1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Bundeswehr im Kampf gegen Corona

19. März 2020

Wie kann die Bundeswehr in der Corana-Krise helfen, und was darf sie eigentlich? Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer zeigt sich gerüstet - aber warnt vor zu großen Erwartungen.

Deutschland Corona-Krise | Sanitäter der Bundeswehr Symbolbild
Bild: picture-alliance/dpa/S. Gollnow

"Wir. Dienen. Deutschland." Mit diesem Slogan wirbt die Bundeswehr um Nachwuchs. Und dieser Slogan ist auch das Motto der Verteidigungsministerin gegen die Corona-Pandemie.

Logistik, Gesundheitsversorgung, Transport, Sicherheitsaufgaben: Annegret Kramp-Karrenbauer ruft Soldaten und Reservisten dazu auf, bei der Bewältigung der Corona-Krise mit an vorderster Gesundheitsfront zu stehen.

"Uns allen muss bewusst sein, dass der Kampf gegen das Virus ein Marathon ist", sagt Kramp-Karrenbauer bei einer Pressekonferenz in Berlin. Sie will ihre Truppe als eiserne Reserve vorhalten, "wenn der zivile Schutz nicht mehr gewährleistet werden kann." Sollte es in Krankenhäusern, beim Transport von Lebensmitteln und Hilfsgütern zum Kollaps kommen, soll die Truppe einspringen. Zum Beispiel bei der Beschaffung von Medizingeräten, Schutzkleidung und so weiter.

"Kampf gegen Corona ist Marathon": Verteidigungsministerin Kramp-KarrenbauerBild: picture-alliance/dpa/M. Sohn

Hauptaufgaben Landesverteidigung und Auslandseinsätze

Zugleich macht Kramp-Karrenbauer klar, dass die Führungs- und Einsatzfähigkeit der Bundeswehr "höchste Priorität" habe und die nationale und internationale Auftragserfüllung die wichtigste Aufgabe der Truppe bleibe.

Die Bundeswehr hat mehr als 180.000 Soldatinnen und Soldaten. Rund 115.000 sind beim Verband der Reservisten registriert, sind also Zivilisten mit militärischer Ausbildung. Wie viele Soldatinnen und Soldaten konkret zum Einsatz kommen könnten, ließ Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer offen.

Thomas Wiegold warnt vor allzu großem Optimismus. Im Gespräch mit der DW sagte der Bundeswehrexperte und Blogger: "Man kann nicht davon ausgehen, dass 180.000 Soldaten sinnvoll mobil gemacht und auf die Straße geschickt werden könnten. Man braucht ja eher Leute mit speziellen Kenntnissen." Die Bundeswehr sei in der Krise eher so etwas wie die Ersatzreserve, meint Wiegold.

Thomas Wiegold betreibt den Experten-Blog "Augen Geradeaus"Bild: Bernhard Ludewig

Hilfseinsätze von Anfang an

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer will mit dem Einsatz von Soldaten noch haushalten. Aber die Bundeswehr hat schon seit Beginn der Krise geholfen: Die Luftwaffe zum Beispiel hatte bereits im Januar Deutsche aus der Corona-Krisenregion im chinesischen Wuhan ausgeflogen. Und erst am Mittwoch war die Truppe von Kramp-Karrenbauer auf Wunsch der Landesregierung von Sachsen im Hilfseinsatz: Weil die Grenze zu Polen gesperrt ist, hatten sich dort kilometerlange Staus gebildet. LKW- und Autofahrer mussten oft mehr als einen Tag lang in ihren Fahrzeugen ausharren. Die Bundeswehr kam mit 50 Soldaten und Soldatinnen zur Hilfe, verteilte Decken, Getränke, Essen. "Wir werden so lange unterstützen, wie wir gebraucht werden", kündigte Kramp-Karrenbauer in Berlin an.

Soldaten bereiten die Verteilung von Lebensmitteln für festsitzende LKW-Fahrer an der Grenze vorBild: Reuters/M. Rietschel

Wichtig könnten auch die insgesamt fünf Bundeswehr-Krankenhäuser werden. Dort kümmern sich die Ärzte schon seit Tagen nicht nur um Soldaten, sondern behandeln auch immer mehr zivile Fälle. Vor zu großen Erwartungen an die Bundeswehr im Medizinbereich warnt Kramp-Karrenbauer jedoch: Mit nur rund 3000 Ärztinnen und Ärzten ist die Bundeswehr im Gesundheitsbereich nur "Juniorpartner".

In der Hauptstadt Berlin ist geplant, auf einem Messegelände ein Krankenhaus mit bis zu 1000 Betten zu errichten. Auch dabei soll die Bundeswehr helfen. Das Beschaffungsamt der Truppe, sonst zuständig für die Anschaffung von Stiefeln und Klappspaten, hat Atemschutzmasken, Schutzanzügen und Medikamente in aller Welt eingekauft. Darüber verfügen kann das Gesundheitsministerium.

Schwierige Gratwanderung

Rund 50 Anfragen auf sogenannte "Amtshilfe" lägen ihr derzeit vor, sagt Kramp-Karrenbauer. Das betreffe zum Beispiel den Schutz von kritischer Infrastruktur wie etwa Wasser- oder Elektrizitätswerke. Darunter war auch eine brisante Bitte aus Thüringen. In Suhl sollte die Bundeswehr ein Aufnahmelager bewachen, in dem die Einwohner unter Quarantäne stehen. Das nötige Sicherheitspersonal war offenbar nicht verfügbar. Die Bundeswehr sollte deshalb einspringen. Die Juristen des Verteidigungsministeriums hatten das aber umgehend abgelehnt.

Derartige Einsätze der Bundeswehr seien delikat, erklärt Thomas Wiegold von Augen Geradeaus: "Die Bundeswehr, das steht so im Grundgesetz, darf innerhalb Deutschlands nur da eingesetzt werden, wo es von der Verfassung ausdrücklich erlaubt ist. Und solange wir nicht den Verteidigungsfall- oder Spannungsfall haben, also den Krieg, sind die Möglichkeiten begrenzt."

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer bei den SanitäternBild: picture-alliance/dpa/O. Dietze

Die Aufgaben von Militär und Polizei sind in Deutschland nach den historischen Erfahrungen der Nazi-Diktatur strikt getrennt. Die Bundeswehr ist grundsätzlich für die Verteidigung des Landes nach außen da, die Polizei ist für die Sicherheit im Inland zuständig. Zwei Ausnahmen lässt die deutsche Verfassung zu: Die "Katastrophenhilfe" und den sogenannten "Inneren Notstand".

Im Ausland ist vieles einfacher

Im Ausland ist der Einsatz der Armee sehr viel unkomplizierter. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace etwa hat bekannt gegeben, die Zahl der Soldaten für Zivileinsätze zu verdoppeln, auf nunmehr 20.000. Die Soldaten sollten vor allem bei der Polizei und im Gesundheitswesen helfen, hieß es weiter. Im Nachbarland Frankreich fliegt die Armee bereits Kranke per Helikopter aus den überlasteten Krankenhäusern in den Pandemiezentren in weniger belastete Regionen des Landes aus. Auch andere europäische Länder setzen auf unbürokratische Hilfe ihrer Streitkräfte.

Trotz aller rechtlichen und technischen Einschränkungen zeigt sich Kramp-Karrenbauer aber optimistisch. Die Verteidigungsministerin betont: "In diesen schwierigen Zeiten können sich Bürgerinnen und Bürger darauf verlassen, dass wir ihnen zur Seite stehen." Allerdings ist – wenig überraschend - die Bundeswehr inzwischen selbst von der Corona-Pandemie betroffen. Stand Donnerstagmorgen wurden durch die Bundeswehr 397 Corona-Verdachtsfälle und 52 Infektionen bestätigt.