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Politik

Burkina Faso: Welche Rolle spielt die ECOWAS?

Martina Schwikowski
26. Januar 2022

Es ist der vierte Putsch binnen 17 Monaten in Westafrika. Die Regionalgemeinschaft ECOWAS hält bei solchen Umstürzen mit Sanktionen dagegen, ist an der Lage aber nicht ganz unschuldig, meinen einige Experten.

Anhänger feiern Militärputsch
In Burkina Faso feierten Menschenmengen in der Hauptstadt Ouagadougou den Militärputsch Bild: Sophie Garcia/AP/picture alliance

Mali, noch einmal Mali, Guinea und nun Burkina Faso: Die Absetzung von Präsident Roch Marc Christian Kaboré ist Staatsstreich Nummer vier in Westafrika seit August 2020. Kaboré war nach einer zweitägigen Meuterei auf Druck des Militärs zurückgetreten. Die Lage ist angespannt, die Vereinten Nationen fordern die sofortige Rückkehr zur verfassungsrechtlichen Ordnung und die Freilassung des Präsidenten. Dieser steht laut Parteivertretern unter Hausarrest, aber es gehe ihm "körperlich gut". Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS verurteilte den Putsch aufs Schärfste, sie will zur Lage am Freitag beraten.

"ECOWAS soll sich zurückhalten"

Bei nicht-verfassungsgemäßen Machtwechseln lässt die Regionalgemeinschaft laut einem Zusatzprotokoll keine Toleranz walten: Burkina Fasos Nachbarland Mali wird nach einem Putsch im Mai 2021 von einer Übergangsregierung geführt - die ECOWAS hat Sanktionen verhängt und Malis Mitgliedschaft suspendiert. So geschah es ebenfalls bei Guinea nach einem Putsch im September 2021. Erwartet werden nun auch Sanktionen für Burkina Faso.

Nicht alle finden jedoch eine Intervention der Wirtschaftsgemeinschaft gut. "Wir wollen, dass die ECOWAS sich zurückhält", sagte Bassinrou Zombre auf einer Pro-Putsch-Demonstration zur Nachrichtenagentur Reuters in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou. "Die ECOWAS-Sanktionen gegen Mali schrecken uns nicht", sagt Boucary Compore, ebenfalls Unterstützer des Putsches. Die Armee habe ihr Amt angetreten, um die Dinge in Burkina Faso in Ordnung zu bringen.

Die Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) wurde 1975 mit dem Ziel gegründet, die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Westafrika zu fördern. Sie zählt 15 Mitgliedstaaten. Inzwischen geht es längst nicht mehr nur um die Wirtschaft, auch zivil-militärische Friedenseinsätze oder die Krisenprävention gehören zu den Aufgaben.

Demokratische Defizite nicht beseitigt

In der aktuellen Krise in Burkina Faso hält sich die Organisation bisher - abgesehen von der Verurteilung des Putsches - jedoch bedeckt. Ungeachtet mehrerer DW-Anfragen wollte sich niemand offiziell zu den Fragen äußern, warum trotz der Sanktionen gegen Mali und Guinea nun auch ein Putsch in Burkina Faso möglich war, und ob diese Maßnahmen nicht abschreckend genug waren. Im informellen Gespräch kommentierte ein Verantwortlicher, jede Organisation kenne "ihre Höhen und Tiefen" und verwies auf die Erfolge des subregionalen Blocks.

An die Macht geputscht: Paul-Henri Sandaogo DamibaBild: OLYMPIA DE MAISMONT/AFP/Getty Images

Von diesen Erfolgen spricht auch Benjamin Petrini, Mitarbeiter im Internationalen Institut für Strategische Studien in Washington (IISS), der unter anderem zu Konflikten in Afrika arbeitet. Seiner Meinung nach waren in den letzten 20 Jahren einige Initiativen der ECOWAS für mehr Frieden und Sicherheit in der Region nicht nur für Afrika, sondern weltweit ein gutes Beispiel. Dabei zählt er Friedenssicherungsmissionen und Vermittlungsbemühungen in der Region auf.

Aber laut Petrini ist die ECOWAS teils inkonsequent, was verfassungswidrige Machtwechsel angeht. Dabei gehe es nicht nur um Militärputsche. Als Staatsstreich könne auch die Verlängerung von Amtszeiten oder die Erhöhung der Anzahl der Amtszeiten gewertet werden. "Dass die ECOWAS wiederholt Amtszeitverlängerungen durch amtierende Präsidenten geduldet hat, hat ihre Glaubwürdigkeit und Legitimität bei der westafrikanischen Bevölkerung untergraben", schreibt Petrini der DW. Die Regionalgemeinschaft habe also in einigen Fällen eher die Amtsinhaber geschützt, als demokratische Defizite zu beseitigen.

Korrupte Elite besorgt Wähler

Fahiraman Rodrique Koné, Mitarbeiter im Sahel-Programm des Instituts für Sicherheitsstudien in Bamako, sagt, die Wirtschaftsgemeinschaft habe derzeit Schwierigkeiten, der wachsenden politischen Krise in der Region Herr zu werden. Ein Grund sei das Krisenmanagement der ECOWAS, das sich meistens auf technische Verfahren für den Weg in die Demokratie konzentriere.

Nicht überall ist die Regionalgemeinschaft gerne gesehen: "Nieder mit der ECOWAS", steht auf diesem Protestplakat in MaliBild: Florent Vergnes/AFP/Getty Images

"So ein Ansatz wird schnell unwirksam, weil er sich nicht mit den grundlegenden Problemen befasst, die die Ursache dieser Situation sind", sagt Koné im DW-Interview. Für ihn ist es Anlass zur Besorgnis, über Wahlen die ursprüngliche Krise lösen zu wollen, wenn die Bevölkerung immer skeptischer werde, was deren Effizienz angeht.

Die Menschen würden sehen, dass das Wahlsystem "eine korrupte und inkompetente Elite" hervorbringe, "der es nicht gelingt, Armut und Ungleichheit auf der einen Seite und den Sicherheitsnotstand auf der anderen zu bekämpfen", sagt Koné. Das untergrabe das Vertrauen in das Wahlsystem und helfe nicht für eine langfristige Lösung des tief verwurzelten Problems.

Dringend notwendig: mehr Dialog

Emmanuel Kotin, Direktor des "Africa Center for Security and Counter-Terrorism" in Ghana, gibt der ECOWAS teilweise die Schuld für den Umsturz in Burkina Faso und anderen Sahel-Staaten in den vergangenen Monaten. "Sie müssen ihre Rolle innerhalb dieser Länder neu überdenken. Sie müssen sich mehr engagieren, den Dialog intensivieren, ihre Regierungsführung und ihre Sicherheitsinstitutionen stärken - und nicht erst dann handeln, wenn es zu solchen Situationen kommt, denn sie entstehen nicht aus heiterem Himmel", so Kotin zum Sender Africanews.

Auch dank der ECOWAS kam es im Niger 2021 zu einem demokratischen Machtwechsel, sagt experte VinesBild: DW

Nicht die ECOWAS sei die Ursache für diese Putsche, betont dagegen Alex Vines, Leiter Afrika-Programm des Think Tanks "Chatham House" in London. Sondern das habe mit sehr schwachen Regierungen und oft stärkeren Militärs zu tun. Die lokale Bevölkerung, vor allem in den Hauptstädten, unterstützte Putsche zum Teil, sagt Vines, weil die Menschen erschöpft seien von der wachsenden Unsicherheit. "Die Realität ist, dass Militärputsche nicht mehr Stabilität bringen", sagt Vines der DW.

Niger: Lobbyarbeit hat funktioniert

Doch es geht auch anders. Vines führt das Beispiel Niger an. Dort habe die ECOWAS 2010 gute Lobbyarbeit geleistet und Druck ausgeübt, um den Übergang von einer militärischen zu einer zivilen Verwaltung zu erreichen. Der damalige Präsident Mamadou Tandja war im Februar 2010 durch einen Militärputsch abgesetzt worden und mit Hilfe von Verhandlungen durch die ECOWAS gab es einen friedlichen Übergang zu einer Wahl im Januar 2011, bei der Mahamadou Issoufou zum Präsidenten gewählt wurde. Dieser regierte bis 2021. Vines zählt es auch zu den Erfolgen der ECOWAS, dass im Anschluss der Übergang von einem demokratischen Führer zu einem anderen - Mohamed Bazoum - in Niger gelungen war.

"Das kann also funktionieren", sagte Vines. "Ich denke, dass Niger vielleicht die Vorlage dafür ist, wie wir in Zukunft mit diesen Putschen umgehen sollten, die jetzt wieder in der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft verstärkt vorkommen."

Mitarbeit: Fréjus Quenum

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