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Politik

Burkina Fasos enttäuschte Jugend

Katrin Gänsler
17. April 2019

2014 waren es vor allem die jungen Burkinabé, die das Regime von Blaise Compaoré zum Rücktritt zwangen. Von der Aufbruchstimmung ist heute nur noch wenig zu spüren. Sorge bereitet vor allem die hohe Arbeitslosigkeit.

Burkina Faso Balai Citoyen, Ouagadougou
Bild: DW/K. Gänsler

Es war der Soundtrack des Aufbruchs: Mit seinem 2015 veröffentlichten Album "Pre'volution" hat Rapper Smockey, Mitbegründer und Sprecher der Bürgerbewegung Balai Citoyen, den Sturz von Diktator Blaise Compaoré im Herbst 2014 und die politischen Umwälzungen in Musik festgehalten. Zu hören ist die Wut auf ein System, das sich 27 Jahre an der Macht halten konnte, ebenso wie die Hoffnung auf den Neuanfang. Bis heute erklingt die Musik bei Konzerten und in den Bars der Hauptstadt Ouagadougou.

Doch aus der Hoffnung ist vielfach Enttäuschung geworden. Denn der Alltag vieler junger Menschen hat sich kaum gewandelt. "Heute herrscht Desillusionierung, weil man den Eindruck hat, dass die Dinge sich nicht schnell genug ändern", beschreibt Serge Bayala die Stimmung im Land. Er ist Führungsmitglied des Vereins "Denkmal für Thomas Sankara". 2014 ist er mit tausenden anderen jungen Menschen für das Ende des Compaoré-Regimes auf die Straße gegangen. Die Erwartungen waren hoch. "Wenn man von der Energie der Revolution getragen wird, denkt man natürlich, dass sich alles ändern wird."

Serge Bayala vom Verein "Denkmal für Thomas Sankara"Bild: DW/K. Gänsler

Kaum mehr Hoffnung auf einen schnellen Wandel hat Hassimi Zouré. Der jungen Generation mache besonders die Arbeitslosigkeit zu schaffen, sagt der Journalist, der ein Diplom und einen Master-Abschluss hat. "Das ist gerade eine ganz schwierige Situation", sagt Zouré. "Man macht eine Ausbildung, erhält ein Diplom. Der Logik folgend dürfte man danach nicht lange arbeitslos sein, vielleicht drei Monate. Doch heute sind die jungen Leute sechs oder sieben Jahre arbeitslos. Ein Diplom garantiert längst keine Arbeit mehr." Verlässliche Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit gibt es nicht. 2018 schätzte die Weltbank, dass in Benin 8,6 Prozent der 15- bis 24-Jährigen ohne Arbeit sind. Mitunter sind die Schätzungen jedoch doppelt bis dreimal so hoch.

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Zu viele Literaten, zu wenig Techniker

Hassimi Zouré fordert deshalb, das Ausbildungssystem komplett zu ändern. "Vor allem an staatlichen Universitäten ist die Ausbildung rein theoretisch. Man bildet gute Juristen aus, Literaten, Mathematiker, aber nur sehr selten Techniker", kritisiert er. Dass sich das nicht ändere, liege an den "verbrauchten Politikern". Zwar wurde das alte Regime 2015 abgewählt. Jedoch: "Wenn man sich die Regierung anschaut, stellt man fest: Dieselben Akteure regieren das Land seit mindestens 27 Jahren", so Zouré. Tatsächlich gehörte auch der heutige Präsident Roch Marc Christian Kaboré noch bis Januar 2014 Compaorés Regierungspartei an. Eins kommt für Hassimi Zouré allerdings nicht in Frage: sich aus öffentlichen Diskussionen zurückzuziehen. Für den Balai Citoyen, den "Bürgerbesen", betreut er aktuell ein Programm, dessen Ziel es ist, dass überall im Land junge Menschen mir ihren Parlamentsabgeordneten in Kontakt kommen. Die Parlamentarier sollen über ihre Arbeit informieren und auch Rechenschaft ablegen.

Journalist Hassimi ZouréBild: DW/K. Gänsler

Darüber hinaus organisiert die Jugendbewegung auf lokaler Ebene Jugendclubs oder Konferenzen zu Sicherheitsfragen. Genau diese Arbeit sei weiterhin die Stärke der Organisation, sagt Aminata Kassé, Landesdirektorin der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation National Democratic Institute (NDI) in Burkina Faso. "Ihre Stimme ist weiterhin sehr stark. Das merken wir an den Reaktionen, sobald etwas passiert und wichtige Fragen aufgeworfen werden. Wir werden sie und ihre Meinung künftig in der Politik noch stärker wahrnehmen."

Den Platz in der Politik finden

Bei den Wahlen 2015 haben die jungen Leute vom Balai Citoyen eines immer wieder klar gemacht: dass sie für keinen der Kandidaten Wahlkampf machen würden. Stattdessen forderten sie die Gesellschaft auf, zu wählen und den Verlauf zu überwachen. Der Slogan "je vote et je reste" - "ich wähle und bleibe" - war im ganzen Land zu hören. Heute ist für Rapper Smockey jedoch klar: Die junge Generation kann heute nicht nur ein Kontrollorgan der Zivilgesellschaft sein. "Die Jugend muss verstehen, dass sie die Nachfolge (in der Politik, Anm. d. Red.) antreten muss." Es sei jedoch nicht einfach, sie dafür zu gewinnen. "Die 27 Jahre währende Politik von Klientelismus und Korruption hat die Mehrheit der Menschen zu dem Schluss gebracht, dass es ein Metier des Diebstahls ist. Deshalb muss sich die Mentalität ändern."

Rapper Smockey vom Balai CitoyenBild: DW/K. Gänsler

Doch das braucht nach jahrzehntelanger Autokratie Zeit und ist nicht in wenigen Jahren getan. Aminata Kassé erlebt, dass das Land sehr unter Druck steht. "Die Welt ist sehr schnell geworden. Wenn man aber Etappen überspringt, wird das letztendlich Probleme schaffen. Das sorgt für Explosionen, die sich ab und zu erleben lassen. Sie sorgen dafür, dass man wieder von vorne anfangen muss", warnt sie. 

Sankaras Erbe könnte die Gesellschaft ändern

Serge Bayala fordert seine Landsleute dazu auf, anzuerkennen, was sich seit 2014 bereits geändert hat. Für den glühenden Anhänger des Revolutionärs und Staatschefs Thomas Sankara, der am 15. Oktober 1987 ermordet wurde, ist das eine ganze Menge. Unter Compaoré war die Rückbesinnung auf Sankara verboten. Jetzt erhält er mitten in Ouagadougou ein eigenes Denkmal. Außerdem könnten Sankaras Ideen künftig die Gesellschaft und Wirtschaft stärker positiv beeinflussen, zeigt sich Bayala sicher. "Dazu gehört der Konsum von lokalen Produkten aus Burkina Faso. Heute gibt es Organisationen wie Burkina Wamedo, die einen Markt für lokale Produkte geschaffen haben. Das war früher sehr schwierig." Doch genau das könnte der heute enttäuschten Jugend in absehbarer Zeit neue Perspektiven bieten.

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