich die fehlende Transparenz gegenüber dem Deutschen Bundestag. Schließlich ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee. Das letzte Wort über Auslandseinsätze haben also die Abgeordneten. Vor allem die Militär-Fachleute unter ihnen dürften sich dieser Tage aber mal wieder fragen, was das KSK so treibt und wes Geistes Kind es ist. Jüngster Fall ist ein Stabsfeldwebel, der nach einem Medienbericht wegen seiner Nähe zur Identitären Bewegung (IB) vom Dienst suspendiert worden sein soll.
Die international vernetzte Organisation wurde im Juli 2019 vom Verfassungsschutz als "rechtsextremistisch" eingestuft. Der jetzt aufgeflogene KSK-Soldat ist zudem kein Unbekannter. Er geriet bereits 2007 in einem ganz anderen Zusammenhang ins Visier der Staatsanwaltschaft: Der ehemalige Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz behauptete, von ihm misshandelt worden zu sein. Mit dem Schicksal des unschuldig in dem US-Lager festgehaltenen Kurnaz beschäftigte sich damals auch ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss.
MAD-Präsident spricht von rund 20 Verdachtsfällen
Gegen den KSK-Mann ermittelte damals die Staatsanwaltschaft, das Verfahren wurde allerdings ergebnislos eingestellt. Doch jetzt könnte seine Karriere ein unrühmliches Ende nehmen, wenn sich die neusten Vorwürfe bestätigen sollten. Denn beim Thema Rechtsextremismus kennt die Bundeswehr anscheinend kein Pardon mehr. Zu oft und zu heftig ist sie inzwischen in Verruf geraten, insbesondere das Kommando Spezialkräfte. Im Januar 2020 sprach der Präsident des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Christof Gramm, von rund 20 Verdachtsfällen. Im Verhältnis zur Personalstärke sei die Zahl fünfmal so hoch wie beim Rest der Truppe.
Letzte Zweifel am Ausmaß des Problems beseitigte kein geringerer als der KSK-Kommandeur höchstpersönlich. Brigadegeneral Markus Kreitmayr forderte in einem Ende Mai bekannt gewordenen Brief Rechtsextremisten in den eigenen Reihen dazu auf, die Truppe "aus eigenem Antrieb" zu verlassen. Auslöser für seinen Appell war die Festnahme eines KSK-Soldaten, der auf seinem Privatgrundstück Sturmgewehre, Munition und Sprengstoff gehortet haben soll.
Brandbrief des KSK-Kommandeurs: "Neue alarmierende Qualität"
Kreitmayr sieht in dem Fund eine "neue alarmierende Qualität". Laut Medienberichten stammen die Waffen teilweise aus Beständen der Bundeswehr. Warum die mutmaßlichen Diebstähle überhaupt möglich waren und lange unentdeckt blieben, wird jetzt untersucht. "Dabei wird ganz genau geschaut, wer wie mit wem Kontakt hatte", sagte ein Sprecher von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer kurz nachdem der Fall bekannt geworden war.
Die schwer angeschlagene Elite-Truppe der Bundeswehr soll nun bis in den letzten Winkel hinein auf mögliche rechtsextremistische Umtriebe ausgeleuchtet werden. Zuständig ist eine Arbeitsgruppe unter Leitung eines Staatssekretärs. Weitere Mitglieder sind unter anderem KSK-Kommandeur Kreitmayr und die neue Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl. Ihre Aufgabe ist es, dem Parlament bei der Kontrolle der Streitkräfte behilflich zu sein.
Von "Aushängeschild" der Bundeswehr kann keine Rede mehr sein
Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer will zudem das Soldatengesetz mit dem Ziel reformieren lassen, Extremisten schneller entlassen zu können. "Wer das Ansehen der Bundeswehr auf diese Weise gefährdet, kann nicht in der Bundeswehr verbleiben", sagte die Christdemokratin unter dem Eindruck der jüngsten Skandale. Bereits im Oktober 2019 hatte sie in ihrem Ministerium eine Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle (KfE) eingerichtet. Das KSK steht dabei besonders im Fokus.
Dass die Elite-Einheit besonders anfällig für rechtsextremistische Umtriebe ist, räumte auch die Bundesregierung schon im März ganz offen ein. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Freien Demokraten (FDP) wird das Kommando Spezialkräfte zunächst als "Aushängeschild" der Bundeswehr bezeichnet. Dann wird aber zugegeben, "dass unerwünschte interne Entwicklungen" nicht unbedingt sofort in dem Maße erkennbar seien, "wie in weniger sensiblen und abgeschotteten Bereichen der Bundeswehr".
Die Geheimarmee muss sich auf neue Zeiten einstellen
Mit anderen Worten: Rechtsextremisten waren im KSK bislang schwerer zu entdecken als in anderen Truppenteilen, weil es sich um eine Art Geheimarmee handelt. Wie gefährlich die nicht nur für den militärischen Feind, sondern auch für das eigene Land werden kann, dürfte nunmehr allen klar geworden sein. Die Zeit des Wegguckens scheint jedoch vorbei zu sein. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums kündigte an, die neue Arbeitsgruppe werde bis Juli Maßnahmen erarbeiten. Um bei Extremismusverdacht im KSK künftig "schneller, schlagkräftiger und vor allem nachhaltiger agieren zu können".