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Politik

Bundeswehr-Exzesse lösen Empörung aus

28. Januar 2017

Die sadistischen Rituale in einer Bundeswehr-Kaserne haben Bundesregierung und Armeeführung aufgeschreckt. Es ist nicht der erste Skandal - die Entscheidungsträger sind offenbar entschlossen, hart durchzugreifen.

Symbolbild Bundeswehr
Bild: picture-alliance/dpa/dpa-Zentralbild/S. Sauer

Schon öfter hatte die Bundeswehr ihre Not mit Gewaltexzessen in der Truppe. Diesmal aber betrifft es ausgerechnet ein Ausbildungszentrum für Elitekräfte. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, nannte die Vorfälle in der Pfullendorfer Staufer-Kaserne bei Sigmaringen "absolut inakzeptabel". "Es betrifft etliche Soldaten und Vorgesetzte", sagte der Sozialdemokrat der "Bild"-Zeitung. "Es wird jetzt hart durchgegriffen." Ähnlich hatte sich zuvor Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geäußert.

Der Skandal ruft auch den ranghöchsten Soldaten der Bundeswehr auf den Plan: Generalinspekteur Volker Wieker werde "in den nächsten Tagen" in den Heeresstandort fahren, um sich die Vorgänge darstellen zu lassen, erklärte das Ministerium.

Einfahrt der Staufer-Kaserne in PfullendorfBild: picture-alliance/dpa/T. Warnack

Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, sagte dem dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk: "Da wurde offensichtlich die notwendige Härte in der Ausbildung mit menschenverachtender Dummheit verwechselt." Er selbst habe "vor einiger Zeit einen Standortbesuch in Pfullendorf gemacht. Ich war dort nicht sehr erwünscht, das hat mir schon zu denken gegeben." Er sei mit einem Gefühl gegangen, dass die Kaserne in keinem guten Zustand sei, sagte Arnold dem Sender.

"Sexuell-sadistische Praktiken"

In der Elite-Ausbildungskaserne gehen Bundeswehr und Justiz Hinweisen auf Gewaltexzesse und schwerwiegendes Fehlverhalten nach. Sieben Soldaten wurden vom Dienst suspendiert und sollen fristlos entlassen werden, zudem wurden mehrere Disziplinarverfahren und Versetzungen angeordnet. Zuerst hatte "Spiegel Online" am Freitag über die Vorfälle berichtet. Demnach gab es in Pfullendorf unter anderem "sexuell-sadistische Praktiken" sowie Gewaltrituale.

Verteididungsministerin von der Leyen reagierte empört: "Die Vorgänge in Pfullendorf sind abstoßend und sie sind widerwärtig." Generalinspekteur Wieker halte sie "auf dem Laufenden über den Fortgang der Untersuchungen". Die Vorgänge würden "mit aller Härte aufgeklärt", versicherte die Ministerin. Heeresinspekteur Jörg Vollmer erklärte: "Verstöße gegen die Innere Führung werden im Heer nicht geduldet und mit aller Konsequenz geahndet."

Bundesverteidigungsministerin von der Leyen (bei einem Besuch in Mali)Bild: REUTERS/Nietfeld

Die Bundeswehr schaltete die Staatsanwaltschaft Hechingen ein und stellte Strafanzeige gegen mehrere Soldaten, wie ein Sprecher der Anklagebehörde am Freitagabend mitteilte. Es geht um den Verdacht der Freiheitsberaubung, der gefährlichen Körperverletzung, Gewaltdarstellung und Nötigung.

"Gravierende Defizite"

Vorgesetzte seien nach derzeitigem Stand der Ermittlungen an den Geschehnissen nicht beteiligt gewesen, erklärte die Bundeswehr. Wegen der "gravierenden Defizite in der Führung" seien aber zusätzlich zu den sieben Entlassungen mehrere Disziplinarverfahren und Versetzungen angeordnet worden.

In der Ausbildungskaserne in Baden-Württemberg "kam es zu einer Häufung ernstzunehmender Vorfälle", wie es zuvor in einer Mitteilung des Heeres hieß. Es habe Verstöße gegen das "Gebot zur Achtung der Würde des Menschen, der sexuellen Selbstbestimmung und des Schamgefühls" gegeben. Es gebe zudem Hinweise auf Mobbing. Außerdem seien im Zuge sogenannter "Aufnahmerituale" Soldaten misshandelt worden.

Rund 35 Millionen Euro gibt die Bundeswehr jährlich aus, um Nachwuchs zu werbenBild: picture-alliance/dpa/dpa-Zentralbild/S. Sauer

Im Oktober 2016 wandte sich dem "Spiegel"-Bericht zufolge ein weiblicher Leutnant aus dem Sanitätsbereich an den Wehrbeauftragten Bartels und direkt an Ministerin von der Leyen. Die Frau habe beschrieben, dass sich Rekruten bei der Ausbildung vor den Kameraden nackt ausziehen mussten. "Vorgesetzte filmten mit, angeblich zu Ausbildungszwecken", schrieb "Spiegel Online". Die Rede sei auch von medizinisch unsinnigen, sexuell motivierten Übungen.

Das Pfullendorfer Zentrum schult nationale und internationale Spezialkräfte. Angeboten werden unter anderem Lehrgänge für Scharfschützen sowie Führungspersonal von Spezialkräften. Zudem werden die Soldaten etwa im Nahkampf trainiert oder auf das Überleben und Verhalten in Gefangenschaft oder in isolierter Lage vorbereitet.

Schon häufiger wurden Exzesse bei der Bundeswehr bekannt - zuletzt im Februar 2010 entwürdigende Aufnahmerituale der Gebirgsjäger im oberbayerischen Mittenwald. Neulinge in der Edelweiß-Kaserne mussten einen "Fuxtest" über sich ergehen lassen, mit dem Essen roher Schweineleber und Alkoholkonsum bis zum Erbrechen. Nach Aussagen aus Mittenwald gingen damals beim Wehrbeauftragten Schreiben von Soldaten aus weiteren Kasernen ein, die von ähnlichen Praktiken berichten.

stu/jj (afp, dpa)

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