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KonflikteBurkina Faso

Schwierige Versöhnung in Burkina Faso

Katrin Gänsler
23. November 2020

Ausgerechnet in Burkina Faso wächst das Misstrauen zwischen den verschiedenen Ethnien. Grund dafür sind Terroranschläge und Überfälle von Banditen. Eine Strategie, wie man den Argwohn bekämpft, gibt es bisher nicht.

Burkina Faso | Wahlkommission
Auch die Wahlkommission wirbt für die Einheit von Burkina FasoBild: Katrin Gänsler/DW

Die schwere Metalltür fällt ins Schloss. Eine Eisenkette sorgt dafür, dass sie auch wirklich niemand öffnen kann. Hinter der Tür stehen dicht nebeneinander mehr als 20 verstaubte Mopeds und ein paar Fahrräder. Es ist Diebesgut, das die Selbstverteidigungsmiliz Koglweogo in Nioko 1, einem Vorort der burkinischen Hauptstadt Ouagadougou, Dieben abgenommen hat. Deren Präsident Jean Kaboré zeigt es stolz. Jetzt können sich die Besitzer melden und Mopeds und Fahrräder abholen. Manchmal bewahren sie auch Geld oder Schmuck auf.

Wahlen in Burkina Faso

03:20

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Große Massen sind es laut Kaboré jedoch nicht mehr. "Wir sind jetzt seit sechs Jahren aktiv. Es ist viel sicherer geworden, und die Verbrecher sind längst anderswo", sagt der Präsident der Koglweogo-Gruppe. Ihr Name stammt aus Sprache der Mossi - Moré - und bedeutet übersetzt "Wächter des Waldes". Fassen sie einen Verbrecher, erzählen Kaboré und andere Mitglieder, halten sie ihn zuerst fest und übergeben ihn dann Polizei und Gendarmerie. Die Koglweogo sind längst nicht mehr die einzige Selbstverteidigungsgruppe in dem Land mit den rund 20,8 Millionen Einwohnern. Sie werden von den Behörden anerkannt. Damit hat der Staat längst sein Gewaltmonopol verloren.

Angst vor Selbstverteidigungsmilizen

Längst nicht allen gefällt das. Im Zentrum Ouagadougous wird Issa Diallo, Präsident der nationalen Kommission der Sprache der Peul, deutlich. Die Peul, die im anglophonen Westafrika als Fulani bekannt sind, hätten Angst vor den Selbstverteidigungsmilizen. "Wer auf dem Land lebt, schläft schlecht oder gar nicht mehr", betont Diallo. Vorgeworfen wird ihnen einerseits, außerhalb des Rechtssystems zu agieren, und andererseits gegen andere ethnische Gruppen brutal vorzugehen. Die Koglweogo gelten als Zusammenschluss der Mossi. Die Regionalgruppe von Nioko 1 winkt jedoch ab. Ihre Mitglieder würden aus allen ethnischen Gruppen kommen und bei Veranstaltungen in Kirchen und Moscheen für Schutz sorgen.

Jean Kaboré, Präsident der Koglweogo in Nioko 1, gibt zu: Das Misstrauen ist gestiegenBild: Katrin Gänsler/DW

In Burkina Faso schafft das jedoch eins: Das Misstrauen wächst. "Im Norden zum Beispiel kann ein Peul, ein männlicher Peul, nicht alleine zu Fuß unterwegs sein. Er kommt nicht zurück", kritisiert Diallo. Nach Informationen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat es in der Handelsstadt Djibo Massaker seitens der Armee an den Peul gegeben. Der Vorwurf lautet: Die Peul sind Mitglieder der malischen Terrorbewegung "Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime" (JNIM), da deren Anführer Amadou Kouffa ebenfalls dieser Ethnie angehört. JNIM ist seit einigen Jahren auch im Nordwesten von Burkina Faso aktiv. Gegen diese Stigmatisierung würden die Autoritäten nichts unternehmen, so Diallo.

Das Märchen vom friedlichen Zusammenleben

Egal, mit wem man in Burkina Faso spricht: Alle betonen, dass das Vertrauen weg sei. Fremde lasse man nicht mehr gerne ins Haus. Die Furcht, dass sich in Taschen Sprengsätze befinden, ist da. Die Unbefangenheit ist weg. Auch Miphal Ousmane Lankoandé, Exekutivsekretär der zivilgesellschaftlichen Bewegung Balai Citoyen (Bürgerbesen) und Soziologe, erlebt, dass die Taten "externer Kräfte" Panik in der Bevölkerung auslösen.

Miphal Ousmane Lankoandé von den Balai Citoyen will junge Menschen mehr zusammen bringenBild: Katrin Gänsler/DW

Burkina Faso trifft das umso härter, weil das Land in ganz Westafrika lange als stabil und beispielhaft für das einvernehmliche Miteinander galt. Aus dem überaus gespaltenen Nigeria hat man beispielsweise machmal geradezu bewundernd nach Burkina Faso geschaut. Für Lankoandé ist das jedoch ein Mythos: "In der Geschichte Burkina Fasos hat es Brüderkriege und ethnische Auseinandersetzungen gegeben." Erst durch Abkommen, die mündlich geschlossen wurden, konnten die Schwierigkeiten beigelegt werden. Ohnehin würde die Vorstellung vom immerwährenden Frieden nicht helfen. "Vor allem die jungen Menschen gehen davon aus, dass wir etwas verloren haben." Viel wichtiger sei es zu vermitteln, dass sich die Bevölkerung immer wieder versöhnt hat.

Auf der Suche nach Verbesserung

Initiativen dafür gibt es durchaus. Issa Diallo hält von großen Konferenzen allerdings nichts mehr, da viele Ergebnisse weder umgesetzt, mitunter nicht einmal zur Kenntnis genommen würden. Beispielsweise sei der aufkeimende Terrorismus schon vor zehn Jahren thematisiert worden. Auch fehle es nicht an Ressourcen: "Von verschiedenen Seiten wird viel Geld zur Verfügung gestellt, um den sozialen Frieden wiederherzustellen. Damit ändert sich jedoch nichts. Deshalb kann man zu der Schlussfolgerung kommen, dass die Treffen sinnlos sind. Auch ohne sie wäre es nicht schlimmer als jetzt." Seiner Meinung nach müssen stattdessen Gesetze durchgesetzt werden.

Die Selbstverteidigungsmiliz Koglweogo wartet in Nioko darauf, dass Besitzer ihre gestohlenen Mopeds wieder abholenBild: Katrin Gänsler/DW

In Nioko 1 kann sich Jean Kaboré jedoch einen nationalen Dialog vorstellen. "Das wäre eine gute Sache", findet er, "damit könnte man viele Menschen zusammenbringen. Letztendlich bringt ein Dialog uns auch den Frieden." 

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