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Bundeswehr: KSK mauschelte bei verschwundener Munition

Nina Werkhäuser | Anne Höhn
2. März 2021

Die Bundeswehr-Elitetruppe KSK steht wegen rechtsextremer Vorfälle auf dem Prüfstand. Nun kam heraus: Soldaten durften entwendete Munition straffrei zurückgeben.

Deutschland | Bundeswehr | Kommando Spezialkräfte KSK
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Es war ein ungewöhnliches Mittel, zu dem der KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr im Frühjahr 2020 griff: Der General bot seinen Soldaten an, unterschlagene Munition und Waffen anonym zurückzugeben. Still und heimlich - und ohne dienst- oder strafrechtliche Konsequenzen.

Zuvor war festgestellt worden, dass beim Kommando Spezialkräfte Munition in großer Stückzahl fehlte. War der Grund dafür eine schlampige Buchführung? Oder hatten Soldaten der geheim operierenden Eliteeinheit Munition und Waffen absichtlich unterschlagen? Das wäre eine Straftat.

Das Angebot des Generals fand offenbar großen Anklang: Mindestens 25.000 Schuss Munition seien zwischen März und Mai 2020 anonym zurückgegeben worden, heißt es im Verteidigungsausschuss des Bundestags, der erst kürzlich von der Rückgabe-Aktion erfuhr. Auch Handgranaten wurden abgegeben. 

KSK durch rechtsextreme Vorfälle in der Kritik

Das im württembergischen Calw stationierte KSK steht unter scharfer Beobachtung, seitdem rechtsextreme Vorfälle in der Elitetruppe ans Licht der Öffentlichkeit kamen. Soldaten, die den Hitlergruß zeigten, dazu verschwundene Munition und Sprengstoff – im vergangenen Juni war für Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer das Maß voll.

Der Umgang mit Munition im KSK sei disziplinlos, beklagt CDU-Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer Bild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Sie setzte eine Arbeitsgruppe ein, die seither das KSK durchleuchtet und Reformen vorschlägt. Die skandalumwitterte zweite Kompanie ließ sie vollständig auflösen. Das KSK, das für die Geiselbefreiung und die Bekämpfung von Terroristen im Ausland ausgebildet ist, ist Teil des Heeres und untersteht der "Division Schnelle Kräfte".

Schwund von Munition wegen "fehlerhafter Buchführung"?

Im Sommer sollen die Untersuchungen abgeschlossen sein. Bis dahin stehe das KSK "unter Bewährung", so die Ansage der Ministerin, die eine transparente Aufklärung aller Missstände versprochen hatte. Nun sieht es aber so aus, als ob der umstrittene Tausch "Munition gegen Amnestie" unter den Teppich gekehrt werden sollte.

Generalinspekteur Zorn verschwieg dem Verteidigungsausschuss die umstrittene Rückgabe-Aktion für MunitionBild: Jörg Carstensen/dpa/picture alliance

In seinem Zwischenbericht zur KSK-Reform vom 30. Oktober 2020 ließ Generalinspekteur Eberhard Zorn die Rückgabe-Aktion unerwähnt. Dort wurde der Schwund von Munition und Sprengstoff mit "unsachgemäßer Buchführung" und "Zählfehlern" begründet. Auch Kramp-Karrenbauer selbst war offenbar lange nicht im Bilde.

Munition im Garten vergraben

Erst die Aussage eines KSK-Soldaten, der selbst Munition entwendet hatte, brachte den Stein ins Rollen. Im Gerichtsverfahren, das gegen ihn läuft, berichtete der Soldat von der Sammelaktion in Calw, an der er allerdings nicht teilgenommen habe – er habe es vorgezogen, die unterschlagene Munition und ein Gewehr in seinem Garten zu vergraben. 

KSK-Soldaten sind für die Befreiung von Geiseln und andere Spezialoperationen ausgebildetBild: Bundeswehr/Andrea Ulke

Auch dem Verteidigungsausschuss des Bundestags hatte Generalinspekteur Zorn, der als ranghöchster deutscher Soldat die Arbeitsgruppe zur KSK-Reform leitet, die umstrittene Rückgabe-Aktion vorenthalten. Das sei ein Fehler gewesen, wie er inzwischen einräumte. Die fehlenden Informationen werde er in der Ausschuss-Sitzung am 3. März nachliefern.

Strack-Zimmermann: "Rechtlich geht das gar nicht"

Nicht nur der Mangel an Transparenz irritiert viele Verteidigungspolitiker im Bundestag, sondern auch die Umstände der "Munitions-Amnestie". Darf ein General sich anmaßen, Soldaten Straffreiheit in Aussicht zu stellen, wenn sie illegal entwendete Waffen zurückgeben?

Rechtsextremismus in der Bundeswehr

04:13

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"Man kann gegebenenfalls den Soldatinnen und Soldaten in Aussicht stellen, dass die Strafe nicht so hart ausfällt", betonte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Aber dass man sagt, es passiert nichts, ist ein Vorgang, der rein rechtlich gar nicht geht."

Soldaten dürfen Waffen der Bundeswehr ausschließlich im Dienst nutzen, sie aber nicht außerhalb des Dienstes tragen oder gar nach Hause mitnehmen. Der Besitz von Kriegswaffen - dazu gehören die anonym zurückgegebenen Handgranaten - steht in Deutschland unter Strafe.

Verdacht der Strafvereitelung im Amt durch KSK-Kommandeur 

Er kenne keine Vorschrift in der Bundeswehr, die eine solche Amnestie decken würde, bemängelt auch Verteidigungspolitiker Tobias Lindner von den Grünen, der kleinsten Oppositionspartei im Bundestag. Gegen General Kreitmayr, den Kommandeur des KSK, stehe demnach der Verdacht der Strafvereitelung im Amt im Raum.

Kritisiert die anonyme Rückgabe-Aktion beim KSK scharf: Tobias Lindner von den GrünenBild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Zwar dementierte Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer in der vergangenen Woche Gerüchte, dass die Entlassung Kreitmayrs kurz bevorstehe – noch sei seine Vernehmung nicht abgeschlossen. Zu klären sei, ob er alleine gehandelt habe oder auf Anweisung oder mit dem Wissen seiner Vorgesetzten in der Bundeswehr.

Kramp-Karrenbauer missbilligte aber ausdrücklich den Umgang mit Munition im KSK, der sich durch Disziplinlosigkeit und die "Inanspruchnahme von Sonderregeln" auszeichne.

Haben sich Rechtsextremisten im KSK mit Waffen eingedeckt?

Nach Einschätzung des Verteidigungsexperten Tobias Lindner hat die anonyme Rückgabe-Aktion einen weiteren gravierenden Nachteil: Sie behindere die notwendigen Ermittlungen darüber, "ob Rechtsextremisten im KSK sich Waffen und Munition beschaffen konnten". Hervorragend ausgebildete Soldaten mit rechtsextremer Gesinnung, die möglicherweise Munition, Sprengstoff oder Waffen "beiseite schaffen" konnten – das sei hochgefährlich, warnen Fachleute schon lange.

Das betrifft nicht nur das Kommando Spezialkräfte, sondern die gesamte Bundeswehr. Rund 500 Verdachtsfälle im Bereich Rechtsextremismus meldet aktuell der Militärische Abschirmdienst (MAD), der für die Bundeswehr zuständige Geheimdienst.

Rechtsextremismus bei der Bundeswehr sei "kein Randproblem", urteilt auch Eva Högl, die Wehrbeauftragte des Bundestages. Würden Vorfälle bekannt, müssten sie deutlich schneller aufgeklärt und sanktioniert werden als bisher. Erst am Wochenende hatte die Polizei in Hessen einen Bundeswehr-Soldaten festgenommen. Gegen ihn wird wegen illegalen Waffenbesitzes und rechtsextremer Äußerungen ermittelt.

Nina Werkhäuser Reporterin